Sowohl die Staatsregierung als auch die Bundesregierung haben sich zum Ziel gemacht, 30 Prozent ökologischen Landbau bis 2030 zu erreichen. Doch besonders seit die Verbraucherpreise so stark steigen und die Menschen mehr auf das Geld schauen, wird es schwieriger, dieses Ziel zu erreichen.
Gleichzeitig wird seit Beginn des Kriegs in der Ukraine laut diskutiert, ob möglichst viel Ertrag in der Landwirtschaft nicht wichtiger sein sollte, als Maßnahmen zum Schutz der Umwelt, um zum Beispiel ausbleibende Getreideexporte aus der Ukraine abzufedern. Außerdem haben die Bauern zurzeit mit hohen Diesel-, Futter- und Düngerpreisen zu kämpfen, dazu kommen die Ernteverluste durch die Dürre in diesem Jahr. Diese machen wiederum deutlich, wie wichtig der Kampf gegen den Klimawandel auch für die Landwirtschaft ist.
Landwirtschaftsministerin Kaniber: Ziel 30 Prozent Ökolandbau bleibt
In dieser komplexen Lage wird lautstark diskutiert zwischen Bauern, Politikern und Umweltschützern. Beim politischen Frühschoppen der Ökomodellregion Waginger See-Rupertiwinkel sind diese unterschiedlichen Positionen am Sonntag prominent aufeinandergetroffen. Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber nannte die Ökomodellregionen einen Schlüssel, um zu zeigen, wie mehr ökologische Bewirtschaftung möglich ist.
Die Regionen ermöglichten Netzwerke zu spannen und könnten eine Blaupause sein, um global zu denken, aber regional zu handeln. Die Ministerin bekräftigte auch die Zielvorgabe 30 Prozent Ökolandbau. Sie räumte jedoch ein, dass es in Zeiten steigender Preise schwieriger geworden sei, bei den Verbrauchern dafür zu werben, sich beim Einkauf für starke, ökologische - und damit oftmals teurere - Lebensmittel zu entscheiden.
Forderung nach mehr Bio in Kantinen
Gisela Sengl, selbst Biobäuerin und Landtagsabgeordnete der Grünen, fordert in diesem Zusammenhang von der Staatsregierung zum einen mehr Geld in die Forschung zum ökologischen Landbau zu stecken, zum anderen endlich in der Gemeinschaftsverpflegung mehr zu tun. Kantinen von staatlichen Institutionen müssten als erste einen entsprechenden Anteil von Biolebensmitteln anbieten.
Dem stimmt auch der Bio-Gemüsebauer Michael Steinmaßl aus Kirchanschöring zu. Die Corona-Zeit, in der viele Menschen mehr für zu Hause eingekauft und mehr gekocht hätten, habe gezeigt, dass die Menschen ökologische Produkte präferieren, wenn sie die Wahl haben. In der Verpflegung außer Haus fehle jedoch oft eine entsprechende Auswahl.
Der Bio-Bauer betont außerdem: Konventionelle Produkte, die zum Beispiel unter Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Mineraldünger angebaut wurden, würden hohe externe Kosten für die Gesellschaft verursachen – durch die Umweltprobleme, die damit einhergehen. Diese seien beim Produktpreis aber nicht eingerechnet. Langfristig würden konventionelle Produkte die Gesellschaft mehr kosten, als ökologische, die derzeit in den Supermarktregalen meistens noch teurer sind.
Lässt sich mit Bio die Welt ernähren?
In der Diskussion um eine Ausweitung des Ökolandbaus wird auch immer wieder darüber gestritten, ob es überhaupt theoretisch möglich wäre, die Welt nur mit ökologischer Bewirtschaftung zu ernähren, da die Erträge in der ökologischen Landwirtschaft meist geringer sind als beim konventionellen Anbau.
Die Grünen-Abgeordnete Gisela Sengl beantwortet diese Frage mit einem klaren Ja: "Solange 30 Prozent der Lebensmittel weggeschmissen werden, braucht mir keiner erzählen, dass das nicht geht." Landwirtschaftsministerin Kaniber nimmt in diesem Zusammenhang auch den Handel mit in die Pflicht, der teilweise auch Lebensmittel zu billig anbiete, wie etwa zehn Semmeln zum Preis von 1,11€ und damit dazu beitrage, dass den Produkten wenig Wertschätzung entgegengebracht werde.
Landwirtschaftsministerin: Ernährungssouveränität politisches Ziel
Kaniber sprach sich dafür aus, in der aktuellen politischen Lage die Ernährungssouveränität zum politischen Ziel zu erklären und die heimische Lebensmittelproduktion und dafür auch entsprechend Flächen zu sichern. Länder wie China und Russland hätten das als Ziel bereits so verstanden. Was den Schutz der Umwelt dabei angeht, sagte die Ministerin, es brauche durchaus eine Neubewertung des Green Deals der EU. Agrarumweltmaßnahmen seien zwar wichtig, müssten aber in die Produktion integriert sein und dürften nicht auf Teufel komm raus durchgesetzt werden.
Ralf Huber, Bezirkspräsident Oberbayern des Bayerischen Bauernverbandes, äußerte dazu sein Unverständnis über die Maßgabe, vier Prozent der Flächen zu Gunsten der Umwelt stillzulegen. Diese Auflage wurde zwar jetzt von der Bundesregierung um ein Jahr aufgeschoben, doch das Brachlegen der Flächen verursache hohen Aufwand, während die Flächen für die Sicherung der Nahrungsmittelproduktion gebraucht würden. Der wirtschaftspolitische Sprecher der Freien Wähler, Manfred Eibl, wirbt insgesamt für mehr Eigenverantwortung: Es sei besser, von einer wichtigen Sache zu überzeugen, als enge Vorgaben zu machen.
Kritik an exportorientierter Landwirtschaft
Die Europaabgeordnete Maira Noichl (SPD) betonte dagegen: Die Probleme mit Pestiziden, dem Wasserhaushalt und den Böden seien ja nicht weg und müssten weiter angegangen werden. Sie kritisiert, die Lebensmittelproduktion dürfte weniger exportorientiert sein: "Wir wissen doch alle, wenn wir Soja importieren und Fleisch exportieren, dass die Scheiße dableibt."
Ein gewisser Grad von Überversorgung sei jedoch in Ordnung, solange angrenzende Regionen mitversorgt würden, anstatt zum Beispiel Fleisch nach Australien oder China zu exportieren. Als Positivbeispiel nannte sie Irland, dass mit viel Weideland gut Rinder für den europäischen Markt mitproduzieren könne, während Weidehaltung zum Beispiel in Italien südlich des Po kaum möglich sei.
Sendehinweis des BR
Artikel und Sendehinweis von Simon Plentinger, Bayerischer Rundfunk 11.09.2022