Thomas Müller wächst in Schwaben auf und lernt dort als Kind einen Wanderschäfer kennen. Der Mann fasziniert ihn ebenso wie die Schafe. Einige Zeit dauert es, bis der Schäfer ihn unter seine Fittiche nimmt und ihm das Schäfern beibringt. Dabei ist es streng zugegangen: „Wenn du mich nervst bist furt und wenn du ned brav bist, beißen dich die Hunde.“ Davon ließ sich der Junge nicht abschrecken und lernte so als Kind Schäfern. Es sollte ihn nie mehr loslassen.
Diese Erfahrung stiftet eine besondere Verbindung mit der Erde, auch mit den Tieren: der Schäfer geht voraus, die Tiere folgen, die Hunde pendeln in der Furche, damit kein Schaf vom Weg abkommt. Verbunden mit den Tieren und der umgebenden Natur verbringt ein Schäfer ursprünglich Tage alleine mit der Herde.
Diese Naturverbindung und auch die Zeit zum Nachdenken und Sinnieren bringen Thomas Müller zu seinem Weg. „Ein Verlust der Würde in der industriellen Landwirtschaft– der Tiere, der Natur, auch unserer eigenen Würde – wird begleitet von einem Verlust an Wertschöpfung, an Verdienstmöglichkeit, eben an der Möglichkeit sein Leben in Würde zu bestreiten.“ Wechselseitige Abhängigkeiten und Ausbeutung sind die Folge: Wer sich auf diesen Weg einlässt, der steckt fest in Systemzwängen und hat kaum mehr eine Chance, sich umzuorientieren.
Dazu will Thomas eine Alternative leben: In Würde und Unabhängigkeit. Schon vor 18 Jahren gab er seinen Beruf als Nachrichtentechniker auf und widmet sich seitdem mit Leidenschaft der Schäferei. Mit viel Liebe und Arbeit baut er zusammen mit seiner Frau Kordula die heruntergekommene Tanzmühle auf. Ein Lebensprojekt, wie sich herausstellt. Raum für Raum, Gebäude für Gebäude wird der Hofstelle neues Leben eingehaucht. Das braucht Zeit und Geld und verlangt von den Besitzern immer wieder Geduld und Gelassenheit, mit den kleinen Schritten zufrieden zu sein.
Rückblickend ist es ganz schön viel, was die beiden auf die Beine gestellt haben. Nicht nur der Ort erstrahlt in neuem Glanz, auch die Landwirtschaft ist gewachsen: 112 Tiere zählt seine Schafherde. Inzwischen beweidet Thomas mit ihr 15 Hektar Eigenfläche sowie weitere 20 Hektar Naturschutzflächen. Seine Herde treibt er bis zu fünf Kilometer weit von einer Fläche zur anderen.
Dennoch: „Es braucht auch das Einkommen meiner Frau, sonst könnten wir uns das gar nicht leisten“, so Thomas. Seine Frau ist weiterhin als Sozialpädagogin tätig und ermöglicht damit den Ort zu entwickeln. Denn ein sicheres Einkommen ist bei der Schäferei alles andere als einfach. Lammfleisch ist in Deutschland eine Nische, die Tiere gewinnbringend zu verkaufen eine Kunst. Die einzige Lösung: einen festen Kundenstamm aufbauen und das Fleisch direkt zu vermarkten. Schon seit längerem experimentieren die beiden mit Käse und Schafmilchjoghurt. Das diente lange der Selbstversorgung. Nun soll das nächste Projekt werden.
Die Freiheit anders zu sein, nicht dem Mainstream zu entsprechen. Das hat Thomas Müller ermutigt Schäfer zu werden. Es bringt ihn aber auch dazu, Aussteiger am Hof gegen Mitarbeit willkommen zu heißen. Der Hof bietet Platz für 2 Camper – gegen Bezahlung oder eben gegen Arbeit.
Insgesamt, so scheint es, geht Thomas Müller tatkräftig unterstützt von seiner Frau konsequent seinen Weg mit Würde und Unabhängigkeit eine fast verlorene Lebensform zu erhalten und davon gut leben zu können. Ein reiches, erfülltes Leben, könnte man auch sagen.