Als Pionier im Ökolandbau gilt auch Franz Obermeyer aus Tengling, der in der Vorstandschaft der ÖMR mitarbeitet und mit der Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Dr. Manuela Rottmann, ranghohen Besuch aus Berlin empfangen durfte. Manuela Rottmann ließ sich über das für diese Region entwickelte Konzept, das sich ganz individuell an die hier lebenden Menschen und Rahmenbedingungen anpasst, informieren. Dazu zählt der Aufbau regionaler Biowertschöpfungsketten mit den Erzeugern und Verarbeitern, die hier gut vernetzt werden und Kooperationen eingegangen sind. Außerdem wird die Vermarktung regionaler Bioprodukte gefördert. Diese finden sich dann nicht nur im Lebensmitteleinzelhandel, sondern auch zunehmend in der Gemeinschaftsverpflegung und Gastronomie dieser Tourismusregion. Die Staatssekretärin erfuhr auch, wie die ÖMR Fachinformationen zum Ökolandbau vermittelt und wie sie die Endverbraucher für das Thema Bio sensibilisiert.
Delegation auf den Feldern
Gekommen war Manuela Rottmann auf Einladung der beiden Kreisverbände Traunstein und Berchtesgadener Land von Bündnis 90 / Die Grünen. Begleitet wurde die Staatssekretärin von einer Delegation an Parteimitgliedern und Mandatsträgern. Bei hochsommerlichen Temperaturen folgten alle dem charismatisch-kämpferischen Urgestein der Bio-Bauern- Fraktion am Tachinger See, Franz Obermeyer, auf dessen Felder. Neben den äußerst informativen Einsichten in das Geschäft lernten die Gäste zunächst sein Leinsaatfeld kennen. Deren Anbau erfolgt nach den strengen Regeln der Demeter-Kriterien. Einen Teil der Ernte gibt er an eine Ölmühle, einen Teil der Körner in den Bio-Fachhandel oder bietet sie in der kleinen Hofverkaufsstelle in Tengling an.
Weiter ging es zu einem Feld mit Spätkartoffeln und zu der Fläche, auf der im Feldfutterbau zwei Drittel Luzerne und ein Drittel Kleegras wachsen. Bei der Luzerne handele es sich um hochwertiges Futter, wie der Weißklee bringe sie Nährstoffe zurück in die Böden, erklärte Obermeyer, ehe er alle zu seinem Braunhirse-Acker führte. Unter anderem hob er dort die gesundheitsfördernden Inhaltsstoffe dieser Hirse-Art wie den hohen Anteil an Kieselsäure hervor. Zurück auf dem Hof ging es in den Stall mit Freilauf, in dem Obermeyer ungefähr 40 Milchkühe (Simmentaler) hält. Er verfüttere Gras und etwas Kraftfutter aus Hafer und Kleie, Druschabfälle aus eigenem Anbau, sagte er, ehe er erklärte, warum seine Tiere Hörner haben und wie hoch sich seine Milchleistung beziffert. Nebenbei nutzte nicht nur Manuela Rottmann die Gelegenheit, die Kühe mit Gras zu füttern, sondern auch die Landtagsabgeordnete und agrarpolitische Sprecherin von Bündnis 90/ Die Grünen im bayerischen Landtag, Gisela Sengl.
Im Anschluss stellten sich die beiden Politikerinnen bei einer Kaffeepause in Obermeyers Stadl den Fragen und Anregungen des Hofbesitzers. An der Diskussion beteiligten sich auch weitere Mitglieder der Delegation. Dazu zählten neben Regina Reiter vom Kreisverband Traunstein und Dr. Bernhard Zimmer vom Kreisverband Berchtesgadener Land auch die Mitglieder der ÖMR-Vorstandschaft: der Bürgermeister aus Saaldorf Surheim, Biobauer Andreas Buchwinkler; Biobauer Hans Heinz; der Leiter des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Traunstein, Alfons Leitenbacher; der Geschäftsführer des Bayerischen Bauernverbandes (BBV) Traunstein, Matthäus Michlbauer sowie der stellvertretende Bürgermeister der Gemeinde Taching, Hans Steiner, der auch als Kreisbauernobmann den BBV Traunstein vertritt.
Obermeyer legte unmissverständlich dar, wo ihn als Biobauer aktuell der Schuh besonders drückt: bei der geplanten Flächenstilllegung und bei der neuen Tierwohlverordnung.
