Nachtrag vom 01.02.2024: Die Landesgartenschau 2026 wird leider laut Beschluss des Stadtrats von Ende Januar nicht
stattfinden. Wegen eines geplanten Bürgerbegehrens kann nun der Zeitplan nicht mehr eingehalten werden.
Eine so
große Veranstaltung über einen Zeitraum von fünf bis sechs Monaten kann das
kleine Tittmoning rein personell schon nicht stemmen, so viele Ehrenamtliche
bringt die Stadt doch niemals auf.
„Stimmt nicht“, sagt Richter-Liebald. Die Durchführung der Landesgartenschau werde von der zu gründenden LGS GmbH Tittmoning gestemmt, was seit 43 Jahren erfolgreich so abgelaufen sei. „Ehrenamtliche Helfer sind lediglich eine sehr wertvolle Ergänzung. In Freyung 2023 zum Beispiel haben rund 20 Ehrenamtliche das LGS-Team tatkräftig unterstützt. Das war ausreichend“, so Richter-Liebald. In Tittmoning zeichnet sich viel mehr das Gegenteil ab: Über Stadt- und Gemeindegrenzen hinweg haben sich bereits frühzeitig Vereine und andere Ehrenamtliche gemeldet, signalisiert, mithelfen zu wollen. So konnte der Geschäftsführer vom Gartenkultur-Kreisverband und Kreisfachberater Markus Breier schon bei einem der ersten Termine in Tittmoning zur LGS vermelden, dass 51 Gartenbauvereine hinter der Landesgartenschau in Tittmoning stehen. Auch in der Salzachstadt selbst hätten sich laut der Rathaus-Verwaltung immer wieder Bürger bereiterklärt, sich in diesem begrenzten Zeitrahmen von rund fünf bis sechs Monaten engagieren zu wollen.
Beschleuniger für andere Maßnahmen
Durchgangs- und Urlaubsverkehr und dann noch die Besucherströme? Da ist doch das Verkehrschaos vorprogrammiert. Außerdem sind nicht ansatzweise genügend Parkplätze für die Gäste vorhanden.
Richtig ist, dass gerade der Urlaubsverkehr durch Tittmoning über die Jahre stark zugenommen hat und zu chaotischen Zuständen auf dem Stadtplatz oder auch in Gemeindeteile geführt hat. Der Durchgangsverkehr soll zwar laut Verwaltung nicht völlig ausgesperrt werden, Ziel sei es, ihn über die sogenannte Lkw-Umfahrung besser aufzuteilen. Die Verwaltung ist hierfür im engen Austausch mit dem Staatlichen Bauamt Traunstein, das der Landesgartenschau 2026 auch positiv gegenübersteht, weil das Projekt einen gewissen „Motor“ für die eigenen Maßnahmen bedeuten kann. Beispielsweise der Wirtschafts-, Geh- und Radweg an der Staatsstraße 2105 bei Kay plus Unterführung nahe der Turnhalle. Weil eine Baustelle zur LGS verhindert werden muss, pocht das Staatliche Bauamt auf eine Beschleunigung der Maßnahme, die nächstes Jahr oder 2025 bereits umgesetzt werden soll. LGS-Geschäftsführer Richter-Liebald sagt zur Verkehrsbelastung: „Ein Thema, das jede Gartenschaustadt beschäftigt, und eine Herausforderung, die noch in jeder Stadt, auch in kleinen wie Wassertrüdingen, problemlos bewältigt wurde.“ Parkplätze für die Gartenschaugäste würden gesondert ausgewiesen und von einem eigenen Dienstleister bewirtschaftet. Das heißt, er ist kostengünstig, aber -pflichtig, er generiert Einnahmen und liegt außerhalb der Innenstadt. „Die Gäste gelangen zu Fuß oder je nach Lage des temporären Parkplatzes mit einem Shuttle-Bus in die Stadt und die Gartenschaubereiche. Dieser Parkplatz kann von allen genutzt werden, nicht nur von Gartenschaugästen“, so der Geschäftsführer.
Ein finanzielles Fiasko droht, weil gar nicht richtig abgeschätzt werden kann, welche Kosten auf die Stadt zukommen. Keiner weiß doch, wie sich die Baukosten entwickeln.
