Beim „Waginger See Kas“, der vom Tourismusverband Waginger See unterstützt wird, geht es um handwerklich hergestellten Bio-Käse aus der Ökomodellregion, der in kleinen Hofkäsereien oder von einer mobilen Käserei direkt beim Landwirt hergestellt wird. Neben dem Paulbauernhof sind die Ziegenkäsebetriebe von Monika Obermeier in Fridolfing und von Maria Frisch in Wonneberg daran beteiligt sowie die mobile Käserei Chiemgau von Stephan Scholz mit acht Milchviehbetrieben aus der Ökomodellregion, darunter auch ein Milchschafbetrieb.
Bauernkäse nach Tilsiter Art, Gouda, Rotschmierkäse, Bergkäse, würziger Morbier mit der typischen dünnen Holzascheschicht in der Mitte des Laibes, Camembert, mit Kräutern und Gewürzen verfeinerter Frischkäse – das Angebot von Jungbäuerin Christina kann sich sehen lassen. Sie sagt, das Wichtigste beim Kasen sei die frische Milch, die sogenannte Morgenmilch. Diese werde ohne Zusatz- und Konservierungsstoffe verarbeitet. Die Käselaibe pflegt sie während des Reifeprozesses von Hand, das heißt sie schmiert sie alle zwei Tage mit einer Mischung aus Wasser, Salz und Rotschmierkultur. Gelernt hat sie das alles von ihrer Mutter.
Die frische Milch, die sie am Paulbauernhof zweimal pro Woche für das Kasen verwendet, ist freilich nur ein kleiner Teil, nicht einmal zehn Prozent, der Milchmenge, die die vierzig Kühe liefern, wie Johann Heinz junior erzählt. Der Landwirtschaftsmeister hat den Hof 2016 von seinen Eltern Johann und Theresia Heinz übernommen. Resi hat den Hofladen und die Käserei aufgebaut, sich inzwischen auf Eingelegtes und Eingemachtes sowie auf Wurstwaren spezialisiert. Außerdem managt sie die Ferienwohnungen. 2017 haben die Jungbauern auf Bio umgestellt. Im Zuge der Umstellung hat Hans einen modernen Außenklimastall in Holzmodulbauweise mit viel Auslauf für die Kühe errichtet und einen Melkroboter angeschafft, beides Investitionen in die Zukunft, so der Landwirt. Dazu kommen noch rund dreißig Stück Jungvieh und 15 Schweine.
Es werden 35 Hektar bewirtschaftet, davon zwanzig Hektar als Grünland. Dort können die Tiere von März bis Mitte November den ganzen Tag auf der Weide sein. Wenn sie wollen, können sie das auch die übrigen Monate, denn der Zugang zur Weide ist offen. Auf zehn Hektar stehen Mais, Weizen und Triticale, eine Kreuzung aus Roggen und Weizen. Heuer möchte der 31-Jährige das erste Mal Sojabohnen anbauen, damit er seine Tiere mit eigenem Eiweißkraftfutter versorgen kann.
Der Jungbauer berichtet, dass er Mitglied von Biokreis sei, einem vergleichsweise kleinen Verband für ökologischen Landbau mit Sitz in Passau, zu dem rund 1200 Landwirte gehören. Der Berater habe sich sehr eingesetzt, dass sie einen Abnehmer für ihre Biomilch finden, so Heinz. Es ist die Allgäuer Hofmilch geworden. Wegen der Direktvermarktung des Käses in ihrem Hofladen nimmt ihnen die nächstgelegene Molkerei in Piding ihre Biomilch nämlich nicht ab. Daher müssen sie die 300 Kilometer Fahrt des Milchlasters und die damit verbundenen Erfassungskosten, 7 bis 8 Cent pro Kilogramm Milch, übernehmen. Diese Situation ist nicht nur mit finanziellen Einbußen für den Landwirt verbunden, sondern bei den vielen gefahrenen Transportkilometern auch schädlich für Klima und Umwelt. Inzwischen sind es 16 Biomilch-Lieferanten aus den hiesigen Landkreisen, die sich zusammengetan haben und ihre Milch ins Allgäu bringen.
Hans und Christina stehen hinter ihrer Entscheidung, auf Bio umgestellt zu haben. Neben der nachhaltigen, ressourcenschonenden Wirtschaftsweise und dem Tierwohl gehe es auch um das „Gesamtpaket“, das sie ihren Gästen, die Urlaub auf dem Paulbauernhof machen, anbieten möchten. Dazu gehören Bio-Produkte vom eigenen Hof einfach dazu, neben Käse auch noch Eingemachtes und Eingelegtes sowie Fleisch, Geräuchertes und Wurst von den eigenen Schweinen. Im Übrigen könnte der Hof allein von der Milch nicht überleben, so Hans Heinz.