Weidehaltung Diskussionspunkt
Ein weiterer Diskussionspunkt war die Weidehaltung. Die gilt als besonders vorteilhaft für das Tierwohl, für das Wohl von Kühen. Was aber bedeutet das für einen Bio-Betrieb, wie den von Obermeyer, der viel zu wenig hofnahe und weidetaugliche Flächen hat? Er könne trotz Einsaat nicht genügend Flächen in weidetaugliche Flächen umwandeln. Daher schlug er eine Weide-Maximierung für jeden einzelnen Betrieb vor. Er habe zwar weidetaugliche Grundstücke auf der anderen Seite der Hauptdurchgangsstraße von Tengling. Wenn er seine Kühe aber über diese Straße treiben müsse, blockiere er zum einen morgens und abends den Straßenverkehr ganz erheblich und zum anderen bestehe die Gefahr, dass ein Fahrzeug in die Herde fährt. Seine Molkerei in Piding fordere aber ab 2024 von ihm, dass er seine Kühe täglich auf die Weide bringt, sonst nehme sie ihm seine Bio-Milch nicht mehr ab. Damit verlöre er zugleich seinen gesamten Bio-Status und den seiner Produkte. Das wäre das Aus für die bisherige Vermarktung seiner Demeter-Produkte. Wie ihm ergehe es vielen anderen landwirtschaftlichen Biobetrieben. „Wenn man den Anteil an Biobetrieben- wie von der Staatsregierung gewünscht- bis 2030 auf 30 Prozent bringen will, muss eine andere Lösung her.“
Alfons Leitenbacher fand es richtig, dass gerade die Tiere auf Biohöfen auf die Weide kommen: Es dürfe aber nicht dazu führen, dass durch Maximalforderungen Betriebe zur Aufgabe gezwungen werden, obwohl diese ein hohes Maß an Tierwohl garantieren würden.
Gisela Sengl betonte, die Mehrheit der Bevölkerung wünsche sich mehr Tierwohl mit entsprechenden Standards. Gefordert werde zudem eine eindeutige Klassifizierung. „Ein beweidetes Grünland ist das allerbeste und am nachhaltigsten, weil Tritt und Verbiss das Wurzelwachstum des Grases anregt und einen wichtigen Beitrag zur Humusbildung leistet.“
Manuela Rottmann betonte, dass es bei den meisten neuen Verordnungen Betriebe gebe, die Bestandschutz benötigen würden. Wenn man mit dem Label „Bio ist Weide“ werben wolle, komme man aus Gründen der Glaubwürdigkeit wohl nicht an der hundertprozentigen Weidehalte-Forderung vorbei. Es stelle sich also die Frage, wie das Landwirtschaftsministerium dieses Label ausgestalten solle, um die steigenden Ansprüche zu erfüllen. Zum Thema Flächenstilllegung stellte Rottmann klar, dass es hier nicht um Wechselbrachen gehe. Vielmehr brauche man zum Erhalt der Artenvielfalt mehrjährige Bearbeitungsruhe auf den Flächen.
Die Managerin der ÖMR, Marlene Berger- Stöckl bestätigte, dass zum Beispiel viele Wildvogelarten diese Flächen als Rückzugsorte brauchen. Berger- Stöckl informierte zudem über Vermarktungs- und Verarbeitungsstrukturen und nannte zahlreiche Beispiele, wie die Kooperationen mit der Brauerei Stein, mit dem Müslihersteller Barnhouse, der vegetarischen Firma Soto, der biozertifizierten Schnapsbrennerei Gramminger oder dem Städtischen Schlachthof in Laufen.
Bürgermeisterin Stefanie Lang vertritt die ÖMR zusammen mit Wagings Bürgermeister Matthias Baderhuber nach außen, gemeinsam üben sie die Funktion des Sprechers aus. Lang ließ wissen, dass die einzelnen Gemeinden gerade dabei seien, erste Maßnahmen zur Realisierung des Ökologischen Pflegekonzepts für die kommunalen Grünflächen umzusetzen, das auf das Bewerbungskonzept der ÖMR aus dem Jahr 2013 zurückzuführen ist. „Beim Schutz der Artenvielfalt sind nicht nur die Landwirte gefragt, sondern auch die Kommunen und ihre Bürger.“ Die Ökomodellregionen könnten ein Modell für alle Bundesländer werden, gaben die Vorstandssprecher dem Bundesministerium als Empfehlung mit auf den Weg.
Artikel von Anneliese Caruso aus der Südostbayerischen Rundschau vom 20.08.2022