Das goldgelbe Öl beginnt zu fließen, von Hand füllt der gelernte Verfahrenstechniker es in kleine Flaschen ab und etikettiert sie. Senföl hat eine milde Schärfe und macht sich vor allem in Salaten und Dressings gut. Doch beim Öl ist noch nicht Schluss, denn nach dem Pressen bleibt ein sogenannter Kuchen übrig. Dieser lässt sich hervorragend in der Küche einsetzen und in wahre Delikatessen wie Bolognese und Nudeln verwandeln. Das ist jedoch alles andere als üblich. Dass die Kuchen so kreativ, sinn- und genussvoll verwertet werden, ist vor allem Karine De Cecco zu verdanken, Klaus Lünsmanns Frau. Gemeinsam haben sie im oberfränkischen Creußen nahe der Stadt Bayreuth eine Bio-Ölmühle samt Verarbeitungsküche aufgebaut. „Karine ist Französin und mit Märkten aufgewachsen. Sie ist schon immer eine begnadete Köchin“, schwärmt ihr Mann. Eines Tages bringt er von einer Motorrad-Tour einen Sack Ölsaaten mit und die beiden beginnen mit einer einfachen Tischpresse in der Küche, Öl herzustellen. Weitere Sorten folgen bald, und Karine De Cecco beginnt mit den Presskuchen zu experimentieren. Erst kommen Freunde und Bekannte in den Genuss der Köstlichkeiten, dann verkauft das Ehepaar seine Erzeugnisse auch vermehrt auf Märkten. Der Kontakt zu den Menschen, die ihre Produkte genießen, ist ihnen wichtig. Dann wird 2021 ein altes Gebäude in Creußen zur Pacht angeboten und die Französin und der Bayer schlagen spontan zu. Neue Ölpressen werden angeschafft und über die Öko-Modellregion auch gefördert. Karine De Cecco richtet eine professionelle Verarbeitungsküche ein, die Produktion wird ausgeweitet. „Wir haben dann gezielt Landwirte im direkten Umkreis gesucht. Und gefunden. Das Interesse der Bauern für Bio-Ölsaaten und für Nischenprodukte wächst“, berichtet Klaus Lünsmann freudig.
Mittlerweile ist die Ölmühle in die Anbauplanung vieler Landwirte mit einbezogen, was auch eine gewisse Liefersicherheit bedeutet. Dabei war von Tag eins an klar: „Bio ist unsere Philosophie. Die Landwirtschaft muss unterstützt werden, Flurschäden und Pestizideintrag vermieden werden“, ist Klaus Lünsmann überzeugt. Weiterhin stehen er und seine Frau regelmäßig auf den Märkten in Bayreuth und der Region. „Wir möchten den Kunden nicht nur Produkte verkaufen, sondern auch Wissen und Inspiration mitgeben. Wir möchten das Bewusstsein für die wunderbaren Lebensmittel stärken, die bei uns vor der Haustüre wachsen. Das geht im anonymen Regal im Laden nicht“, stellt er klar. Damit es wirtschaftlich funktioniert und um bekannter zu werden, liefern die beiden Quereinsteiger mittlerweile aber auch an rund 40 Einzelhändler der Region.
Doch die Naturprodukte, der Kontakt und die vollständige Verwertung der Ölsaaten stehen weiterhin im Zentrum. „Wir sind hier auch einfach einer Eingebung gefolgt. Und unserer Leidenschaft“, verrät Klaus Lünsmann. Karine De Cecco gibt auch Seminare zur Verarbeitung der Presskuchen. Die Nachfrage ist hoch. Das Wissen über den Umgang mit diesen Lebensmitteln ist kaum noch vorhanden. Zudem kreiert die Köchin immer wieder neue Produkte. Den Presskuchen der Kürbiskerne zum Beispiel verarbeitet sie zu einem schmackhaften Bolognesen, auch Kürbis-Presskuchen sind ein guter Fleischersatz. Hanf und Lein eignen sich dagegen eher für leckere und gesunde Nudeln. Aus Senf-Presskuchen lässt sich herrlicher Tafelsenf herstellen. Das Konzept geht auf. Nicht, dass es keine Herausforderungen gäbe. „Bio und regional ist ja nichts wirklich Neues, sondern eher ganz alt. Aber wir konkurrieren hier mit großen Konzernen, die ihre Ware in aller Welt einkaufen, auch im Bio-Bereich, obwohl so Hochwertiges auf unseren Feldern vor der Haustür wächst. Zudem wollen viele Verbraucher – vor allem im Supermarkt – völlig einheitliche Produkte. Wir arbeiten aber mit naturbelassenen Produkten, die schwanken nun mal in Geschmack und Charakter. Das ist schon ein Spagat für uns“, erklärt Klaus Lünsmann.
Doch die beiden Unternehmer bekommen enormen Zuspruch von ihren Kunden. Das motiviert sie und ihr Eifer ist ungebrochen. „Wir wollen einfach ein weiteres Steinchen im bunten Bio-Mosaik sein, unseren Teil zu dem gesamten Umbau der Ernährungswirtschaft beitragen. Allein wird man das Schiff nicht drehen. Aber mit Verbrauchern, Handel und Landwirtschaft zusammen können wir sehr wohl die Wertschätzung für den einheimischen Markt und die regionale Qualität erhöhen“, ist Klaus Lünsmann überzeugt. Mit der Verbindung von Regionalität, Ökolandbau und Gemeinsinn treffen er und seine Frau auf jeden Fall den Nerv der Zeit. Und der Erfolg gibt ihnen Recht.