Los ging’s am Morgen auf dem Waginger Bauernmarkt mit einem Treffen bei Gemüsebäuerin Hedwig Huber und ihrem Stand - mit dabei die drei Bürgermeister der VG, Stefanie Lang (Taching), Martin Fenninger (Wonneberg) und Matthias Baderhuber (Waging), die mit weiteren Helfern jeweils eine Radlergruppe leiteten. Von hier aus startete die Radtour hinauf nach Aich in die Gemeinde Wonneberg – dorthin, woher dieser Stand seine Produkte bezieht, aus der Biogärtnerei von Hedwig und Andreas Huber. Die Besucher waren beeindruckt von der Vielfalt des angebauten Gemüses und nicht zuletzt auch davon, wie das alles fast ohne fremde Hilfe bewältigt werden kann. Zum Einsatz kommen dafür kostengünstige Geräte, die vom Landwirt oft in Eigenleistung umgebaut und optimiert werden.
Von hier aus ging die Fahrt weiter zu einer Rast an der Wallfahrtskirche St. Leonhard, wo Kirchenführer Karl Parzinger aus Wonneberg die Teilnehmer in die über 500jährige Historie der Kirche einwies und mit seinem Detailwissen für die kunstgeschichtlich bedeutenden freigelegten Fresken begeisterte. Bürgermeister Martin Fenninger stellte währenddessen seine Gemeinde und den neu gebauten Kindergarten vor. „Wie wichtig ökologische Belange auch in unserer Gemeinde sind, dieses Bewusstsein ist bei mir in den letzten Jahren gewachsen“, meinte Fenninger, bevor er sich wieder an die Spitze der sechs Radlgruppen setzte.
Weiter ging´s zum Betrieb von Nici Braun und Thomas Reese, dem „Huber-Hof in der Zell“, wie die Einheimischen sagen, wo schon ein opulentes Mittagsessen-Angebot wartete: mit einer großen Auswahl an biologischen Produkten. Da gab es Fleisch vom Pinzgauer Rind und Weideschwein vom Huber-Hof, Gemüse von der Gärtnerei Huber, Emmerbrot vom Waginger Bäcker Huber, Käse vom Ziegenhof Frisch oder von der mobilen Käserei und Biobier von der Schlossbrauerei Stein, gebraut aus der Gerste der Region. Danach gab es Rundgänge zu den Weidetieren, die sich hier bei einer an die Bedürfnisse der Tiere angepassten Haltung fast ein bisschen wie im Paradies fühlen können. Wie meinte eine Besucherin: „Auf dem Huber-Hof möchte‘ ma a Kuah sei – oder a Sau“, denn die Haltung der schwäbisch-hällischen Landschweine auf der Weide ist eine absolute Besonderheit in der Region. Alle Tiere vom Hof werden möglichst stressfrei per Weideschuss oder im Schlachthof Laufen geschlachtet und komplett auf dem eigenen Hof verarbeitet und vermarktet.
Vielschichtig ging es zu auf der nächsten Station, am „Rastplatz zur Goaßnweide“ in Töfenreut. Maria und Hans Frisch zeigten ihre Ziegen, den Melkstand, die Käserei, und servierten an dem gemütlichen Standl an der Straße vor dem Hof neben Kuchen und Kaffee auch Goaßn-Eis. Enkel Matthias spielte noch ein paar Weisen auf seiner Ziach, für die er sich mit dem Rastplatz etwas dazuverdienen möchte, ebenso wie seine Schwester Vroni zu einem Pferd. Auch dazu fand ein Teilnehmer den passenden Kommentar: „Hier stellt sich bei mir ein richtiges Da-ist-die-Welt-noch-in-Ordnung-Gefühl ein.“
Zurück nach Waging ging es über Otting, nach Öd zum Betrieb von Hans Weiß, wo die Melker schon ungeduldig mit den Füßen scharrten; denn gut 300 Schafe der Rasse Lacaune warteten drauf, gemolken zu werden. Sohn Michael stellte den Besuchern seinen Betrieb vor und die Schafmilchsorten, die von der mobilen Käserei Chiemgau direkt auf seinem Hof verkäst werden. Der Großteil der Schafsmilch wird an eine Molkerei in Nürnberg vermarktet. Etwas erschöpft, aber rundum gesättigt mit Eindrücken und gutem Essen, traten die Teilnehmer der Bio-Genussradltour danach die Heimfahrt an. Im Folgenden ein paar wesentliche Daten der besuchten Betriebe.
