Zwei Einrichtungen aus der Region, deren Verantwortliche bereits an Stellschrauben für mehr Bio gedreht haben, sind die Salzachklinik Fridolfing und das Haus für Kinder in Tittmoning. Johanna Hummelberger, die in der Klinik die Pflegedienstleitung innehat, und Sabine Heuberger, die Leiterin der Kita, schilderten ihre Erfahrungen, ihre Motivation sowie den Umsetzungsprozess, mehr ökologische Lebensmittel auf den Tisch zu bringen.
Im Haus für
Kinder liegt der Bio-Anteil inzwischen bei etwa achtzig Prozent, eingekauft
wird wenn möglich bei regionalen Lieferanten. Gekocht werden 100 Essen in einer
klitzekleinen Küche, wie die Leiterin in ihrem erfrischenden Vortrag mit einem
Schmunzeln bemerkte. Es wird viel mit Gemüse gekocht, Fleisch gibt es nur einmal
pro Monat, dafür aber auch in Bio-Qualität. Sie findet, dafür zu sorgen, dass bio,
frisch und regional für die Kinder und ihre Mitarbeiterinnen gekocht werde,
gehöre zu ihrem pädagogischen Auftrag. Obendrein bemühe sich das ganze Team, keine
Lebensmittel zu verschwenden und wegzuwerfen. Und wenn doch etwas übrigbleibt,
kein Problem, denn am Freitag ist sogenannter Restetag, wie Heuberger erklärte.
Das Küchenpersonal ist bei der Stadt angestellt, die auch vierzig Prozent von
den Kosten für die Mittagsverpflegung bezahlt.
28
Prozent Bio bei etwa 250 Gerichten in der Klinik
Die Salzachklinik hat 45
Belegbetten und ist in öffentlicher Trägerschaft der Gemeinde Fridolfing. Bereits
seit 2016 wurde für die Patienten mit einem selbstverpflichteten Bio-Anteil von
etwa zwanzig Prozent frisch gekocht. Damit war die Klinik ein Vorreiter für
öffentliche Einrichtungen in ganz Bayern. 2021 erfolgte der Beschluss des
Krankenhausausschusses, die Krankenhausküche, die auch Schule und Kitas
beliefert, biozertifizieren zu lassen. Es waren einige Änderungen nötig, aber
es war machbar, so Hummelberger. Inzwischen liegt der Anteil an Bio-Verpflegung
für etwa 250 Gerichte täglich bei knapp 28 Prozent. Die Mehrkosten für die
Bio-Lebensmittel von Bio-Erzeugern aus der Region in Höhe von rund 20 000 € pro
Jahr trägt die Gemeinde Fridolfing, ergänzte ÖMR-Managerin Marlene
Berger-Stöckl.
Bald soll es mehr solcher positiver Beispiele geben, von denen Impulse ausgehen. Dies hat sich die ÖMR zum Ziel gesetzt. Denn ein wichtiger Baustein, um die ökologische Landwirtschaft vor Ort zu stärken und weiter auszubauen, ist es, den bislang im einstelligen Prozentbereich gelegenen Anteil an Bio-Lebensmitteln in der Gemeinschaftsverpflegung zu erhöhen. Nicht zu vergessen: Es ist das staatliche Ziel, bis 2030 dreißig Prozent Ökolandbau zu erreichen - die Außer-Haus-Verpflegung könnte viel dazu beitragen.
Lilli Dinglreiter betreut seit Februar in der ÖMR das Projekt „Nachhaltige Außer-Haus-Verpflegung (AHV)“. Die Veranstaltung im Gasthaus Neuwirt hat sie zusammen mit der Stuttgarter Kommunikationsagentur Ökonsult organisiert, die auf den Bereich Naturschutz und Ökolandbau spezialisiert ist. Dinglreiter bedankte sich beim „Hausherrn“ Andreas Buchwinkler, der die Teilnehmer, darunter Bürgermeisterkollegen der zehn ÖMR-Kommunen, die Landtagsabgeordnete Gisela Sengl, Vertreter von Schulen, Kitas, Lebenshilfe und der Kliniken Südostbayern, herzlich willkommen hieß. Der Bürgermeister stellte kurz die Situation in den drei kommunalen Kitas vor, wo inzwischen alles selbst eingekauft werde, zum regional und bio, und die Speisen frisch zubereitet werden. Lilli Dinglreiter berichtete über den Sachstand in der ÖMR zum Thema AHV, einer Region, die vielfältig ist und daher ein gutes Potential hat. Das Angebot sei mit Fleisch, Milch, Getreide, Hülsenfrüchten, Gemüse und vielem mehr breit gefächert. Es sei wichtig, noch mehr zusammenzuarbeiten, auch hinsichtlich fairer Preise sowohl für die Einrichtungen als auch für die Landwirte.Andreas Greiner von Ökonsult stellte einige Beispiele vor, wie es gelingen kann, dass Großküchen mehr Bio verwenden und damit die bioregionalen Wertschöpfungsketten stärken. Ein konventioneller Betrieb im Regensburger Land, der Schälkartoffeln für Kantinen herstellt, habe einfach eine zweite Schiene eingerichtet und produziert nun auch Bio-Schälkartoffeln. Das habe aber nur funktioniert, weil die Nachfrage verlässlich und längerfristig war. Außerdem, so Greiner, sei dies ein hervorragendes Beispiel, wie sich konventionell und bio ergänzen können. Er regte die politischen Entscheidungsträger an, Stellschrauben im Vergabeverfahren zu nutzen, zum Beispiel mit Mindest-Bio-Quoten oder einem Wertungsschema für Caterer, wie es etwa die Biostadt Karlsruhe macht. Außerdem regte er an, Bio-Gerichte schrittweise einzuführen oder erst einmal einzelne Produktgruppen auf Bio umzustellen.