Letzteres stimmt wohl, wird aber nicht maßgeblich den Ausschlag geben. Der erste Teil der Behauptung ist schlicht falsch. Der Stadtrat beschließt mit der Rahmenplanung auch das Budget für die Investitionen im Zuge der Landesgartenschau und später dann das Budget für die Durchführung. Dann kommt ein Deckel drauf, mit diesen Mitteln muss im weiteren Verlauf gearbeitet werden. Die Kosten für die Stadt belaufen sich hierbei – nach Abzug der staatlichen und europäischen Zuschüsse - auf vier Millionen Euro. Insgesamt hat der Investitionshaushalt ein Volumen von 8,5 Millionen Euro, der Durchführungshaushalt liegt bei 6,1 Millionen Euro. Der Fördersatz beträgt 80 Prozent – das ist sicher und an diesem Prozentsatz wird nicht gerüttelt oder Abstriche gemacht. Martin Richter-Liebald: „Die gegründete LGS GmbH garantiert ein intensives laufendes Kosten-Controlling und wird vom Aufsichtsrat überwacht. Wird an einer Stelle ein Projekt teurer als geplant, das kann die Ausschreibung ja durchaus ergeben, dann muss woanders abgespeckt werden.“
Die Stadt kann sich diese Veranstaltung gar nicht leisten, für die Finanzlage wäre es besser, auf die Landesgartenschau zu verzichten. Angeblich soll das Ganze ja 17 Millionen Euro kosten.
Der gesamte, gedeckelte LGS-Haushalt hat die Höhe von 14,6 Millionen Euro, vier Millionen Euro entfallen auf die Stadt (siehe vorheriger Punkt). Damit können Projekte realisiert werden, die ohne Landesgartenschau sonst keine Förderung bekommen würden, aber die Stadt schleunigst angehen muss. Beispiel hierbei ist die dringend sanierungsbedürftige Krankenhausbrücke, was die Stadt rund 350 000 Euro kosten wird, wo sie aber keinen Zugriff auf Zuschüsse hätte. Mit der LGS gäbe es die 80 Prozent.
Durch die Landesgartenschau müssen andere Projekte zurückgestellt werden. Gerade die äußeren Dörfer wie Kay, Asten oder Törring würden darunter leiden.
Zur Wahrheit gehört hier, dass Tittmoning in den vergangenen 20 Jahren baulich und strukturell vor allem die Außenbereiche im Fokus hatte. Stichwort Dorfgestaltung wie in Kay oder Törring. Im Stadtrat war in der jüngeren Vergangenheit stets Konsens, dass es nun die Altstadt ist, die am dringendsten angegangen werden muss, weil es hier am Dringlichsten ist (siehe oben). Es ist nicht ausgeschlossen, das kleinere, weniger dringliche Projekte, wie nicht unüblich, nach hinten verschoben werden – was aber nichts mit der LGS zu tun haben muss.
Mit Blick auf behördliche Genehmigungsverfahren und ausgelastete Baufirmen: Die baulichen Maßnahmen sind doch bis 2026 überhaupt nicht zu realisieren.
Tittmoning hat hier laut LGS-Geschäftsführer Richter-Liebald ganz neue Maßstäbe gesetzt: „Noch nie sind wir bayernweit mit der Konkretisierung eines Konzeptes je weiter gewesen.“ Weil sich Tittmoning in einer ganz speziellen Situation befindet, wurde seitens des Umweltministeriums beschlossen, dass erstmals in 43 Jahren Förderungen schon vorab ausgezahlt werden. „Das ist ein Novum und wird in Zukunft auch vielen weiteren LGS-Städten weiterhelfen“, so Richter-Liebald. Er ergänzt: „Jede Gartenschau hat bisher ihre Bauprojekte zum Zeitpunkt der Eröffnung fertiggestellt, und sei es auch noch so ambitioniert“. Das sei genau der Vorteil einer Landesgartenschau: Am Eröffnungstag müsse alles fertig sein, das bündele „ungeahnte Kräfte“ und beschleunige auch behördliche Verfahren. „Im Falle von Tittmoning ist das durchaus sportlich, aber realistisch, weil die Baumaßnahmen für die Landesgartenschau überschaubar sind. Wichtig wäre ein rascher Beginn“, so Richter-Liebald.
