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„Rinder: Klimakiller oder unersetzbar“

Agraringenieur Ulrich Mück: Nachhaltige ökologische Landwirtschaft nur mit Rindfleischkonsum möglich

Projekte: Mit Bio kochen, Bio-Lebensmittel vom Grünland, Öffentlichkeitsarbeit
Der Referent Ulrich Mück (mit Geschenkkörberl) neben Martin Fenninger (Bürgermeister der Gemeinde Wonneberg) und Vorstandsmitgliedern der Ökomodellregion, deren Projektleiterin und Mitgliedern des BBV.
Der Referent Ulrich Mück (mit Geschenkkörberl) neben Martin Fenninger (Bürgermeister der Gemeinde Wonneberg) und Vorstandsmitgliedern der Ökomodellregion, deren Projektleiterin und Mitgliedern des BBV.
© Karin Kleinert
Die Begrüßung des hochrangigen Referenten übernahmen die beiden Vorstandsmitglieder der Ökomodellregion, Sebastian Siglreithmayer, BBV-Kreisobmann des Landkreises Traunstein, und Martin Fenninger, der Bürgermeister der Gemeinde Wonneberg. Der Bürgermeister sagte, dass er sich wünsche, die wirtschaftliche Situation werde für die kleinbäuerlichen Betriebe, die man sich hier bei uns nicht wegdenken könne, bald wieder besser. Ein wichtiger Faktor sei das gute Miteinander von Ökomodellregion und Bauernverband, wie Fenninger betonte. Ulrich Mück stellte sich kurz vor. Er habe eine Lehre in der Landwirtschaft gemacht, danach ein landwirtschaftliches Studium absolviert. Mehr als dreißig Jahre habe er als Berater für Grünland und Rinderhaltung im Demeter-Verband gearbeitet, daneben Forschungsprojekte und wissenschaftliche Studien geleitet. Die Bevölkerung auf die Bedeutung von Grünland und ökologischer Rinderhaltung hinzuweisen, sei inzwischen seine „Altersmission“ geworden.

Mit die ersten Haustiere gewesen

Zum Einstieg brachte Ulrich Mück historische Fakten, etwa dass es auf der Erde an die 1,8 Millionen beschriebene Arten gebe. Nur ein ganz kleiner Prozentsatz davon würde für die Landwirtschaft genutzt. Rinder seien mit die ersten Haustiere gewesen, die dem Menschen seit vielen Millionen Jahren Nahrung geben, in dem sie Gras in Milch und Fleisch umwandeln. Daher war die Nähe zwischen Mensch und Rind seit alters sehr groß, wie ein Blick in die Kulturgeschichte verrät. Ob im Alten Ägypten, bei den Griechen und Römern bis hin zum Ochs an der christlichen Krippe, in allen Kulturen hatten die Rinder einen hohen Stellenwert, waren Statussymbol und wurden in einigen Gesellschaften sogar als heilig verehrt.

Was denn da eigentlich bei uns auseinandergefallen sei, sprach Mück den Bruch in der Wahrnehmung des Rindes an, dass von der Mehrheitsgesellschaft aktuell nur noch als „methanausatmender Klimakiller“ gesehen werde. Die Menschen würden produzieren, konsumieren, Autofahren, fliegen, etc., trotzdem seien die Rinder angeblich schuld am Klimawandel. Laut dem Agraringenieur gebe es heute im Vergleich zu 1890 etwa 22 Prozent weniger Rinder in Deutschland. Warum die Rinder trotzdem in den menschengemachten Klimawandel einbezogen würden, darauf habe er keine Antwort, so Mück. Die Frage, ob die Erde noch Tiere brauche und wenn ja, welche, belegte der Referent mit eindrucksvollen Zahlen. Weil 70 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen weltweit Grünland sind und nur 30 Prozent Acker, seien Wiederkäuer unverzichtbar. Diese seien auch für den Ökolandbau unersetzbar, der geprägt ist durch die Kreislaufwirtschaft.

