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Sonatur Biogetreide

Die Natur zum Vorbild nehmen mit Mut zum Neuanfang

Sebastian Ott in seinem Bio-Lagerhaus in Kirchenlamitz
Sebastian Ott in seinem Bio-Lagerhaus in Kirchenlamitz
© Daniel Delang

Doch es ist viel Stroh und wenig Korn, das Sebastian Ott auf seinem Marktfruchtbetrieb im oberfränkischen Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge erntet. „Das Wasser war ausreichend, aber wahrscheinlich haben Sonnenstunden gefehlt. Darauf reagiert das Getreide empfindlich“, vermutet er. Die Natur unterliegt Schwankungen, kein Jahr, kein Blatt, kein Korn ist wie das andere. Und dennoch finden Pflanzen und Tiere fast immer einen Weg, wie sie gedeihen können. „Ich finde es faszinierend, der Natur zuzuschauen, wie sie die Dinge regelt. Wenn wir die Natur mit ihren Ansprüchen ernst nehmen und gute Rahmenbedingungen schaffen, ist das für alle gut.“ Diese Faszination ist dem konventionell ausgebildeten Landwirt schon immer zu eigen, auch als er im Jahr 1992 mit seinem Großvater beginnt, hobbymäßig Getreide anzubauen. In seiner Familie hat die Landwirtschaft eine Generation übersprungen, seine Eltern sind beide Beamte. Mit dem Großvater arbeitet Sebastian Ott in Sachen Pflanzenschutz und Düngung anfangs eher aus Unwissenheit so, dass ein Kollege irgendwann sagt: So wie ihr das macht, das ist Bio. Die Überzeugung und das Verständnis für die Zusammenhänge kommen aber schnell dazu und so ist der Ökolandbau für Sebastian Ott heute selbstverständlich. Einige Jahre später, 1996, baut er aus Mangel an Alternativen ein erstes eigenes Getreidelager mit 30 Tonnen Kapazität. Die Strukturen und die Abnehmer für Bio-Getreide sind zu dieser Zeit im Fichtelgebirge wie in vielen anderen Regionen auch kaum vorhanden. Entsprechend groß ist der Andrang, als er beginnt, sein Lager auch anderen Biolandwirten anzubieten. Sukzessive baut er die Kapazitäten aus und beginnt 2013 auch mit einem gewerblichen Getreidehandel und baut eine alte Porzellanfabrik zu einem weiteren Lager um. Ab 2016 konzentriert sich der umtriebige Landwirt, der im zweiten Beruf Wirtschaftsingenieur ist, nur noch auf den Anbau und die Lagerung und ergänzt sie mit Reinigung und Aufbereitung von Bio-Getreide. Sein Unternehmen Sonatur schließt zunehmend die wichtige Lücke zwischen Bauern und Verarbeitern. Doch damit nicht genug. Er bewirtschaftet nicht nur den eigenen Marktfruchtbetrieb, sondern auch 21 weitere Ackerbau-Betriebe von Kollegen, in deren Auftrag und mit einem schlagkräftigen Team aus neun Festangestellten. Überstunden sind an der Tagesordnung. Aber auch das reicht Sebastian Ott noch nicht: Mit einem zusätzlichen Dienstleistungsunternehmen berät und betreut er Bio-Landwirte bei Anbau und Vermarktung. Inzwischen betreibt er drei große Lagerstandorte sowie drei Außenstellen in der erweiterten Region, mit einer Gesamtkapazität von 11.000 m3. Wie er das schafft? Während der Erntezeit sitzt er unzählige Stunden im Mähdrescher und koordiniert auch von da aus. Geht das auf Dauer, auch bei der schwierigen wirtschaftlichen Entwicklung? „Wenn es weiterhin so läuft wie jetzt, dann geht’s schon“, sagt Sebastian Ott und lächelt. Herausgefordert ist er schon: mit zunehmenden Wetterextremen, trägen Großwetterlagen, dem Fachkräftemangel und der Bundes- und EU-Politik. „Da rennen wir in ein bürokratisches Monstrum, aus dem wir so schnell auch nicht mehr rauskommen. Die Regierenden haben von der Praxis wenig Schimmer.“ Die regionale Politik findet Sebastian Ott hingegen überwiegend hilfreich, das KULAP-Programm oder die Kleinprojekte-Förderung der Öko-Modellregionen zum Beispiel. Aber Aufgeben ist ohnehin keine Option für ihn. Schon gar nicht nach den ersten Versuchen. Denn mit vielem, was er entwickelt, steht der Unternehmer immer wieder am Anfang, muss immer wieder neue Lösungen finden. Für die Zukunft hat das Multitalent dennoch Wünsche: „Ich brauche einen gefestigten, hochqualifizierten Mitarbeiterstamm. Die Bewusstseinsbildung in der Gesellschaft muss unbedingt weiter gestärkt werden, damit immer mehr Menschen sich regionaler und ökologischer ernähren. Und nicht zuletzt brauchen wir eine Politik, die vor allem pragmatisch ist und die Landwirtschaft ernst nimmt. Bio ist nichts mehr nur für die Nische. Wir sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen.“ Auch hier gilt deshalb wohl: Nicht nach den ersten Versuchen aufgeben.

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