Die Wahlichs sind guter Dinge. Mit der neu eingebauten, größeren und effizienteren Kühlanlage ist der Grundstein für die Erneuerung ihrer Backstube gelegt. Möglich wurde die Investition durch die Ausgabe von sogenannten Genussrechten (wir berichteten). Mit diesem innovativen Projekt sind bis dato etwas über 50 000 € zusammengekommen.
Statt Banken investieren Bürger
Daneben wurde die Surheimer Biobäckerei, mit Zustimmung der Gemeinde Saaldorf-Surheim, auch in das Programm der Kleinstunternehmerförderung des Amtes für Ländliche Entwicklung (ALE) aufgenommen, das weitere 46 000 € beisteuert. Die Kombination dieser beiden Maßnahmen dürfte es laut ALE in Bayern so noch nicht gegeben haben.
Den Stein ins Rollen brachte im November letzten Jahres Marlene Berger-Stöckl, die Projektleiterin der Ökomodellregion Waginger See-Rupertiwinkel. Nachdem Barbara und Michael Wahlich ihr erzählt hatten, dass sie von den Banken kein Geld für die Sanierung ihrer Biobäckerei bekommen, stellte Berger-Stöckl den Kontakt zu Petra Wähning her, einer Beraterin für ländliche Entwicklung, die sich auf das Projekt „Genussrechte“ spezialisiert hat. Genussrechte sind eine solidarische Beteiligungsform, bei der Bürger eine festgelegte Summe für mindestens fünf Jahre in einen heimischen Betrieb investieren und dafür Zinsen in Form von Geld (1 %) oder Naturalien (3 % in Form eines Warengutscheins) erhalten. Ein Genussrecht hat den Wert von 500,-€, pro Person sind bis zu fünf Genussrechte erhältlich.
Nach den ersten Gesprächen ging es Schlag auf Schlag. Das Bayerische Fernsehen meldete sich bei der Surheimer Biobäckerei, zu der ein Bioladen sowie ein kleines Cafe gehören. Die BR-Leute hatten von dem Projekt erfahren und wollten es gleich in der nächsten Sendung „mehr /wert“ im Rahmen des Beitrags „Neue Zinsmodelle: Genussrechte im Trend“ vorstellen. Obwohl die ganze Aktion bisher nur angedacht war, überlegten die Wahlichs nicht lange, sagten zu und so wurde der Sendetermin, es war der 21. November 2019, quasi zum „Erstausgabetag“ der Surheimer „Genussscheine“.
Barbara Wahlich erzählt im Gespräch mit der Heimatzeitung, dass es bislang 45 Zeichner seien, die etwas über 50 000 € eingebracht hätten. Weil die Obergrenze bei den Genussrechten, die ein Betrieb innerhalb eines Jahres ausgeben darf, auf 100 000 € festgelegt ist, könnten Interessenten also noch bis 20. November Zertifikate erwerben, so Michael Wahlich. Das beste „Marketinginstrument“ sei bisher Mundpropaganda gewesen. Seine Frau ergänzt, sie habe aus vielen Gesprächen mit den Kunden erfahren, dass es den Menschen gefalle, wenn sie einen kleinen, ökologisch arbeitenden Handwerksbetrieb in ihrer Region unterstützen können. Außerdem sei auch die Verzinsung für viele ein Anreiz.
Die Gemeinde Saaldorf-Surheim stand den Wahlichs ebenfalls zur Seite, indem sie diese, in Absprache mit der Ökomodellregion, bei ihrem Antrag auf Kleinstunternehmerförderung beim Amt für Ländliche Entwicklung Oberbayern unterstützte. Dieses Programm fördert Betriebe im Rahmen der sogenannten einfachen Dorferneuerung. Dazu sind diverse Kriterien zu erfüllen, beispielsweise müssen die Unternehmen der Nahversorgung dienen, nicht mehr als zehn Mitarbeiter und ein Alleinstellungsmerkmal haben. Im Falle der Wahlichs ist dies ihr Status als Biobäckerei und die Verwendung von regionalen Rohstoffen wie dem Laufener Landweizen. Damit aus dieser alten und sehr bekömmlichen Getreidesorte künftig noch mehr Brot gebacken werden kann, sind die Wahlichs gerade dabei, Angebote für Investition Nummer zwei einzuholen: einen neuen Ofen mit doppelt so großer Backfläche.
Informationen zu den Genussrechten unter
Telefon 08654 / 779 5474 und unter 0151/ 5023 2132.
Artikel von Karin Kleinert aus der Südostbayerischen Rundschau vom 09.11.2020
Mehr Platz für die Teiglinge
Genussrechte machen es möglich: Die Biobäckerei Wahlich hat in eine neue Kühlanlage investiert
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