Ein Markt mit riesigem Wirtschaftspotenzial
Den ökonomischen Stellenwert nahm Wirtschaftsförderer Uwe Zwick in den Fokus seines Vortrags „Kommunale Möglichkeiten für mehr Bio in der AHV“. Die unter ökologischen Gesichtspunkten hergestellten Produkte würden nämlich nicht nur Natur, Umwelt und unsere Ressourcen schonen, sie seien auch ein Markt mit riesigem Potential. Um dieses zu heben, so Zwick, müssten alle Akteure unterstützt werden. Ein Vorzeige-Beispiel sei diesbezüglich das 2010 gegründete „Biostädte-Netzwerk“, das inzwischen 26 Mitglieder hat: Neben seiner kleinen Kommune Höhenkirchen-Siegertsbrunn, die erst seit kurzem Biostadt ist, gehören Großstädte wie München, Nürnberg und Berlin zu dem Verbund. „Da kommt ein traumhafter Input“, lobte Zwick das Netzwerk. Sein Rat für mehr Bio innerhalb der Kommunen: mit kleinen Schritten anfangen, zum Beispiel mit Bio-Milch für die städtischen Einrichtungen. Des Weiteren gab er noch Tipps für Aktionen, stellte eine kostenlose Plattform und den Leitfaden „Mehr Bio in Kommunen“ (www.biostaedte.de) vor, der viele praktische Beispiele und Vorlagen enthält.
Nach den aufschlussreichen Vorträgen nahmen die Teilnehmer die Gelegenheit wahr, Fragen zu stellen und ihre Erfahrungen auszutauschen. Einige sprachen die Logistik an, die verbessert und gebündelt werden müsse. Laut Andreas Greiner arbeite der Biogroßhandel gerade daran, regionale Produkte speziell zu kennzeichnen. Lili Dinglreiter wies auf die guten Möglichkeiten von Erzeugergemeinschaften hin. Am Ende bekundeten die Entscheidungsträger, die bisher noch gar keine Biolebensmittel in ihren Einrichtungen haben, dass sie nun sehr motiviert seien und dank der Impulse aus der Praxis versuchen wollen, diese schrittweise einzuführen. Einer wünschte sich sogar, der „Spirit vom Tittmoninger Haus für Kinder“ möge in seiner Kommune Einzug halten.
Lilli
Dinglreiter bedankte sich bei den Teilnehmern für ihr Interesse, die engagierte
Diskussion und dafür, dass sie das Thema nach außen tragen. Sie wies zum
Schluss noch das vom Freistaat geförderte „Bio Regio Coaching“ hin, bei dem
Experten über ein Jahr hinweg mit Rat und Tat zur Seite stehen. Der Markt
Waging nutze dieses Angebot gerade für seine kommunalen Einrichtungen. Bei
Fragen hierzu, aber auch zu anderen Themen der Außer-Haus-verpflegung, könnten
sich die Vertreter der ÖMR-Mitgliedsgemeinden bei Fragen jederzeit an sie
wenden.
Artikel von
Karin Kleinert aus der Südostbayerischen Rundschau vom 08.06.2023
„BioBitte. Mehr Bio in öffentlichen Küchen“ ist eine Initiative des
Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, die im Rahmen des
Programms „Ökologischer Landbau“ durchgeführt wird. Dabei werden Akteure aus
Politik, Verwaltung und Praxis unterstützt, den Anteil ökologisch erzeugter
Produkte in der öffentlichen Verpflegung, etwa in Schulen, Kitas, Kliniken,
Kantinen, zu erhöhen. Informationen gibt es unter www.bio-bitte.info.