Die Gärtnerei Huber in Aich
Der Lohbachhof von Andreas und Hedwig Huber befindet sich seit dem Jahr 2015 in der Ortschaft Aich in der Gemeinde Wonneberg; zuvor war der Biogemüseanbau 17 Jahre lang in Gessenberg, Gemeinde Waging, angesiedelt gewesen. Sechs Hektar Grund werden insgesamt bewirtschaftet, gute zwei Hektar davon direkt am Hof und mit einer reichen Fülle an Gemüse bebaut. „Die Hoffläche ist eigentlich viel zu klein zum Überleben“, meinte Andreas Huber bei der Betriebsbesichtigung der Teilnehmer der Bio-Genussradltour, „aber mit Gemüse und Gewächshäusern geht’s trotzdem“. Wenn auch mit sehr viel Arbeit verbunden, wie er bei seinen Ausführungen immer wieder hervorhebt. Sowohl alte wie auch neue Maschinentechnik helfen dabei, und Andreas Huber als geschickter Tüftler hat da manches Gerät für seine speziellen Zwecke umgerüstet. Die Pflanzmaschine z.B. fährt jetzt mit Elektroantrieb. Feste Mitarbeiter kann er sich zum einen nicht ohne weiteres leisten, und zum anderen sei ihm, wie er schildert, das bürokratische Drumherum zu kompliziert.
Die Fruchtfolge ist ihm wichtig, um die Böden nicht auszulaugen. So wird zwischendurch auf einer Fläche auch mal Kleegras angebaut, um als Zwischenfrucht die Böden wieder mit Stickstoff „aufzuladen“. Und die Anbauflächen werden immer wieder gewechselt, auch mit Kartoffeln und Getreide wie z.B. Biobraugerste. Gedüngt wird gelegentlich mit Mist von anderen Biobetrieben oder auch mal mit Ackerbohnenschrot. Das Wasser zum Gießen der Pflanzen kommt größtenteils von den Dächern der Gewächshäuser, von wo es aufgefangen wird; in einem normalen Jahr reicht das aus, sagt Huber aus seiner Erfahrung und fügt noch an, dass hier das Grundwasser zeitweise sehr hoch stehe, oft nur 20 Zentimeter unter der Oberfläche.
Die Besucher wollten angesichts der großen Felder immer wieder wissen, wie er das mit den Schädlingen hält. Huber: „Meistens fressen die Schnecken vom Rand her nur die erste Reihe ab. Wenn sie aber bis zur zweiten Reihe kommen, werde ich schon sauer.“ Ein Problem waren in der Vergangenheit auch die Rehe, die sich die Leckerbissen von den Huber-Feldern gern schmecken ließen; dagegen hat er jetzt Zäune aufgestellt. Und natürlich gibt es da noch die Kräuter, die auf den Feldern üppig wachsen, was sie nicht immer sollten. Das ist für Huber aber eine Frage der Einstellung zum „Unkraut“, oder „Beikraut“ - modern ausgedrückt, „Biodiversität“. Es wächst auf allen Feldern mal mehr, mal weniger und wird letztlich geduldet, soweit es nicht zu stark mit den Kulturpflanzen konkurriert – wobei seine moderne Maschine eine große Menge an Beikraut regulieren kann.
Die Palette der Früchte ist schon sehr groß. Da finden sich Kartoffeln, Salate, Kohlrabi, Fenchel, Dill, Paprika, Chili, Tomaten, Gurken und manch anderes mehr. Verkauft wird all dieses Gemüse auf den Märkten in Waging und Traunstein, außerdem einmal wöchentlich im Hofladen beim Haus der Familie Huber in Traunstein, sowie in Bioläden.
