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Der lange Weg ins Bio-Glück

Öko-Pionier Hans Glück gibt Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber einen Einblick in seinen Hof in Tittmoning

Projekte: Bio - direkt vom Bauernhof, Bio-Lebensmittel vom Acker, Bio-Lebensmittel vom Grünland, Öffentlichkeitsarbeit
Diskutieren über Agrarpolitik im freien Stall zwischen Rindern und Schweinen; im Bild von links: Biobauer Hans Glück, Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber, Andreas Bratzdrum, Marlene Berger-Stöckl, Andreas Buchwinkler, Alfons Leitenbacher.
Diskutieren über Agrarpolitik im freien Stall zwischen Rindern und Schweinen; im Bild von links: Biobauer Hans Glück, Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber, Andreas Bratzdrum, Marlene Berger-Stöckl, Andreas Buchwinkler, Alfons Leitenbacher.
© Josef A. Standl
Tittmoning. Ein bisschen prallen da schon Welten aufeinander, wenn die bayerische Oberklassenlimousine mit dem weißen Lederpolster von Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber auf den Hof von Bauer Hans Glück in Tittmoning vorfährt. Dennoch war der Grund des Besuchs ein durchaus positiver: Glück konnte in diesem Jahr sein 40. Biojubiläum feiern, so lang betreibt er schon eine schonende, ökologische Landwirtschaft auf dem Hof im Ortsteil Grassach. Damit ist der heute 64-Jährige einer der Bio-Pioniere des Landkreises. Um dies zu würdigen und sich mit Glück und weiteren Vertretern aus Lokalpolitik und Landwirtschaft auszutauschen, hat es sich Kaniber nicht nehmen lassen, persönlich auf dem 18 ha-Bauernhof vorbeizuschauen.

Corona brachte Umsatzanstieg

Im offenen Schweine-, Kuh- und Hühnerstall wurde munter diskutiert, auch gekommen waren Tittmonings Bürgermeister Andreas Bratzdrum, Ökomodellregions-Geschäftsführerin Marlene Berger-Stöckl, Saaldorf-Surheims Bürgermeister Andreas Buchwinkler sowie Alfons Leitenbacher als Leiter des Landwirtschaftsamtes Traunstein. Gesprochen wurde über aktuelle Entwicklungen in der Landwirtschaft – gerade was den Bio-Sektor anbelangt.

Brachte die währen der heißen Coronaphase für die Biobauern einen besseren Umsatz, stagniert dieser nun in den unsicheren Zeiten einer erhöhten Inflation und der „Energiekrise“, in der viele Menschen wieder mehr auf den Preis als auf eine ökologisch einwandfreie Qualität achten. Ministerin Kaniber ist in der bayerischen Regierung auch für Ernährung zuständig und somit an zwei Hebeln tätig. Mit sattelfesten Argumenten diskutierte sie mit den Funktionären und konnte sich sehr anfreunden mit den Umständen, die in dem Stall vorzufinden sind: auf der einen Seite die „Glücks“-Schweine, die mit großzügiger Liegefläche und weitem Auslauf bedacht freundlich vor sich hin grunzten. Auf der anderen Stallseite die Damen der Rinderherde, die mit dem Stier Emil in ihrer Mitte wahrscheinlich auch gut betreut sind.

Agrarbehörde prophezeite Ende des Biobetriebs

Landwirtschaftsmeister Hans Glück berichtete von den Widrigkeiten und Problemen hinsichtlich des Umstiegs auf Bio. Viele Jahre mussten vergehen, bis diese Form der Landwirtschaft wirklich bei Gesellschaft wie Landwirten selbst akzeptiert war. Auch Michaela Kaniber selbst konnte sich an sehr kontrovers geführte Diskussionen mit Glück erinnern – auch wenn diese noch keine 40 Jahre her sind.
Glück erinnert sich an Gespräche mit Kollegen: „Die anderen haben mir als Kleinbauern mit neun Hektar Eigenfläche keine Chance gegeben“. Dass er selbst mit den noch zugepachteten neun Hektar nicht überlebensfähig sei, wie ihm sogar die Agrarbehörden prophezeit hätten, „das habe ich widerlegt. Denn der Erfolg ist eine Frage des Konzeptes, nicht der Größe“, sagt der Tittmoninger, der sich auch im Stadtrat engagiert. „Heute bin ich einer der Wenigen der damals kleineren Bauern, die noch wirtschaften“.

Außerdem verwies Glück bei dem Treffen darauf, dass er damals nicht nur die Produktion, sondern auch die Vermarktung in die eigenen Hände genommen hat. Die Ministerin lobte den Grassacher Landwirt „für sehr viel Mut“, den er aufgebracht habe, und untermauerte ihren Respekt für sein Durchhaltevermögen über all die Jahrzehnte.
Glück hatte, wie alle anderen Bauern, die früh umstellten, Lehrgeld zahlen müssen. Heute, so berichtet der Bauer außerdem, baut er nicht mehr so viele Sorten selbst an und kauft manches für den Hofladen von Kollegen aus der Region zu, aus wirtschaftlichen Gründen. Der Hofladen, den seine Lebensgefährtin Jutta Staudt-Franzen (61) führt, wurde im Jahre 1997 errichtet und führt ein Vollsortiment mit etwa tausend Artikeln auf rd. 50 Quadratmetern.

In einem launigen Gespräch mit der Heimatzeitung hat Hans Glück die vergangenen 40 Jahre als Bio-Bauer Revue passieren lassen. Das Interview erscheint als Audio-Podcast „Auf an Ratsch“ und als Text in einer der nächsten Ausgaben.

Von Prof. Mag. Josef A. Standl, erschienen am Freitag, 16.09. in der Südostbayerischen Rundschau
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