Alle Beteiligten - drei heimische Unternehmen und Bio-Pioniere, die Eigentümerfamilie Huber und an die 30 kleinbäuerliche Betriebe - profitieren von dieser Kooperation. Sie wurde nun im Hotel Gut Edermann und bei einer Führung in der Mussenmühle näher vorgestellt. Viele dieser landwirtschaftlichen Betriebe, die Ökoackerbau nur auf kleinen Flächen betreiben oder im Nebenerwerb wirtschaften, haben keine guten Lagermöglichkeiten. So hatten sie bisher ihr Getreide sofort nach der Ernte zur Mühle gefahren oder an eine Vermarktungsgesellschaft übergeben, wobei hier kein besonders guter Preis erzielt werden konnte. „Selber ein Lager vorzuhalten wäre auch mit immensen Kosten verbunden“, ergänzt Landwirt Ludwig Braml aus Nussdorf bei Traunstein auf Anfrage der Redaktion. Zudem wäre es sehr aufwändig, mit einem Lkw die vielen kleinen Partien bei den einzelnen Landwirten einzusammeln.
„Wir sind da der Schlossbrauerei Stein sehr dankbar“, erklärte er. Die Brauerei, einer der ersten Kooperationspartner der Ökomodellregion, pachtete das leer stehende Lager in der Mühle für eine separate Lagerung von heimischem Biogetreide an. Alle Partner unter Vorleistung der Brauerei Stein und der Besitzerfamilie Huber investierten zuerst in die Sanierung der Siloanlagen und der vorhandenen Anlagen für Trocknung und Belüftung. Nun konnte die Braugerste, für die Stein den zwölf beteiligten Landwirten einen fairen Preis, in der Regel über dem Bio-Marktpreis, zahlt, getrocknet, belüftet, umgewälzt, gelagert und zum Mälzen gebündelt werden.
2017 gelang es der Brauerei, mit Unterstützung ihres Technik-Experten Ulli Probst, in Pappenheim im Altmühltal eine passende Reinigungsmaschine zu erwerben und einzubauen. Zwei über 80-jährige Männer, die einst in Pappenheim für Projektleitung und Montage zuständig waren, unterstützten Probst beim professionellen Einbau der Anlage der Gebrüder Schmidt. Sie funktionierte vom ersten Tag an. Wie der Steiner Brauer Markus Milkreiter erläuterte, können in mehreren Reinigungsschritten Kleingetreide und Leindotter vom Getreide getrennt werden. Seither kann neben Biodinkel auch Biohafer eingelagert werden, dessen Lagerung aufwändiger ist.
Um die Auslastung des Lagers zu erhöhen, wurde der Knuspermüsli-Hersteller Barnhouse aus Mühldorfs mit ins Boot genommen. Die Bayerin Sina Nagl hatte mit dem Engländer Neil Reen nach der Gründung 1979 die ersten fünf Münchner Bioläden beliefert. Inzwischen hat sie in Mühldorf 100 Mitarbeiter. Die Geschäftsführerin sieht sich in der Verantwortung, zu mehr Ökolandbau und ökologischem Bewusstsein beizutragen. „Dass man das nicht zum Nulltarif kriegt, ist selbstverständlich.“ Durch Drei-Jahres-Verträge erhalten ihre Lieferanten Planungssicherheit. Der von diesen vorgeschlagene faire Preis werde nicht diskutiert, stellte Nagl klar. Beim Hafer werde die Hälfte, beim Dinkel ein Drittel des Bedarfs aus der Region gedeckt; Ziel sei 100 Prozent.
Zwischen acht und zehn Bauern aus der Ökomodellregion bauen seit 2015 Dinkel und Hafer für Müsli an. Durch die Bündelung in der Mussenmühle kann auf einem Schlag so viel Ökogetreide angeliefert werden, wie gewünscht ist - ob 25, 50 oder noch mehr Tonnen. „Ich finde es super, dass wir über die Ökomodellregion unser Getreide vermarkten können“, betont Andreas Remmelberger aus Burgkirchen. Da die Getreidemenge in der Region für den Müslihersteller nicht reiche, sei die Ökomodellregion Isental mit ins Boot genommen worden. „Spaß macht vor allem die Umsetzung immer neuer Ideen. So haben wir ein Bienenhotel bekommen und können mit Mehrnutzen-Feldern dem Insektensterben entgegen wirken.“
„Wir haben dort die Möglichkeit, unser Getreide optimal zu lagern“, erläutert Ludwig Braml, der dafür eine monatliche Einlagerungsgebühr zahlt. Der Nussdorfer hat vor gut zehn Jahren auf Bioland-Ackerbau umgestellt. Früher hatte er 140 Rinder, darunter 40 Milchkühe. Bereits vor 15 Jahren habe er mit der Milch auf Bio umstellen wollen, doch damals sei die Nachfrage noch nicht so groß gewesen. Da sein Hof denkmalgeschützt ist, waren zudem Umbauten nicht möglich. Und aussiedeln wollte Braml nicht, „weil sowieso genug Milch und Fleisch am Markt ist“. Er baut nun auf seinen Feldern in der von den Vorfahren überlieferten Fruchtfolge unter anderem Ackerbohnen und Futtergetreide an – und seit zwei Jahren auch jeweils acht Hektar Dinkel und Hafer für Müsli.
Der dritte Partner für eine verbesserte Wertschöpfung im Ökoackerbau ist Byodo in Mühldorf, für den fünf bis neun Landwirte bereits Biosenf anbauen, darunter Sepp Probst aus Chieming. Er erntete im vierten Jahr etwa zwei Tonnen Senf, den er wegen der Anfälligkeit für Schädlinge zusammen mit Erbsen kultiviert. Darüber hinaus baut er Leindotter und Öllein für eine Ölmühle und alte Sorten wie Emmer und Einkorn - „meine Leidenschaft“ für eine Chieminger Bäckerei an. Auch die Besitzerfamilie, ein junges Ehepaar mit vier Buben, ist begeistert. Burgi Huber übernahm die Mühle vor zehn Jahren von ihrem Vater und führt sie in der 8. Generation. „Das Projekt ist spannend. Aber es funktioniert. So ein Biolagerhaus ist einmalig“, stellt ihr Mann Markus Wallner-Huber stolz fest.
Artikel von Veronika Mergenthal aus dem Trostberger Tagblatt 24.04.2018.