Der Huber-Hof in Zell
Eine tierische Vielfalt findet sich auf dem Huber-Hof in Zell am Rande der Gemeinde Wonneberg. Auf einer großen Wiese wiederkäuen die Pinzgauer-Rinder gemütlich vor sich hin. In dieser Mutterkuhhaltung dürfen die Kälber bis zu ihrem zehnten Lebensmonat Milch direkt aus dem Euter saufen. Die Schwäbisch-Hällischen Weideschweine, die den ganzen Sommer auf der Weide verbringen dürfen, fühlen sich samt Nachwuchs und Eber auf ihrem Outdoor-Terrain buchstäblich sauwohl und graben den Bauersleuten dabei freundlicherweise noch den Acker um. Vor dem Haus pickt eine bunte Hühnerschar samt Gockel eifrig nach Fressbarem. Kühe und Schweine verbringen den ganzen Sommer auf der Weide. Zudem gibt es auf dem Hof noch eine ganze Reihe an Pferden, teils eigene, teils Pensionspferde, die in Gruppen, nicht in Boxen gehalten werden und jederzeit einen Auslauf nach draußen haben. 40 Hektar Grund werden hier bewirtschaftet.
Die Kühe werden in einer mobilen Schlachtbox direkt auf dem Hof geschlachtet, die Schweine im biozertifizierten Schlachthof in Laufen. In der eigenen Metzgerei werden Fleischspezialitäten und ein großes Wurstsortiment hergestellt. Die Vermarktung der Produkte erfolgt zu 100 Prozent auf dem Hof in dem neu eingerichteten Hofladen, jeweils an drei Tagen pro Monat. Dieses Angebot wird sehr gut angenommen, versichert Thomas Reese, obwohl der Hof nun wirklich sehr versteckt liegt; denn „es gibt viele Leute, die Wert drauf legen, wie die Tiere gehalten werden“.
Der Ziegen-Hof Frisch in Töfenreut
Bio-Ziegenkäse ist das Aushängeschild des landwirtschaftlichen Betriebs von Maria und Hans Frisch. Seit 25 Jahren wird hier Käse produziert, zunächst von den Kühen, dann aber – und das auch schon wieder seit 13 Jahren – von „Goaßn“. Etwa 20 stehen momentan auf dem Betrieb, dazu ein rundes Dutzend Kitze. Die Milchziegen müssen, genau wie die Kühe, zwei Mal pro Tag gemolken werden, und die Milch wird dann von Maria Frisch in ihrer modernen Käserei zu dreierlei verschiedenen Produkten verarbeitet, die ihrerseits wieder eine ganze Reihe an Geschmacksrichtungen aufzuweisen haben: Frischkäse, Weichkäse und Schnittkäse. Verkauft wird der Käse auf den Bauernmärkten in Traunstein, Traunreut und Waging – und natürlich auf dem Selbstbedienungsverkaufsstand an der Straße vor dem Hof, den die Enkelkinder Matthias und Vroni betreiben, um ihr Taschengeld aufzubessern. Neben den Ziegen weiden auf dem Hof auch noch etliche Kalbinnen; diese stammen aus Nachbarhöfen, werden hier aufgezogen und gehen dann wieder dorthin zurück.
Der Milchschaf-Betrieb Weiß in Öd
Nicht weniger als 500 Milchschafe der Rasse „Lacaune“ weiden seit rund zehn Jahren auf den Feldern rund um den Naturland-Betrieb von Hans Weiß in der Ortschaft Öd in der Gemeinde Waging. Durchschnittlich 350 von ihnen werden täglich zwei Mal gemolken, wie Sohn Michael bei der Führung berichtete. Die Milch wird zu etwa zwei Dritteln an eine Molkerei in Nürnberg geliefert, in zwei Fuhren pro Woche, der andere Teil wird in einer Mobilen Käserei zum „Ottinger-Schafs-Kas“ verarbeitet; diesen Käse findet man in einer Reihe von Hof- und Bauernmärkten in der Ökomodellregion.
Bis zu 150 junge Schafe im Jahr werden zur Nachzucht behalten, die übrigen werden im Alter von etwa zwei Wochen zur Mast weiterverkauft. Gut 40 Hektar Grund stehen zur Verfügung – ein Teil wird als Schafsweide genutzt, der andere hauptsächlich um Heu zu gewinnen, das in einer eigenen Anlage noch nachgetrocknet werden kann; auch etwas Silofutter wird eingefahren. Zusätzlich grast das Jungvieh eine gewisse Zeit im Jahr auf den Flächen dreier Photovoltaikanlagen in der Gegend. Das sei sehr praktisch, sagt Michael Weiß, weil diese Flächen gut eingezäunt sind. „Nur das Fangen im Herbst ist schwierig“, fügt er schmunzelnd an, „und der Hund tut auch oft nicht so, wie man es ihm sagt.“
Artikel von Hans Eder, Südostbayerische Rundschau vom 31.10.2020