Eine Landesgartenschau ist ganz nett zu haben und bestimmt eine tolle Möglichkeit, sich als Stadt positiv zu präsentieren. Aber mehr bringt so eine Blümchenschau auch nicht.
„Eine Landesgartenschau ist keine Blümchenschau. Es ist das Einweihungsfest, meist sechs Monate lang, einer qualitativ hochwertigen Daueranlage mit Naturräumen, Geh- und Radwegen, Sport- und Freizeitmöglichkeiten für alle Generationen, kurzum wichtiger Infrastruktur, die die Lebens- und Aufenthaltsqualität im Ort nachhaltig verbessert“, wird Richter-Liebald deutlich. Die vom Umweltministerium formulierten Anforderungen an eine Gartenschau sind übrigens klar formuliert: „...in bayerischen Kommunen zusammenhängende Grünzonen zu schaffen, zu gestalten und zu sichern und dadurch die Erholungsmöglichkeiten, das Stadtklima und die Lebensbedingungen zu verbessern…“. Ohne Landesgartenschau kommt eine Stadt nicht in den Genuss erheblicher Fördermittel von bis zu acht Millionen Euro. Städte wie Tirschenreuth oder Wassertrüdingen profitieren noch heute davon.
Mehrgenerationenplatz wird definitiv gebaut
Kommt die Landesgartenschau, wird es vorerst keinen Neubau der Kinderbetreuungs-einrichtung auf dem alten Bauhof-Gelände geben.
Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Bevor ein neuer Bauhof in Schmerbach gebaut werden kann, muss die Stadt Grundstücksverkäufe realisieren, um sich den Bau überhaupt leisten zu können. Aufgrund der derzeit sehr angespannten Lage auf dem Immobilienmarkt ist das noch nicht passiert. Erst wenn der Bauhof umgezogen ist, kann sich die Stadt dem Projekt einer neuen Kita auf dem freigewordenen Gelände widmen.
Der Gartenbereich des Benediktkindergartens muss für einen dekadenten „Schlosspark“ weichen.
Es stimmt, dass die Kinder des Benediktkindergartens zu wenig Platz im Draußenbereich haben. Doch mit der LGS soll laut Konzept genau das behoben werden. Geplant ist, den Hartplatz daneben zu entsiegeln und eine grüne Begegnungsstätte zu schaffen, der einerseits von den Kindergartenkindern, aber auch von der allgemeinen Bevölkerung genutzt werden kann. Also: weniger Blümchengarten, mehr Spielplatz und Naherholungsort.
Die Besucher werden vom Parkplatz Schulsportplatz über den Pausenhof der Schule und durch den Kindergartenbereich gelotst.
Auch das entspricht nicht der Wahrheit. Der Besucherstrom soll entlang des Stadtwalls in Richtung Laufener Tor gelenkt werden.
Mit der Landesgartenschau wird kein Geld mehr für den Mehrgenerationenplatz in Asten da sein.
Das stimmt nicht. Der Mehrgenerationenplatz in Asten ist eine von LEADER geförderte Maßnahme und wird nächstes Jahr oder Anfang 2025 ganz unabhängig von der LGS gebaut.
„...sonst
erweist ihr unserer Region einen Bärendienst“
Gartenschau: Ökomodellregions-Leiterin Marlene Berger-Stöckl appelliert an Stadtrat
Eine glasklare Befürworterin der Landesgartenschau 2026 ist Marlene Berger-Stöckl. In ihrer Rolle als Leiterin der Ökomodellregion Waginger See-Rupertiwinkel kümmert sie sich um zehn Gemeinden im Südosten Bayerns, darunter Tittmoning, Fridolfing und Kirchanschöring. Berger-Stöckl unterstützt Landwirte bei der Bio-Umstellung, vernetzt Erzeuger mit Verarbeitern, liefert Tourismus-Konzepte und hilft den Kommunen bei der Transformation in eine klimafreundlichere, nachhaltigere Zukunft. Im folgenden Gastbeitrag appelliert sie eindringlich an den Stadtrat Tittmoning, diese „einmalige Chance für die Stadt und die gesamte Region“ nicht verstreichen zu lassen.
