Die Öko-Modellregionen in Zusammenarbeit mit der Unteren Naturschutzbehörde und dem InsGdA-Projekt für die Förderung der Biodiversität durch Weidehaltung
Der Abend im
gut besuchten großen Sitzungssaal wurde eingeleitet durch die Projektmanager
der Öko-Modellregionen Daniel Buslapp und Jonas Bierlein, die zusammen mit der
Unteren Naturschutzbehörde (UNB) zum Vortrag eingeladen hatten. Sie stellten die
Öko-Modellregionen mit ihren weitschichtigen Arbeitsfeldern vor. In den danach
folgenden wissenschaftlichen Kurzvorträgen der Unteren Naturschutzbehörde,
vertreten durch Lisa Reiprich sowie dem „InseGdA“ Projektteam um Dr. Andreas
Zipperle sowie Dr. Oliver Kress zum Thema Bachlaufrenaturierung an
Weideflächen, konnte man schon feststellen, welch großen Einfluss diese
Bewirtschaftungsart mit Rindern auf die Umwelt, den Insektenschutz und die
Biodiversität hat. „Beweidung schafft einen vielfältigen Lebensraum und großes
Potential für die Artenvielfalt“ so Lisa Reiprich von der Unteren
Naturschutzbehörde.
Ein faktenbasiertes Statement für die ökologische Landwirtschaft mit Weidehaltung
In seinem folgenden Vortrag bestätigte der gelernte Agraringenieur
Ulrich Mück dies und wies dabei auf die besondere Rolle des Kuhfladens hin:
„Kuhfladen sind Nahrung für die Vielfalt“, indem er ein Vermehrungsort von
Insekten ist, die wiederum Nahrung für Vögel, Fledermäuse und Zauneidechsen
bieten. Zudem wies er auf einen spannenden Gesundheitsaspekt von Weidetieren
hin. „Wissenschaftlich erwiesen ist, dass Wiederkäuer Borreliose-Erreger auf
Weideflächen drastisch reduzieren. Zecken sind nach dem Biss an Wiederkäuern borrelienfrei“,
so Ulrich Mück. Ziel des Vortragsabends war es jedoch die gesellschaftliche
Kritik an der als klimaschädlich eingestuften Haltung von Rindern und
Wiederkäuern, die zudem meist mit dem Appell verbunden ist, weniger
(Rind)Fleisch zu essen – mit wissenschaftlichen Feststellungen zu prüfen, mit
entsprechenden Fakten abzuklären und eine Lanze für extensive Weidehaltung des
Rindes aus ökologischer Sicht zu brechen. Mück stellte eingehend die große
historische Bedeutung der Rinderhaltung in der menschlichen Kulturgeschichte
und ihre Rolle als Nahrungslieferant der Menschen dar. Er begründete dies
damit, dass „Rinder und Grünland das Dreamteam der Evolution seien“. Rinder
sind als Verdauungswunder zu bezeichnen. Sie können für den Menschen
unverdauliches Gras der Wiesen, Weiden, sogar Stroh verdauen und sich ohne auf
dem Acker erzeugtes Futter am Leben halten und fortpflanzen. Dabei verwandeln
Rinder hocheffizient „nichtessbares Grünland“ in Fleisch und Milch um.
Global betrachtet nehmen wir jetzt schon eine Vorbildposition ein
Der „Organismus Erde“ führe allen vor Augen, dass es
Weidetiere brauche: Über 75 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren
Landflächen auf dieser Welt sind Grünland, ca. 33% in Bayern, das nur durch
Wiederkäuer, Raufutterfresser und insbesondere Rinder für menschliche Ernährung
genutzt werden könne. Grünland speichere zudem bereits jetzt sehr viel organischen
Kohlenstoff und könne zusätzlich sehr viel mehr speichern als Ackerflächen.
Anhand wissenschaftlicher Untersuchungen zeigte der Referent, dass davon
auszugehen ist, dass Dauergrünland in Deutschland fast doppelt so viel
Kohlenstoff aus der Atmosphäre bindet, als Wald- oder Ackerböden. Außerdem
brauchen wir die Weidehaltung sowie deren Erweiterung, um unter anderen
klimaschädliche Kohlenstoffe im Grünland zu erhalten oder um weiter Kohlenstoff
einzubinden. Global enthielte gemäß neuester Klimaforschung das Dauergrünland
in etwa fünf Mal so viel Kohlenstoff als in allen Äckern dieser Erde. Auch im
Acker wird im Ökolandbau vielfach künstliches Grünland (Kleegras) angebaut, das
überwiegend durch Wiederkäuer verwertet wird. Das Kleegras und der Dünger der
Rinder erhalten den Acker nachhaltig fruchtbar. „Wenn Rinder mit Grünland
gefüttert werden, sind sie Klimaschützer und Weidetiere sind ein Segen für die
Biodiversität“, so Ulrich Mück. Rinder und Raufutterfresser seien ein nicht
austauschbares Element des ökologischen Landbaus und einer nachhaltigen
Landbewirtschaftung, mahnte der Referent. Mit vielen Fakten gelang es ihm eine
Lanze für Weidehaltung des Rindes aus ökologischer Sicht zu brechen. Doch
zurück zum Rind als sogenannter Klimakiller. Mit Bezug auf die Viehzählung in Bayern
ab Jahre 1873 stellte er fest, dass wir heute 22,7% weniger Kühe haben als
damals. Seit 1990 ist die Anzahl der Rinder in Deutschland sogar um 44%
zurückgegangen. „Durch diesen Rückgang der Rinder ist die Landwirtschaft der
einzige Sektor in Deutschland, der die CO2-Reduktionsziele bezogen auf 1990
bereits erfüllt hat“, so Ulrich Mück. Gesellschaftlich zu berücksichtigen ist,
ob durch die hohe Nachfrage nach billigen Fleisch und Milch auf anderen
Kontinenten riesige Flächen Regenwald gerodet werden müssen. Dies darf nicht das gesellschaftliche Ziel sein und
hierbei können Verbraucher und Verbraucherinnen mit dem Kauf von bio-regionalen Weide- Rindfleisch einen
wichtigen Beitrag leisten, so die einhellige Meinung im Saal.
Schluss-Resümee und was bleibt
Bereits während des Hauptvortrages und auch im Anschluss bot dieses kontroverse Thema Stoff für eine lebhafte Diskussion. Fragen in Bezug auf die Bedeutung der aufgeführten Fakten auf die uns bekannte Ernährungspyramide und deren Konsequenzen erhitzte so einige Gemüter. Mit dem Hinweis das es hierbei um den Apell zu einer bewusst ökologischen, aber nicht einseitigen Ernährung ginge und schlussendlich jeder die Art seiner Ernährungsform für sich entscheiden dürfe, führte Herr Mück souverän zum Ende der Veranstaltung. Doch auch dieser Diskurs hat, neben den fachlich wertvollen Vorträgen des Hauptreferenten, aber auch der Mitarbeitenden des Landratsamtes Wunsiedel im Fichtelgebirge, einen wesentlichen Betrag zur Bewusstseinsbildung im Umgang mit unseren Ressourcen, vor allem dem täglichen Konsum und den damit verbundenen Möglichkeiten zum aktiven Umweltschutz geleistet.