Treibende Kraft ist damals der Vater Alois Kraus. Er kommt in Berührung mit Demeter und findet, dass dies genau die ursprüngliche Art der Landwirtschaft ist, die er betreiben möchte. Jene, die schon Jahrhunderte funktioniert hat. Zusammen mit ihrem Vater hat Roswitha über 30 Jahre den Hof bewirtschaftet. Leben konnte man von dem, was der Hof mit seinen 15 Hektar Eigenfläche einbrachte, nur sehr bescheiden. So finden alle in der Familie eine Zusatzbeschäftigung: Mutter Inge Kraus baut zwei Ferienwohnungen am Hof aus und ist leidenschaftliche Gastgeberin. Sie hat damit auch ihren eigenen Bereich. Alois Kraus betreibt noch das Sägewerk, das zur Rennermühle gehört und soweit möglich bis heute mit Wasserkraft betrieben wird. Das Sägewerk hat der Bruder übernommen.
Roswitha eröffnet in Tirschenreuth das Reformhaus „Frohnatur“ und damit den ersten und bis heute einzigen Naturkostfachhandel in Tirschenreuth. So ist die ganze Familie bis heute Teil des Hofes, und doch findet jeder woanders sein Auskommen. Seit Alois Tod macht Roswitha die meiste Arbeit am Hof allein.
Den ankommenden Besucher schickt der Hof auf eine Zeitreise. Das alte Sägewerk ist so, wie es zu Beginn des letzten Jahrhunderts gebaut wurde, der Innenhof idyllisch und ebenso dem Heute entrückt. „Uns ging es nie ums Wachstum. Uns ging es um die Botschaft. Ich habe immer gesagt, wenn es überall Bio gibt, dann haben wir unsere Aufgabe erfüllt und können aufhören. Das ist heute fast so. Bio gibt es in jedem Supermarkt, in jedem Discounter. Die Zeiten haben sich geändert, und es ist gut, dass Bio so an Bedeutung gewonnen hat.“ Ein bisschen Stolz schwingt mit, wenn Roswitha feststellt, dass sie damals mit all ihrem Idealismus das Richtige getan haben.
Man merkt Roswitha an, dass sie die alten Zeiten, wenn schon nicht vermisst, so doch sehr gerne mochte. Sie erinnert sich an die ersten Anbauversuche mit Dinkel. Es gab im ganzen Landkreis und auch im Nachbarlandkreis keinen Ort, wo man den Dinkel hätte entspelzen können. Beim Entspelzen wird der Dinkel von seiner Schale befreit, sodass nur das Korn übrigbleibt. „Wir haben den Dinkel in unseren Ford Transit aufgeladen und sind nach Nürnberg gefahren.“ Das klingt nach Abenteuer. Und Idealismus. Auf der Rennermühle gab es zur Zeit der Umstellung Milchkühe. Die Milch wurde konventionell verkauft, weil es keine Biomolkerei gab. Aber darum ging es der Familie auch nicht, sondern um das Statement. Diese Welt, in der man rein aus Überzeugung handelt und es ausdrücklich nicht um Effizienz und stetiges Wachstum geht, droht heute verloren zu gehen und es ist gut zu wissen, dass es in der nördlichen Oberpfalz einen Demeterhof gibt, in dem die Zeit stehen geblieben ist und die Menschen nach wie vor vollends idealistisch sind.
Roswitha Ulrich
Rennermühle – der politische Sinn der Ursprünglichkeit
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