Bei einer Infoveranstaltung in Westerheim lauschten über 30 Interessierte den Erzählungen von Demeter-Landwirt Michael Königsberger, der sich einem Experiment annahm. Angefangen mit nur einer Hand voll Saatgut im Jahr 2018, wurde das alte Saatgut mit viel Liebe und Engagement Schritt für Schritt zunächst vermehrt. Anfangs musste selbst das Wissen über den Anbau wiedergewonnen werden. Bei der ersten Ernte war viel Handarbeit notwendig, da die Menge viel zu gering für übliche Erntemaschinen war. In diesem Jahr erwartet Michael Königsberger nun bereits eine ordentliche Ernte Babenhausener Rotvesen. Die ersten Packungen Demeter Dinkelmehl 630 aus der letzten Ernte konnten direkt am Feld erworben werden.
Peter Guggenberger-Waibel von der Stiftung Kulturlandschaft Günztal berichtete über die Historie der alten Getreidesorten und betonte: „Die genetische Vielfalt ist eine grundlegende Voraussetzung für zukünftige Nutzungen und den züchterischen Fortschritt. Einmal verloren gegangene biologische Vielfalt ist nicht wieder herstellbar. Deutschlandweit sind in den vergangenen 100 Jahren etwa 90 Prozent der Getreidesorten verschwunden.“
Über 700 alte bayerische Sorten hat die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) in einer Datenbank erfasst. Diese alten Landsorten haben sich über viele Jahrhunderte an die Anbauregionen angepasst. Mitte des 20. Jahrhunderts verdrängten neue Züchtungen mit höherem Ertrag die alten Sorten. Auf unseren Feldern (in der Öko-Modellregion) werden nun fünf vielversprechende Sorten reaktiviert:
Dinkel: Babenhauser Rotvesen
Weizen: Allgäuer Land, Lechfelder
Gerste: Kaufbeurer Vierzeilige, Lichtis Astra
Da das Saatgut aus der ”biozid-freien" Zeit der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts stammt, also noch ohne chemische Pflanzenschutzmittel auskam, ist davon auszugehen, dass die Sorte eine größere Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten zeigt als die heutigen Hochleistungssorten. Dies und weitere Parameter wie z.B. die Standfestigkeit wird im ReBIOscover-Projekt untersucht – ein Projekt unter Leitung des KErn (Kompetenzzentrum für Ernährung). Hier geht es um die Wiederentdeckung regionaler Getreide-Landsorten zur nachhaltigen Herstellung von Bio-Lebensmittel Spezialitäten. Arbeitsthese des Projektes ist, dass ökologisch erzeugte und traditionell verarbeitete Produkte weniger immunreaktive Inhaltsstoffe und zugleich mehr ernährungsphysiologisch wertvolle Inhaltsstoffe enthalten. Miriam Marihart, Projektmanagerin der Öko-Modellregion Günztal berichtete außerdem über die ersten erfolgreichen Backversuche mit Bäckern in der Region.
Bei der Verarbeitung der alten Getreidesorten zu einer regionalen Spezialität ist viel Fingerspitzengefühl, Handwerkskunst und viel Herzblut gefragt. Das Wissen wie sich die einzelnen Getreidesorten bei der Verarbeitung verhalten, muss erst wiedergewonnen werden. „Ich persönlich bin total begeistert. Der Geschmack ist super, die Krume gefällt mir sehr gut.“, resümierte Michaela Trabold, eine der Teilnehmerinnen und begeisterte Hobby-Bäckerin, nach ihren ersten Backversuchen mit dem frisch vermahlenen Mehl. Bürgermeisterin Christa Bail aus Westerheim bekam direkt am Feld die erste Packung frisch vermahlenen Babenhausener Rotvesen von Michael Königsberger überreicht.
Damit die alten Sorten nicht nur ihren Weg zu den Landwirten und aufs Feld finden, unterstützt und begleitet die Öko-Modellregion Günztal den Weg der alten Sorten zurück bis in die heimischen Ladentheken.
Sie wollen mehr über das Projekt erfahren oder wollen sich aktiv (z.B. als Verarbeiter) mit einbringen? Dann wenden sie sich an: oekomodellregion@oberguenzburg.de