Ohne hofeigenen Dünger gehe es nicht

Man dürfe keinen Stoff aus den Augen verlieren, ohne hofeigenen Dünger gehe es nicht. „Rinder gehören in einem Demeter-Betrieb zu einem funktionierenden ,Hoforganismus‘ verpflichtend dazu“. Auch sei die Weidehaltung das zentrale Element für klimafreundliche Rinderhaltung, weil das Grünland kaum Einsatz fossiler Energieträger benötige. Andere Futtermittel bräuchten hingegen hohen fossilen Energieeinsatz. Obendrein seien die Rinder wichtig für den Humusaufbau im Boden, denn „durch jeden Biss wird mehr Wachstum angeregt“. Dauergrünland speichere bis zu fünfmal so viel Kohlenstoff wie Ackerboden, betonte Ulrich Mück. Daher habe zu viel Grünlandumbruch große negative Folgen wie vermehrte Treibhausgasemissionen, Nährstoffausträge, Erosion und den Verlust an Biodiversität. Mück schätzt, dass in Bayern seit 1873 mehr als die Hälfte der Grünlandflächen umgebrochen wurde. Die Bedeutung der Rinder als „Leittiere der Biodiversität“ veranschaulichte Mück anhand deren Hinterlassenschaften. Fladen seien ungemein populationsfördernd, etwa 260 verschiedene Insektenarten würden davon leben. Insofern wirke sich auch der in den letzten 30 Jahren zu beobachtende starke Rückgang der Weidetierhaltung enorm schlecht aus auf die Biodiversität. Für eine bessere Biodiversität brauche es laut Mück aber nicht nur eine extensive Beweidung, sondern auch, dass die Menschen das Fleisch vom Bio-Weiderind essen.

Breiten Raum im Vortrag nahm das „Lebensmittel Rind“ ein. Während die Nachfrage nach dem Fleisch von Getreidefressern wie Schweinen, Legehennen, Masthähnchen und Truthennen in den letzten Jahrzehnten immer größer wurde, sei die Nachfrage nach Fleisch von Raufutterfressern wie Rinder, Schafe und Pferde immer weniger geworden. Dabei würden Rinder ihr Futter, wenn es vorwiegend gras- und heubasiert ist, am effizientesten in Nahrung umwandeln.

Um die komplexen Zusammenhänge zwischen Nachfrage und Markt zu demonstrieren, brachte der Referent das fiktive Verbraucherpaar „Markus und Margot Markt“ ins Spiel. Was es bewirke, wenn sie viel Milch trinken, aber kein Rindfleisch essen. Dann könnten die Kälber weder artgerecht gehalten noch aufgezogen werden und würden wie bisher hauptsächlich ins Ausland gehen. Außerdem brauche es mehr Kraftfutter für die Milchleistungszucht und letztendlich mehr Importfuttermittel wie Mais und Soja mit den bekannten negativen Folgen. Daher sei für Mück der Typus des „Locavore“-Essers optimal, also der Mensch, der sich von dem ernährt, was die heimischen Bauern mit Futter vom Hof auf ökologische Weise erwirtschaften. Der Konsum von Rindfleisch gehöre da freilich dazu. Mittels einer komplizierten Berechnung stellte er dar, dass pro Liter Milch etwa 25 Gramm Rindfleisch verzehrt werden müssten, damit der Kreislauf funktioniert.

Wer dies alles wisse, wandte sich Ulrich Mück gegen Ende seines Vortrags an die Zuhörer im Saal, müsste sein Essverhalten ändern und etwa 70 Prozent weniger Geflügel essen, aber gleichbleibend viel Rindfleisch. Die vielen positiven Wirkungen der Rinderhaltung – sofern diese vom Grünland ernährt werden, nicht vom Acker – wendeten die Klimabilanz ins Positive und seien für den Erhalt von Grünland, Humusspeicherung und Biodiversität unabdingbar. Daher, so sein Fazit, sei eine nachhaltige Rinderhaltung für eine intakte Erde und mit ihnen die Rinderhalter, Hirten wie Bauern, unverzichtbar. Weil es dem Referenten bestens gelungen war, die komplexen und faszinierenden Zusammenhänge sachlich, aber trotzdem spannend zu veranschaulichen, gab es nach dem gut zweistündigen, sehr informativen Vortrag langanhaltenden Applaus. Im Anschluss nutzten die Zuhörer noch ausgiebig die Gelegenheit, Fragen zu stellen und Diskussionsbeiträge zu liefen. Angesprochen wurde dabei die Notwendigkeit, für den Ökolandbau und die Weidelandschaften andere politische Rahmenbedingungen zu schaffen. Weitere Aspekte, etwa die Darstellung von „hipper“ ökologischer Ernährung in den Medien, wo Rindfleisch so gut wie gar nicht auftaucht, kamen ebenfalls zur Sprache. Hier gelte es, mehr Werbung für regionales Bio-Rindfleisch zu machen, die Themen Landwirtschaft und Ernährung zusammen zu betrachten und die komplexen Zusammenhänge zu vermitteln, riet Ulrich Mück. Eine Bäuerin, die von dem Vortrag sichtlich begeistert war, brachte es auf den Punkt: „Die Landwirtschaft bietet tolle Möglichkeiten, es liegt an uns selbst, wie wir auf die Leute zugehen“.

Artikel von Karin Kleinert aus der Südostbayerischen Rundschau vom 02.06.2022


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