Zum Inhalt springen

„Welternährung durch Öko-Landbau sichern“

Seminarreihe bringt Forschung und Praxis zusammen

Die Organisatorinnen (von links) Annika Reich, Projektmanagerin Öko-Modellregion Amberg-Sulzbach, Ariane Volkmann, Fachberaterin BBV und Sandra Foistner, Projektmanagerin Öko-Modellregion Neumarkt i.d.OPf. sowie Referent Dr. Felix Prinz zu Löwenstein.
Die Organisatorinnen (von links) Annika Reich, Projektmanagerin Öko-Modellregion Amberg-Sulzbach, Ariane Volkmann, Fachberaterin BBV und Sandra Foistner, Projektmanagerin Öko-Modellregion Neumarkt i.d.OPf. sowie Referent Dr. Felix Prinz zu Löwenstein.
© Lorenz Märtl
Ökolandbau als Rettungsanker
„Wir werden uns ökologisch ernähren oder gar nicht mehr“ ist Prinz zu Löwenstein, Agraringenieur, Vorstandsvorsitzender des BÖLW (Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft) und Biolandwirt, der seit
November 2020 Mitglied der Zukunftskommission Landwirtschaft ist, überzeugt. In einer Art virtueller Weltreise zeigte der Verfechter des Ökologischen Landbaus auf, mit welchen Problemen wir weltweit zu kämpfen hätten, wie etwa mit Nährstoffüberschüssen in Böden, Gewässern und Grundwassern, steigenden Treibhausgas-Emissionen, Artensterben bei Flora und Fauna sowie Dürren und Überflutungen mit Bodenerosion als Folge.

Enormes Artensterben
„Auf der Präsenz von Biodiversität fußt die Funktion unseres Ökosystems“, betont der passionierte Biolandwirt, der seinen Landwirtschaftsbetrieb schon in den 1990er Jahre auf Ökolandbau umgestellt hat. „Wenn es gegen Insekten und Unkräuter kaum mehr Wirkstoffe gibt, dann hängt das mit der Instabilität unseres Systems zusammen“, ist Löwenstein überzeugt und plädiert für ein rasches Umsteuern. Die Haltung robuster Rassen, ein naturnaher, erosionsmindernder Anbau aber auch kleinräumige, vielfältige Bewirtschaftungssysteme wie etwa in der Solidarischen Landwirtschaft seien ökologisch extrem wertvoll. Nur mit Ökolandbau könne die Weltbevölkerung langfristig ernährt werden, so der Tenor. Wie Nahrungsmittel erzeugt würden, wirke sich auf die Preise und letztendlich auf unseren Konsum aus. Und hier sieht Prinz zu Löwenstein auch die Verbraucher in der Pflicht, Qualität statt Quantität zu konsumieren und der Lebensmittelverschwendung entgegen zu wirken.

Grundwasser extrem belastet
Dr. Franz Ehrnsperger, Vorsitzender der Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser eG schloss sich Löwenstein in den Grundsätzen an. „Die großflächigen Verunreinigungen des Grundwassers etwa mit
Nitrat, Pestiziden und Medikamentenrückständen kommen aus der intensiven Landwirtschaft wie sie von Wissenschaft, Politik, Verbänden und Industrie in den vergangenen 70 Jahren vorangetrieben wurden“,betont Ehrnsperger. Der Seniorchef der Neumarkter Lammsbräu, der sich seit Jahren für den Schutz des Grundwassers einsetzt, sieht die Ursachen für den Verlust der Biologischen Vielfalt aber auch für die bestehenden Wasserprobleme in engen Fruchtfolgen, intensiver Düngung, hohem Pflanzenschutzmitteleinsatz sowie dem Fehlen von organischem Material. „Ein guter Boden mit gesunder Bodenstruktur ist die Lösung“ ist Ehrnsperger überzeugt und plädiert für mehr Ökolandbau, der nicht nur gesunde Bio-Nahrungsmittel hervorbringe, sondern auch Wasser in Bio-Qualität.

