Die Bäckerei Wenig hat sich kürzlich in Zusammenarbeit mit der Ökomodellregion biozertifizieren lassen, nimmt also zusätzlich zu ihren herkömmlichen Backwaren zertifizierte Biowaren ins Sortiment auf. Eigens dafür entwickelt wurde das neue „Tenglinger Landbrot“, ein Brot fast ausschließlich mit Biozutaten aus dem eigenen Dorf.
Eine unscheinbare Kreidetafel vor der Ladentür macht auf dieses neue Angebot aufmerksam. „Unsere Kunden kaufen das Tenglinger Landbrot, das immer montags gebacken wird, vor allem, weil es ihnen schmeckt. Dass es sich dabei um regionales Biogetreide handelt, wissen die meisten noch nicht“, erklärt der passionierte Bäcker. Ihn würde es freuen, wenn die Nachfrage nach regionalem Bio-Brot weiterwachsen würde.
Bei allem Engagement bleibt er auch immer Realist: Die Zeiten ändern sich und der Betrieb passt sich immer wieder den sich verändernden Umständen an. „Dazu gehört jetzt auch, dass mein Betrieb nun geprüft wird, ob auf allen Stufen der Produktion die Biorichtlinien eingehalten und nur Biorohstoffe und Zutaten verwendet werden“, erzählt Ernst Wenig. „Denn Bio muss für den Kunden transparent sein, d.h. er muss wissen: Wo Bio draufsteht, ist Bio drin, da gehört auch die Verarbeitung dazu“.
Ein starres Festhalten an Konzepten sucht man bei diesem Bäckermeister vergeblich. Das Angebot entwickelt sich durch die Nachfrage und Chancen, die sich ergeben. Denn zur Wandlungsfähigkeit kommt die Bereitschaft von Ernst Wenig, immer wieder etwas Besonderes zu probieren. Es macht ihm Freude, Dinge anzupacken, von denen andere vielleicht sagen: das ist mir zu kompliziert. Er macht`s möglich.
Die Verarbeitung von bioregionalem Getreide erfordert echtes handwerkliches Können, weil das Getreide jedes Jahr anders ist. Der Bäcker muss durch spezielle Methoden die Backeigenschaften des Mehls testen. „Für das Tenglinger Landbrot verwenden wir zu 80 Prozent Roggen und Roggenschrot sowie 20 Prozent wenig ausgemahlenen Weizen.“ Es handelt sich um ein Sauerteigbrot. „Wichtig für jeden Sauerteig ist das sogenannte Anstellgut. Es wird aus Roggenmehl und Wasser hergestellt und so lange angereichert, bis es die perfekte Konsistenz hat. Den Teig lasse ich über Nacht bei Raumtemperatur ruhen und gären, ehe ich ihn am nächsten Tag backe.“
Den Roggen und Weizen für dieses Tenglinger Landbrot liefert ausschließlich der ebenfalls in Tengling ansässige und streng kontrollierte Demeter-Betreib von Bio-Bauer Franz Obermeyer. Zusammen mit einer Handvoll Landwirte in Bayern hat sich der 59 Jahre alte Bio-Bauer auf den Anbau alter Getreidesorten spezialisiert.
Statt hochgezüchteter konventioneller Sorten reifen auf seinen Feldern neben Weizen und Roggen auch Einkorn, Sommeremmer, Dinkel, Leinsamen, Buchweizen, Nackthafer und Nacktgerste, Purpurweizen sowie Lichtkornhafer und Lichtkornroggen heran. Getreidesorten, die teils schon im alten Ägypten angebaut wurden, aber seit Jahrzehnten nicht mehr ins Bild einer auf Höchsterträge getrimmten Landwirtschaft passen.
Mit dieser Zusammenarbeit leiste die Bäckerei einen wertvollen Beitrag, um ein wichtiges Ziel der Ökomodellregion Waginger See-Rupertiwinkel zu erreichen: mehr Landwirte und Verarbeiter für die Herstellung heimischer Bio-Produkte zu gewinnen, sagte Berger-Stöckl.
„Die Kunden schätzen Produkte, deren Anbau und Verarbeitung transparent sind, und die gut schmecken“, pflichtete ihr Bürgermeisterin Ursula Haas bei. Die Gemeinde Taching am See, die Haas vertritt, ist nämlich Mitglied der hiesigen Ökomodellregion. „Natürlich backt unser Bäcker auch weiter Brote und andere Backwaren wie bisher, schließlich soll jeder nach seinem persönlichen Geschmack und Geldbeutel wählen können“, betont Ursula Haas. Sie gehörte neben Marlene Berger-Stöckl und Franz Obermeyer zu den Gästen, die der frisch zertifizierten Dorfbäckerei einen Besuch abstatteten.
Dabei durften sie Ernst Wenig und seiner Mitarbeiterin, der Bäckergesellin Steffi Baumgartner, ein bisschen über die Schultern schauen. Mit dabei war auch Tochter Magdalena Wenig, die schon eine Ausbildung zur Konditorin absolvierte und nun in einem Teisendorfer Betrieb das Bäckerhandwerk erlernt, damit sie eines Tages den elterlichen Betrieb weiterführen kann, der bis ins Gründungsjahr 1906 zurückreicht. Damit würde sie ein weiteres Ziel der Ökomodellregion erfüllen: Den Erhalt der kleinen Betriebe.
Dass von Tausenden von Getreidesorten im heutigen bäuerlichen Alltag nur noch wenige Dutzend eine Rolle spielen, hängt nach Obermeyers Erkenntnissen vor allem mit der schlechten Versorgungslage im vorletzten Jahrhundert zusammen. "Da ging es Getreidezüchtern um Maximalerträge und Ertragssicherheit. Heute aber ist Ernährungssicherung bei uns nicht mehr das alleinige Thema. Heute geht es auch um Geschmack, Genuss und Gesundheit".
Und hier könnten alte Getreidesorten eindeutig punkten, sagte Obermeyer bei einem anschließenden Besuch im Getreidelager auf seinem Hof, bei dem er die einzelnen Sorten näher vorstellte. Dazu komme der ökologische Nutzen solcher teils extensiver Sorten für die Artenvielfalt auf dem Feld.
Anneliese Caruso, Südostbayerische Rundschau vom 10.04.2019