Eine dreizehnköpfige Truppe kam Anfang September am Fürstensteiner Rathaus zusammen, um sich von Renate Weinzierl die Welt der heimischen Wildkräuter näherbringen zu lassen. Gleich zu Beginn erklärte die Kräuterpädagogin verschiedene Sammelregeln, die es bei der Sammlung heimischer Wildkräuter zu beachten gibt. Eine Regel besagt, dass man grundsätzlich nur jene Wildpflanzen mitnehmen darf, die man zu 100% richtig bestimmen kann. Wichtig ist zudem, dass man sich stets respektvoll verhält, den Naturschutz beachtet und immer nur so viel mitnimmt, wie man auch wirklich benötigt. Sammelstellen werden nicht leer gepflückt, sondern mindestens zwei Drittel stehen gelassen, damit die Pflanze sich zum einen erholen und weitervermehren kann und auch noch etwas für andere Sammler stehen bleibt.
Bei einem Spaziergang rund um das Fürstensteiner Rathaus wurde die Gruppe dann gleich mehrmals fündig. Zwischen Edeka Parkplatz und Bäckerei Unrecht erwartete sie ein besonders schönes Exemplar der Königskerze. Die Königskerze ist eine zweijährige Pflanze, die im ersten Jahr eine Blattrosette bildet und im zweiten Jahr gelbe Blüten hervorbringt. Traditionell werden die Blüten bei Husten oder Halsschmerzen angewendet. Gleich daneben blühte in einem strahlenden Blau eine Zichorie, aus deren Wurzeln früher Kaffee hergestellt wurde. Die sagenumwobene Pflanze soll ihre Blütenfarbe von den blauen Augen einer Prinzessin bekommen haben, die am Wegesrand auf ihren in den Krieg gezogenen Prinzen wartete.
Weiter ging es zu einer reich tragenden Eberesche, deren Früchte als wertvolle Vitamin-C Lieferanten dienen. Die Früchte werden in der Regel gekocht gegessen, da die in den Vogelbeeren vorkommende Parasorbinsäure sauer und bitter schmeckt und Magen-Darm-Beschwerden verursachen kann. Dass der Geschmack etwas gewöhnungsbedürftig ist, stellten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer beim Probieren der Früchte gleich fest.
Im Anschluss ging es über eine Wiese zu den Fürstensteiner Schrebergärten, wo Schafgarbe, Wiesenbärenklau, Wiesenlabkraut und Spitzwegerich wuchsen. Am Waldrand warteten Adlerfarn, Brombeeren, indisches Springkraut und ein schmalblättriges Weidenröschen auf Weinzierls Erklärungen. So enthalten die Samen des indischen Springkrauts viele wertvolle Omega-3-Fettsäuren, deswegen lautete der Tipp der Kräuterpädagogin „aufessen, statt ausreißen“, um dem invasiven Neophyten, der aber für viele Insekten als Nahrungsquelle dient, Einhalt zu gebieten. Das Weidenröschen, regelmäßig als Tee getrunken, hilft Männer ab 50 bei beginnendem Prostataleiden, da es eine stark entzündungshemmende Wirkung hat.
Ein besonderes Augenmerk widmete Renate Weinzierl jedoch der Brennnessel als adaptogene, ausgleichende Pflanze. Sie ist Protein- und Eisenquelle, besitzt viele Spurenelemente und Aminosäuren. Sie bringt nach und nach Leben in den Körper und kann das ganz Jahr über geerntet werden. Im Frühling eignet sich das frische Brennnesselgrün für Smoothies oder als Spinatersatz. Die Samen werden hingegen im grünen Zustand erst später geerntet und können vielseitig verarbeitet werden. „Ehrt die Brennnessel, denn sie hat für alle etwas zu bieten“, so Renate Weinzierl über die verkannte Heilpflanze.
Zurück am Fürstensteiner Rathaus wurde zur Erfrischung ein Brennnessel-Apfel-Eistee von der Kräuterpädagogin ausgeschenkt, bevor die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gemeinsam verschiedene Rezepte mit den Bioprodukten vom Bauernmarkt zubereiteten. Gleich zu Beginn wurde aus kleingeschnittenen Spitzwegerichblättern und Biohonig ein Hustensaft hergestellt. Danach wurden im Mixer Brennnesselsamen, Biohonig und Bioessig zum Powerseed-Oxymel verarbeitet. Das Essig-Honig-Gemisch wird im Herbst und Winter zur Stärkung des Immunsystems teelöffelweise eingenommen. Für das gemeinsame Mittagessen bereiteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem Bio-Heumilchkäse des Bio-Heumilchhofs Dankesreiter einen Spitzwegerich-Käsesalat mit Walnüssen, Äpfel und Frühlingszwiebeln zu. Mitgebracht hatte Renate Weinzierl zwei Kräuteraufstriche, die mit Bio-Gemüsesticks vom Gemüsehof Fischl und frischem Brot vom Bauernmarkt gegessen wurden. Als Dessert gab es noch ein Erfrischungsgetränk aus den Früchten der Eberesche, den Woid-Apero, wie ihn Renate Weinzierl nennt, und Energiebällchen aus Brennnesselsamen, Trockenfrüchten und Hanfsamen. Der Ebereschen-Kräutersirup erinnerte dabei stark an den Geschmack von Campari und begeisterte Jung und Alt gleichermaßen.
Auch der zweite Bürgermeister der Gemeinde Fürstenstein Walter Knoller stattete den Kräuterbegeisterten, die am idyllischen Rathausplatz werkelten, einen Besuch ab. Er freute sich, dass die Kräuterwanderung so gut angenommen wurde und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer altes Heilwissen wiederaufleben ließen. Inspiriert von den Produkten vom Bauernmarkt entstanden so leckere Rezeptideen, die sich leicht zu Hause nachkochen lassen.
Rund um den Fürstensteiner Bauernmarkt, der wöchentlich am Donnerstag von 9-12 Uhr stattfindet, werden im Jahresverlauf weitere Veranstaltungen angeboten.