Dem Wesen der Tiere gerecht werden
„Um die Bodenfruchtbarkeit zu fördern und Humus aufzubauen ist es wichtig, Bodenlebewesen wie etwa den Regenwurm zu füttern“, betont Bodenpraktiker Sepp Braun. Der Biobauer schildert eindrücklich aus der Praxis seines Biobetriebes, wie er dies mit Hilfe von Zwischenfrüchten, Untersaaten, Kompost, pflugloser Bodenbearbeitung und leichten Maschinen erreiche. „Wir müssen auch dem Wesen der Tiere wieder gerecht werden“, bringt der Öko-Pioniers einige Beispiele, wie etwa den Weidegang oder die muttergebundene Kälberaufzucht. Sein Fazit ist, dass „wir Menschen der Schlüssel für den Umgang mit der Natur sind“ und fruchtbare Böden durchaus Einfluss auf die Gesundheit und Friedfertigkeit der Menschen habe.

CO2-Austoß mindern
Fachwissen zum Aufbau, den Funktionen des Bodens sowie zum Bodenschutz vermittelte Dr. Martin Wiesmeier von der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), der dem Humus ebenfalls eine sehr hohe
Bedeutung beimisst. „Alleine durch die Ausweitung des Zwischenfrucht-Anbaus in Bayern könnten pro Jahr CO2-Emmissionen von 83 Millionen Menschen - sprich fast der gesamten Bevölkerung Deutschlands – kompensiert werden“, ist der Wissenschaftler überzeugt.
Dr. Annette Freibauer von der LfL betonte, dass die Landwirtschaft über die Senkung der Stickstoffüberschüsse, die energetische Nutzung von Wirtschaftsdüngern, die Emissionsminderung in der
Tierhaltung, die Erhöhung der Energieeffizienz aber auch den Humuserhalt und -aufbau sowie den Schutz von Moorböden als CO2-Speicher durchaus an Stellschrauben drehen könne, um die klimaschädlichen Emissionen zu senken.

Strohhalm mit Staudamm-Funktion
„Was kommt auf den Boden zu“, fragte Florian Ebertseder von der LfL, der den Boden im gesellschaftlichen und klimatischen Wandel sieht. Der Boden, der unter anderem als Lebens- und
Wirtschaftsraum, Anbau- und Waldfläche, Rohstofflager und -abbaugebiet und Erholungsraum dient, ist unter anderem Wind- und Wassererosion aber auch extremeren Jahreszeiten ausgesetzt, wie – in unseren Breiten - wärmeren Wintern und Frühjahren. „Wasser in der Fläche halten“, ist das Motto von Ebertseder, der jeden Strohhalm als „Staudamm“ sieht und die schützende Mulchsaat betont. Da der Druck sowohl auf die Böden als auch aus der Gesellschaft höher werde, müsse Bodenschutz über die Verwaltungsgrenzen hinaus gedacht werden. Hier sieht Ebertseder langfristig die Digitalisierung wie etwa GPS und Robotik als Chance, um Druck aus dem System zu nehmen.

Künstliche Intelligenz im Stall
Über den Einsatz von künstliche Intelligenz im Kuhstall anhand eines Forschungsprojektes in einem Laufstall in Oberbayern stellte Martin Höhendinger, Hochschule Weihenstephan-Triesdorf und TUM-Weihenstephan, vor. Hier wird anhand eines integrierten FarmManagement-System die Automatisierung betrieblicher Abläufe in der Kombination aus Milchviehhaltung und Energieproduktion geforscht.Ziel des Projektes ist, die Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für einen energieautarken landwirtschaftlichen Betrieb aufzuzeigen und die Umsetzbarkeit zu erproben.

Prominente Gäste
Die amtierende Bayerische Biokönigin Annalena Brams bereicherte mit ihrem Grußwort die Veranstaltungsreihe ebenso wie die Landräte Richard Reisinger (Amberg-Sulzbach) und Willibald Gailler
(Neumarkt i.d.OPf), die BBV-Kreisobmänner Peter Beer, Michael Gruber sowie die Kreisbäuerinnen Brigitte Trummer und Sieglinde Hollweck. Unisono sprachen sie Annika Reich und Sandra Foistner von den Ökomodellregionen sowie Ariane Volkmann vom BBV Anerkennung für die Organisation und Moderation dieser herausragenden Seminarreihe aus, die Wissen aus Forschung und Entwicklung in die Praxis brachte.
Vorherige Nachricht Nächste Nachricht