Bereits bei der Hausplanung vor neun Jahren war für den Kirchenmusiker und die Lehrerin Nachhaltigkeit ein großes Thema. So kamen sie auf natürliche Baumaterialien wie Holzfaserplatten zur Dämmung und Lehmputz. Auch im Gespräch mit ihren drei Kindern, ein Mädchen (12) und zwei Buben (fünf und 14), geht es immer wieder um einen bewussteren Lebensstil. „Es hat auch Corona reingespielt, viele Menschen haben ihr Denken neu ausgerichtet“, ergänzt Julia Netter.
Erkenntnis nach Kurs: „Okay, es geht auch ganz anders“
Seit 2020 hat die Familie ein Feld bei Moosham zwischen Leobendorf und Laufen gepachtet, nachdem der Familienvater am Campus St. Michael in Traunstein einen Permakulturkurs absolviert hatte. „Okay – es geht auch ganz anders“, war seine Erkenntnis. Die Kürbis- und Kartoffelernte vom Feld warf freilich viel mehr ab, als man selbst essen konnte. Im März 2021 während des Gartenhausbaus entstand ein erster Gedanke, dort ein kleines Bioladl zu integrieren und Bio-Waren aus der unmittelbaren Umgebung anzubieten. „Sohn Florian schlug als Alternative einen kleinen Nebenraum an der Garage vor; der wäre besser zu erreichen“, erzählt Thomas Netter.
Gesagt, getan: Am nächsten Tag wurden Fakten geschaffen, der Raum komplett ausgeräumt, eine Wand herausgerissen. „Es gab kein Zurück.“ Ein halbes Jahr lang bauten die Netters den Raum mit viel Holz und kleinen Nischen in warmen Naturfarben aus. Die Betonwand verkleideten sie mit ocker- bis rotfarbenen historischen Tonsteinen. „Es sind Reste einer Mauer, die noch vor einigen Jahren neben der Stiftskirche stand“, verrät der Laufener Stiftsorganist stolz. Es gibt viele liebevolle Details, wie den Schriftzug „Bioladl“ auf einem solchen Tonstein.
Marlene Berger-Stöckl, Chefin der Ökomodellregion Waginger See, stattete der Familie nun einen ersten Besuch ab, um den Baufortschritt zu begutachten und wertvolle Tipps für die Umsetzung zu geben.
Auf nur 3,2 Quadratmetern Ladenfläche soll das Bioladl unter dem Motto „bioregional, saisonal, plastikfrei“ Lebensmittel wie Butter, Eier, Käse, Milch, Gemüse und Obst, Mehl, Kartoffeln, Nudeln, Öle und vieles mehr im Sortiment haben. Julia und Thomas Netter wollen samstags zusätzlich Backwaren anbieten und auch etwas Kunsthandwerk aus der Region aufnehmen. Das Konzept soll mit Selbstbedienung und Vertrauenskasse funktionieren. Der Verzicht auf Plastik soweit es irgendwie geht ist für die Netters ein wichtiges Ziel, denn sie finden, dass viel zu viel Plastik im Umlauf ist. „Wir wollen hier auch unser Konsumverhalten ändern“, betont Julia Netter.
Gerade in der heutigen Zeit finden die Netters und Marlene Berger-Stöckl es immer wichtiger, dass die Gemeinden neue Ideen und Lösungen für das eigenständige Abdecken des Grundbedarfes entwickeln. Um den Kontakt zwischen Bürgern und Biobauern zu stärken, sei im Februar 2020 auch der Verein „Ökogenuss Waginger See-Rupertiwinkel“ gegründet worden, erklärt Berger-Stöckl.
Lieferanten werden mit Bild und Info vorgestellt
„Inspiriert wurden wir auch durch die Hofläden“, erläutert Julia Netter. „Dieses Projekt könnte auch Aufforderungscharakter für andere haben“.
Etwas ganz Besonderes im Ladl werden gerahmte Portraits der einzelnen Landwirte sein. Alle Bio-Lieferanten werden mit Bild und Info gut erklärt dargestellt. Die Kunden sollen sofort erkennen, woher die Lebensmittel kommen. „So entsteht ein großes Vertrauen zueinander“ - davon sind die Netters überzeugt. Der Laden soll werktags tagsüber von 6 bis 20 Uhr geöffnet sein. Der Start ist in der zweiten Woche nach Ostern geplant.
Artikel von Veronika Mergenthal, Südostbayerische Rundschau vom 26.01.2022