Die patente Jungbäuerin Christina kennt die Strategie, auf mehrere Standbeine zu setzen, von zuhause. Sie stammt von einem familiengeführten Biohof in der Vulkaneifel, auf dem es Kühe und Ziegen gibt. Ihre Mutter betreibt eine Käserei, ihre Schwester hat auf dem Hof einen schönen Bioladen aufgebaut. Christina hat Ökolandbau an der Uni Kassel studiert und ihren Bachelor gemacht. Seit sich die beiden vor ein paar Jahren kennengelernt haben, habe dieser Hintergrund freilich schon einen gewissen Einfluss auf die Umstellung auf Bio gehabt, wie der Paulbauer mit einem Augenzwinkern erzählt. Gefunkt hat es zwischen den beiden auf der Schapbach-Alm am Fuße des Watzmanns, wo der Paulbauer während des Sommers einen Teil seines Jungviehs grasen lässt. Dort hat Christina sich einen Traum erfüllt und als Sennerin gearbeitet. Zuerst war sie für einen Sommer als Jungsennerin auf der Fischunkelalm, dann zwei Sommer auf der Schapbach-Alm. Mittlerweile hat das Paar zwei Kinder.
SWR hat Film über die Zeit als Sennerin gedreht
Sogar einen Film hat der SWR über die abwechslungsreiche Zeit der Sennerin auf der Alm gedreht, ein schöner Beitrag, den man sich auf You tube ansehen kann (Stichwort: „Christina‘s Alm Traum – eine Eifelbäuerin am Königssee“).
Christina kann zupacken und sprüht vor Tatendrang. Um den Paulbauernhof noch vielseitiger zu machen, soll demnächst der Altstall für etwa dreißig Ziegen ausgebaut werden, denn die vermisst sie wirklich sehr, wie sie erzählt. Nach Ansicht der Jungbauern würden mehr Landwirte auf Bio umstellen, wenn die Mehrarbeit, die durch die ökologische Wirtschaftsweise anfällt, und die Produkte fair bezahlt würden. Daher haben sie sich entschlossen, ihren Käse auch unter der Dachmarke „Waginger See Kas“ vermarkten zu lassen, was ihnen sicherlich neue Absatzformate eröffnen wird. Eine wichtige Stellschraube für das Erreichen der dreißig Prozent Bio bis 2030 wäre laut Hans Heinz, wenn im öffentlichen Bereich, etwa in Betriebskantinen, in Krankenhäusern und Senioreneinrichtungen, mehr biologisch angebaute Lebensmittel aus der Region auf die Speisekarte kämen. „Dann könnte das was werden“, so der Paulbauer.
Demnächst werden sie eine Arbeitskraft mehr haben, denn es kommt ein Praktikant für zwanzig Wochen. Er studiert in Weihenstephan und stammt von einem konventionellen Ackerbaubetrieb aus Erding. Der Kontakt kam zustande, weil der Paulbauernhof im Ausbilderverzeichnis gelistet ist und immer wieder Praktikanten aufnimmt. Auch in dieser Beziehung ist man in Gausburg also sehr rührig.
Artikel von Karin Kleinert, Südostbayerische Rundschau vom 04.03.2021
Ein Artikel aus der Reihe „Bio in Serie“
30 Prozent Biolandbau. Das ist seit 2019 ein gesetzlich festgelegtes Ziel der Bayerischen Staatsregierung. Die 27 Ökomodellregionen auf einem Viertel der bayerischen Gemeindefläche sind dafür ein wichtiges Instrument. In loser Folge stellen wir Betriebe aus der Ökomodellregion Waginger See – Rupertiwinkel vor, die sich bereits auf den Weg gemacht haben und sich für eine besonders nachhaltige Wirtschaftsweise einsetzen. Die erste bayerische Modellregion zeichnet sich laut eigener Aussage durch vielfältige Netzwerke für mehr Bioanbau und -verarbeitung aus, verfolgt aber auch gemeinsame ökologische Projekte mit allen Landwirten und den Gemeinden. Mehr Infos dazu gibt es unter www.oekomodellregionen.bayern.
Bisher erschienene Beiträge bei „Bio in Serie“:
(1) Der bayerische Senfbauer, Hofporträt Andreas Maier, Tittmoning (Lisa Schuhegger)
(2) Ein außerordentliches Ziegenleben, Hofporträt Fam. Obermaier, Fridolfing (Ramona Oswald)
(3) Die Natur ist verdammt ehrlich, Hofporträt Fam. Praxenthaler, Fridolfing (D. Englschallinger)
(4) Leben im eigenen Ökosystem, Hofporträt Fam. Winkler, Tittmoning (Dorothee Englschallinger)
(5) Den Verbrauchern zeigen, wo das Essen herkommt, Hofporträt Peter Forster, Laufen (Dorothee Englschallinger)
(6) Ökologische Wirtschaftsweise fühlt sich stimmig an, Hofporträt Fam. Streitwieser, Surheim (Karin Kleinert)
(7) Der Getreide-König, Hofporträt Franz Obermeyer, Tengling (Anneliese Caruso)
(8) Wie es mit Bio "etwas werden könnte", Hofporträt Johann Heinz jun. und Christina Frangen, Gausburg (Karin Kleinert)