„Wenn man die Diskussion rund um die Landesgartenschau mitverfolgt (siehe Artikel ,Platzt der Gartenschau-Traum endgültig’ vom 2. Dezember), möchte man rufen ,Tittmoning, wach auf!’ Wie kann es sein, dass ein so wichtiges Stadtentwicklungsprojekt, das mit viel Augenmaß und Konsensbereitschaft entwickelt wurde, dank immer neuer Bedenken einzelner Stadträte jetzt auf der Kippe steht – obwohl der Stadtrat davor lang an einem Strang gezogen und damit genau die Aufbruchstimmung erzeugt hat, die man für eine tolle Realisierung braucht?
Mit sehr viel Engagement von Seiten der Verwaltung, der Planer und mit einer breiten Bürgerbeteiligung, die an Offenheit ihresgleichen sucht, wurde ein vorbildliches Konzept entwickelt, mit dem für das – mit Verlaub – etwas verschlafene Städtchen nach jahrzehntelangen vergeblichen Bemühungen der Turbo gezündet werden kann – die Landesgartenschau. Selbstverständlich ist es richtig, bei Großprojekten vorab genau hinzuschauen: Wird das notwendige Geld sinnvoll eingesetzt, halten sich die Kosten im Rahmen? Wird die heimische Wertschöpfung anhaltend gestärkt? Bringt die Veranstaltung eine nachhaltige Aufwertung für das Stadtbild mit sich, wenn die schönen Blumenbeete fürs Auge wieder abgeräumt sind? Werden Orte für Jung und Alt geschaffen, von denen auch später noch die Bewohner profitieren?
All diese Kriterien sehe ich für das Tittmoninger LGS-Konzept für 2026 als erfüllt an. Eine bessere Chance, um den zugeparkten Stadtplatz mit Fördergeldern aufzuwerten – mit einer maßvollen Verlagerung von etwa 20 Prozent der Parkplätze – wird es so schnell nicht mehr geben.
Mehr Gründe, um tausende positiv gestimmter Gäste nach Tittmoning einzuladen, um aus den stillen Burgplätzen Begegnungszentren zu machen, um den Ruf der Region als Tourismusdestination über Bayern hinauszutragen, werden sich nicht finden lassen. Die Landesgartenschau, so wie sie mit der Umgestaltung von Grünflächen innerorts geplant ist, ist ein Ortsentwicklungskonzept vom Feinsten, das neben der Verschönerung des Ortsbildes auch allen Ansprüchen einer Klimavorsorge Rechnung trägt und eine aktive Gesundheitsvorsorge gegen Hitze und Starkregen ist.
Eine Belebung der Geschäftswelt, eine konzertierte Aktion aller Tittmoninger für eine gute Außendarstellung, das Engagement zahlreicher Ehrenamtlicher mit guten Ideen – was kann man sich Schöneres für eine Stadt wünschen? Beschleunigte Genehmigungsverfahren für Umbaumaßnahmen und die Unterstützung zahlreicher Fachbehörden eingeschlossen. Umso mehr bin ich erstaunt, dass einige Bürger und Stadträte jetzt gegen das Konzept Einwände suchen, die aus meiner Sicht fachlich kaum zu finden sind. Auf der Bürgerinfoveranstaltung im Pfarrheim trat es bereits zutage: Nur wenige Bürger erheben Einwände, zuweilen aus Gründen, die nicht immer dem Gemeinwohl gerecht werden, zum Beispiel aus ortsteilbezogener oder privater Perspektive – der größte Teil der Bürger ist begeisterter Befürworter der LGS. Viele sind bereit, für einen straffen Zeitplan die Ärmel hochzukrempeln – auch die Ökomodellregion. Mit zahlreichen Beiträgen möchte wir sowohl die Wertschöpfung für die örtliche Landwirtschaft stärken als auch die Chance zur Bewusstseinsbildung nutzen. Die Landesgartenschau wäre ein Segen, nicht nur für Tittmoning, sondern für die ganze Region.
Der
Tittmoninger Stadtrat sollte das positive Stimmungsbild in der Bevölkerung
nicht ignorieren und sich einmütig und geschlossen hinter die LGS 2026 stellen.
Liebe Stadträte, es ist fünf vor 12, lasst diese einmalige Chance nicht
ungenutzt verstreichen, sonst erweist ihr unserer Region einen Bärendienst.“
red
Artikel
von Ralf Enzensberger aus der Südostbayerischen Rundschau vom 05.12.2023