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Essen als Genuss und Abenteuer

Vorbildliche Verpflegung in der Mittagsbetreuung

Projekt: Mit Bio kochen
Irmi Dziengel kocht täglich für bis zu 40 Schulkinder. Rechts Sabine Heuberger.
Irmi Dziengel kocht täglich für bis zu 40 Schulkinder. Rechts Sabine Heuberger.
© Poschmann-Reichenau


Artikel von Gerda Poschmann-Reichenau aus der SOR vom 24.2.2020

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Je einmal die Woche Fisch und Fleisch
Im Haus für Kinder gibt es Spinatspätzle mit Frischkäse-Sauce, Gurkensalat und Quarkspeise oder Gemüsesuppe und Grießschnitten mit Kirschen. „Vorbildlich“ in Sachen Ernährung ist das Tittmoninger Haus für Kinder nach Worten von Marlene Berger-Stöckl, Projektmanagerin der Öko-Modellregion Waginger See: frisch, regional und großteils bio. Den Empfehlungen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft folgend, wird einmal pro Woche Fisch angeboten, einmal Fleisch und einmal Mehlspeise. Ein Salatbüffet gehört ebenso dazu wie eine Nachspeise, oft auch eine Suppe. Dabei entlasten die Kinder Irmi, wo es möglich ist: Saucen werden von Kinderhand gerührt, Früchte für den Obstsalat und das Gemüse für den Salat schälen und schneiden die Kleinen selbst. Dafür wurden extra viele Gemüseschäler angeschafft, auch scharfe Messer bekommen die Kinder in die Hand. Das gehört zum Konzept, die Kinder zu Achtsamkeit und Selbstständigkeit zu erziehen. Nur wenige bringen Fertigkeiten für den Küchendienst von zu Hause mit: „In der Küche merkt man, dass sie zu Hause sowas nicht machen. Dabei ist das Kochen die beste Hinführung zu gesunden Essensgewohnheiten.“

Und die ist für Kinderhaus-Leiterin Sabine Heuberger eine wichtige pädagogische Aufgabe: „Das Mittagessen ist bei uns Genusszeit, und es ist ein Abenteuer: Die Kinder sollen die ganze Vielfalt entdecken.“ Deshalb, so die Regel, probieren die Schulkinder auch von allem wenigstens eine kleine Portion – „sie sind ja Forscher.“ Für Dinge, die der eine oder die andere wirklich nicht mag, gibt es einen „Essensjoker“ einmal die Woche. Für die Kleinsten gilt noch das offene Konzept: Die Krippenkinder essen, was sie wollen.

Beim Angebot achten die Verantwortlichen nicht nur darauf, dass die Zutaten gesund und möglichst regional sind. Man versucht auch, Müll zu vermeiden, bevorzugt Großgebinde oder unverpackte Ware. Kräuter zieht man im Sommer selbst, Kartoffeln und Zwiebeln kommen direkt vom Biohof Glück, der Frischdienst Berchtesgadener Land Chiemgau eG liefert Milchprodukte in Bio-Qualität alle 14 Tage in wiederverwendbaren Großbehältern. Ein Problem sind die beschränkten Lagermöglichkeiten. Im Moment prüft man den Bezug über eine Bio-online-Plattform oder den regionalen Naturkost-Großhandel, und im Frühling will man es in Pflanzkästen mit „urban gardening“ versuchen. Die Preise für das qualitativ hochwertige Essen sind dabei moderat: 3,80 € pro Essen und eine Getränkepauschale. Die individuelle monatliche Abrechnung durch die Stadtverwaltung jedoch ist auf Dauer zu personalintensiv. Ab Herbst wird daher eine Pauschale eingeführt, die leichter zu handhaben ist.

Im März wird das Haus für Kinder „Plastik fasten“ und damit versuchen, auch die Eltern für ein Thema zu sensibilisieren, das ihre Kinder hier in der Mittagbetreuung täglich vermittelt bekommen. „Viele bekommen leider immer noch Getränke in Plastikflaschen von daheim mit. Wir werden versuchen, mit einer Sammelbestellung für wiederverwendbare Glasflaschen zu werben“, so Heuberger. Ihr begeistertes Engagement für Umweltschutz und kreative, sparsame Lösungen überträgt die Pädagogin spielerisch auf die Kinder: Die bunten Besteckdosen auf den Tischen sind phantasievolle Ergebnisse eines „Upcyclings“ von Blechkonserven. Die Tischdeckchen haben die Kinder selbst genäht. Denn sie sind nicht nur Abenteurer und Forscher, sondern auch Künstler.

Tag der offenen Tür am 7. März
Unter dem Motto „Wir sind Künstler, Du auch?“ steht folglich der diesjährige Tag der offenen Tür in der Mittagsbetreuung am Samstag, dem 7. März, von 14 bis 17 Uhr. Dieser dient weniger der Werbung – „wir sind ohnehin ausgebucht“ – als vielmehr dazu, den Eltern Einblick in die Arbeit der Mittagsbetreuung zu gewähren. An diesem Tag wird im Garten eine Weidenkugel gebastelt. In einer Ausstellung werden die Kinder außerdem selbstgebaute „Actionhelden“ aus Müll und Selbstgenähtes aus Altkleidern präsentieren. „Die Mittagsbetreuung ist mehr als Hausaufgabenhilfe und Bespaßung“, das ist Sabine Heuberger wichtig: „Wir brauchen aktive Kinder.“

Übrigens: Als unmittelbar nach den Recherchen zu diesem Artikel Köchin Irmi Dziengel krankgeschrieben wurde, fand man rasch eine Lösung. Für die Krippenkinder kocht derzeit der Kindergarten mit, für die Großen übernehmen Mitarbeiterinnen aus dem Team der Mittagsbetreuung. „Zum Glück“, so Sabine Heuberger, „habe ich ab dieser Woche zwei Praktikantinnen, die uns dafür bei der Betreuung entlasten können. Und um Salate und Nachspeisen kümmern sich die Kinder ohnehin selbst.“ Erziehung zur Selbstständigkeit zahlt sich aus.
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