Das silvoarable Agroforstsystem in Otting
In diesem Modell werden Bäume und Sträucher streifen- oder halbkreisförmig angeordnet und mit ein- und mehrjährigen Kulturen wie Gemüse, Beeren und Stauden kombiniert. Diese innovative Bewirtschaftung erzeugt nicht nur ökologische Vorteile, sondern richtig angelegt auch eine beeindruckende Ertragsvielfalt. Während eines Besuchs der Ökomodellregion Waginger See-Rupertiwinkel (ÖMR) führten Kristine Rühl und die Ernteteilerin Uschi Danzl ihre Gäste – darunter Stefanie Lang, Bürgermeisterin von Taching am See, Matthias Baderhuber, Bürgermeister von Waging am See, und ÖMR-Managerin Marlene Berger-Stöckl – über die herbstlich bestellten Gemüsefelder. Dabei erläuterten sie anschaulich, wie Bäume und Sträucher die Basis für eine naturnahe und ressourcenschonende Landwirtschaft schaffen.
Ein Höhepunkt des Besuchs war das gemeinsame Pflanzen eines Obstbaumes, der Teil einer großangelegten Pflanzaktion der SoLaWi Tettenberg ist. Dieses Projekt, getragen von zahlreichen freiwilligen Helfern, verfolgt das Ziel, die Region ökologisch aufzuwerten und die Landschaft durch nachhaltige Gehölzstreifen zu bereichern.
Vielfalt der Pflanzungen
Kristine Rühl hat es sich zur Aufgabe gemacht, eine kleinteilige Kulturlandschaft mit hoher biologischer Vielfalt zu schaffen. Bis Ende des Jahres sollen insgesamt 111 Bäume und 516 Sträucher sowie Gehölze gepflanzt werden. Auf einer Gesamtfläche von 3.527 Quadratmetern entstehen so Lebensräume, die nicht nur die Gemüsefelder umrahmen, sondern auch Bestäubern, Nützlingen und Vögeln Schutz und Nahrung bieten.
Zu den gepflanzten Arten zählen klassische Obstbäume wie Äpfel, Birnen, Zwetschgen, Süß- und Sauerkirschen sowie Besonderheiten wie Maulbeeren, Mispeln und Esskastanien. Ergänzt wird diese Vielfalt durch Sträucher wie Felsenbirnen, Kornelkirschen, Wildrosen, Sanddorn und zahlreiche Beerenarten – von Heidelbeeren bis hin zu Jostabeeren. Dauerblühstreifen mit Pflanzen wie Lavendel, Johanniskraut und Blutweiderich schaffen zusätzliche Nahrungsquellen für Insekten.
Das Geld für das Pflanzmaterial, in Höhe von 16.000 Euro, entstammt einer Crowdfunding- Kampagne im Jahr 2021, die u.a. von der Ökomodellregion Waginger See-Rupertiwinkel unterstützt wurde. „Eine große Anzahl an Spendenden hat aufgezeigt, dass gemeinschaftsgetragene Landwirtschaft möglich ist, an dieser Stelle mein großer Dank an diese Menschen und an die Akteure und Akteurinnen und die ehrenamtlichen Helfer aus dem Kreis unserer solidarischen Landwirtschaft (SoLaWi), die unermüdlich beim Pflanzen helfen“, so SoLaWi-Gründerin Rühl.
Ökologische und klimatische Vorteile
Rühl erläutert, wie die Integration von Gehölzen das landwirtschaftliche System stärkt. „Bäume und Sträucher verbessern die Bodenstruktur, erhöhen den Humusgehalt und reduzieren Erosion“, erklärt sie. „Ihre Wurzeln fördern die Durchlüftung des Bodens und speichern Wasser aus größerer Tiefe, während ihre Baumkronen empfindliche Gemüsepflanzen vor Hitze und Wind schützen.“ Diese Eigenschaften sorgen für ein ausgeglichenes Mikroklima und minimieren den Hitzestress für die Kulturen – ein Vorteil, der gerade in Zeiten zunehmender Wetterextreme entscheidend ist.
Ein Beitrag zur Klimaregulation
Die Bäume nehmen zudem CO₂ auf und leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Klimaregulation. Ihre Anwesenheit schafft nicht nur Lebensraum für Bestäuber und Nützlinge, sondern reduziert auch den Einsatz von Pestiziden und stärkt die natürliche Resilienz der Agrarlandschaft. „Früher war es selbstverständlich, Bäume und Sträucher in die Landwirtschaft zu integrieren“, betont Rühl. „Wir können davon profitieren, zu dieser Praxis zurückzukehren.“
Marlene Berger-Stöckl zeigte sich beeindruckt vom Engagement Rühls: „Mit ihrem silvoarablen System gelingt es ihr, Produktivität und Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen. Dieses Modell ist kein Sonderfall für den Bio-Gemüsebau, sondern als Schutzmaßnahme gegen zunehmendes Extremwetter eine vielversprechende Perspektive für die Landwirtschaft der Zukunft. Inzwischen gibt es eigene Agroforstberater, die Bauernhöfe vor der Anlage eines Agroforstsystems beraten, denn von der Minimierung des Schattenwurfs bis zu den optimalen Arbeitsbreiten zwischen den Pflanzstreifen müssen viele Faktoren berücksichtigt werden, damit das passende Agroforstsystem gefunden wird und auch zu Mehrerträgen führt. Es gibt mittlerweile auch Förderangebote für die Anlage von Agroforst über das Kulturlandschaftsprogramm des AELF (KuLaP).“
Kristine Rühl lädt Interessierte ein, ihre solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) in Tettenberg zu besuchen und sich aktiv einzubringen. „Es ist eine wunderbare Möglichkeit, uns kennenzulernen und Teil dieser Vision zu werden“, sagte sie abschließend. Aktuelle Informationen und Termine sind auf der Website www.solawi-chiemgau.de zu finden.
Artikel von Anneliese Caruso, SOR 08.01.25