Die Teilnehmenden beklagten bei der Veranstaltung, dass viele Verbraucherinnen und Verbraucher nicht wüssten, dass bei der Milchproduktion immer auch Fleisch anfällt. Denn ohne Kalb gibt die Kuh keine Milch. Die meisten Menschen gingen davon aus, dass das Kalb die ganze Zeit bei der Kuh bleibe. Die gängige landwirtschaftliche Praxis besteht jedoch darin, die Kälber in den ersten Tagen von den Müttern zu trennen und zu tränken. Kälber, die nicht zur eigenen Nachzucht gebraucht werden, werden dann nach wenigen Wochen oft an spezialisierte konventionelle Mastbetriebe abgegeben. Zum Großteil verlassen männliche Kälber an diesem Punkt den (Bio-)Kreislauf, da diese keine Milch geben.
„Erfreulicherweise ist die Nachfrage nach Milchprodukten aus der Öko-Landwirtschaft in den vergangenen Jahren stark gestiegen“, sagt Referent Ulrich Mück, der Agraringenieur und Demeter-Berater ist. „Gleichzeitig ist jedoch die sowieso zu geringe Nachfrage nach Rindfleisch kaum gestiegen.“ Um das anfallende Fleisch aus artgerechter Haltung auch zu verbrauchen, sei es aber nötig, pro Liter (Bio-)Milch auch rund 30 g (Bio-)Rindfleisch zu verzehren.
Interesse an kuhgebundener Kälberaufzucht steigt
Laut Mück wollen immer mehr Milchviehhalter aus dem Bio-Bereich ihre Tiere nicht in den Viehhandel abgeben und hinterfragen die herkömmliche Kälbermast. Sie wollen ihre Kälber selbst auf dem Betrieb großziehen und später als Bio-Fleisch vermarkten. Das Hauptmotiv, das die Landwirte antreibe, sei das Tierwohl. Jedoch stelle die artgerechte Aufzucht der Kälber die Betriebe oft vor wirtschaftliche Herausforderungen: Da das Kalb direkt an der Amme oder der Kuh säuft, kann weniger Milch gemolken werden und der Landwirt weniger Milch an die Molkerei liefern.
Um eine Austauschmöglichkeit für interessierte Landwirte zu schaffen, veranstaltete die Öko-Modellregion Ostallgäu zusammen mit der Schweisfurth Stifung einen Praxisdialog zum Thema kuhgebundene Kälberaufzucht. Saro Gerd Ratter, Projektmanager Tierwohl der Stiftung, informierte die teilnehmenden Landwirtinnen und Landwirte, wie Bio-Milchkälber kuhgebunden aufgezogen werden können. Er stellte klar heraus, dass jeder Betrieb unterschiedlich aufgebaut sei: „Es gibt nicht ein einheitliches System. Die Aufzucht der Kälber ist auf jedem Betrieb individuell.“
Wie so eine Aufzucht in der Praxis funktioniert, zeigte das Ehepaar Schreyer bei der Vor-Ort-Besichtigung ihres Biolandhofs in Stötten. Während des Praxisdialogs fand ein Austausch zwischen den Praktikern statt. Am Ende waren sich alle einig, dass das Interesse der Landwirte an der kuhgebundenen Kälberaufzucht sehr hoch sei. Jedoch müssten noch mehr Akteure eingebunden werden, um dieses Aufzuchtsystem großflächig zu etablieren. Zu einem müsste beim Verbraucher das Bewusstsein für die Bedeutung des regionalen (Bio-)Rindfleischs geweckt werden und zum anderen müsste das Aufzuchtsystem der kuhgebundenen Aufzucht von mehr Molkereien auch finanziell honoriert werden.
Auflistung der Bio-Betriebe mit kuhgebundener Kälberaufzucht
Die Öko-Modellregion Ostallgäu hat eine Liste mit Betrieben zusammengestellt, wo man jetzt schon Bio-Kalbfleisch oder Bio-Rindfleisch aus kuhgebundener Aufzucht im Ostallgäu beziehen kann:
Biolandhof Michael Filser, Hörmannshofen
Biolandhof Renate und Stefan Schreyer, Riedhof
Biolandhof Günther Rauch, Bidingen
Biolandhof Konrad Stöger, Rieden am Forggensee
Demeterhof Andreas Aufmuth, Hiemenhofen
„Beim Häbrar“ Demeterhof Severin Schmölz, Seeg
Demeterhof Max Löcherer, Lengenwang
Demeterhof Johannes Ott, Wald
Demeterhof Josef Fischer, Leuterschach
Demeterhof Martin Weber, Kaltental
Naturlandhof Franziska & Arnold Ried, Bernbach