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Claudia Haspelhuber und Stephan Mendler

Solawi-Gemüse und mehr vom Reisnerhof

Claudia Haspelhuber und Stephan Mendler
Claudia Haspelhuber und Stephan Mendler
© Daniel Delang

Das gestaltete sich anfangs gar nicht so einfach. Beide sind Quereinsteiger, Stephan ist EDV-Spezialist für Geoinformationssysteme, Claudia Landschaftspflegerin. Deshalb lassen sie sich viel beraten und tun das bis heute. Bei den Überlegungen wird schnell klar: Mit Tieren ist man sehr gebunden, die brauchen halt einfach 365 Tage im Jahr Betreuung und es ist schwierig, mal vom Hof wegzukommen. Und bei Getreide ist gerade im Ökolandbau der Ertrag meist geringer. Man braucht also eine gewisse Fläche, um allein mit Getreide wirtschaftlich zu sein. Vor allem wenn man es nicht selbst am Hof verarbeitet. Die Beratung durch verschiedene Ämter brachte Empfehlungen in Richtung Diversifizierung: Hofgastronomie, Erlebnisbauernhof, Ferienwohnungen. Das hat ihnen aber alles nicht zugesagt.

Irgendwann sind sie dann auf die Solidarische Landwirtschaft und das Market-Garden-Konzept gestoßen. Hierbei wird auf kleiner Fläche intensiv gearbeitet, also viel Gemüse produziert, wodurch auch mit wenig Fläche ein Auskommen möglich ist. Es bedeutet viel Handarbeit, aber es sind auch keine großen Investitionen in teure Landmaschinen, Stallbauten oder Ferienwohnungen nötig. Das erscheint ihnen machbar. Einfach mal anfangen, ohne große Erfahrung und ohne sich gleich hoch zu verschulden.

Begleitet von Market-Garden-Spezialist Urs Mauk und Bioland-Gemüsebauberater Michael Schudde steigen die beiden Ende 2019 voll in die Planung ein. Die Vorbereitung und Werbung laufen auf Hochtouren, eine große Infoveranstaltung ist geplant. Und dann kommt die Corona-Pandemie – die Veranstaltung kann nicht stattfinden. Doch das Glück ist auf ihrer Seite, denn sie haben eine ganze Seite im Regionalteil der Lokalpresse bekommen, mit Bildern. Am Tag der geplanten Veranstaltung klingelt den ganzen Tag das Telefon. Es rufen jede Menge Interessenten an und am Abend ist das Ziel fürs erste Jahr erreicht – 30 Anteile sind erfolgreich vergeben. So können sie starten und sind überglücklich, dass der Auftakt trotz Corona gelungen ist.

Bei der Betriebsführung werden sie weiterhin beraten und unterstützt, unter anderem vom Gemüsebauberater, der ihnen auf den Flächen zeigt, was konkret zu tun ist, was gut läuft und wo Verbesserungsbedarf besteht. Begeistert sind sie auch vom Infoblitz, einem sehr günstigen Angebot von Bioland mit wöchentlichen Gartenbau-Praxistipps von Experten. Claudia und Stephan sind ein ausgezeichnetes Team. Er ist nach vorne gerichtet, optimistisch, experimentierfreudig. Claudia ist da etwas vorsichtiger und zurückhaltender. Gerade beim Thema Solawi. „Ich war am Anfang total skeptisch. Jetzt bin ich aber ein echter Fan des Konzeptes.“ Beide genießen den freundschaftlichen Kontakt mit den Mitgliedern und die abwechslungsreiche, sinnvolle Arbeit. Jeden Tag ist etwas anderes zu tun. Draußen in der Natur sein. Wissen, dass man das Richtige tut. Auch Tochter Lotte findet die Solawi ihrer Eltern toll und ist mit einem kleinen Feriencafé auf Spendenbasis schon ein bisschen mit eingestiegen. Das Café unter den Streuobstbäumen wird besonders von den Mitgliedern sehr gut angenommen.

Die Solawi-Gemeinschaft ist über die Jahre gewachsen von 60 über 75 zu jetzt 90 Anteilen. Der Beitrag kostet in 2023 nun 80 €. Da sie keine allgemeine Preiserhöhung machen wollten, gibt es jetzt einen optionalen höheren Solidarbeitrag von 90 € sowie einen ermäßigten Beitrag. Den nehmen nur wenige in Anspruch, zwei Drittel der Mitglieder zahlen sogar den Solidarbeitrag. Claudia und Stephan stellen fest: Es gibt sie wirklich, die gut informierten, zahlungsbereiten Verbraucher, die sich ihr Gemüse am Ende auch wirklich abholen. Es ist ja eine sehr verbindliche Form der Kooperation, die für die Verbraucher auch Einschränkungen und Aufwand bedeutet. Außerdem gab es die Befürchtung, dass der Gemüsebedarf auf dem Land geringer ist, weil sich viele aus dem eigenen Garten versorgen. Es zeigt sich aber: Die wenigsten Hobby-Gärtner schaffen eine kontinuierliche Versorgung. Da ist der satzweise Gemüsebau von Stephan und Claudia die perfekte Ergänzung. Das schätzen auch die Mitglieder, die in ihrem eigenen Garten Gemüse anbauen und nehmen den Solawi-Anteil gerne zusätzlich.

Für Claudia und Stephan ist der enge Kontakt zu den beteiligten Menschen besonders wichtig. Denn gemeinsam mit den perspektivisch 100 bis 120 Mitgliedern wollen sie etwas bewegen in der Region und eine Absatzplattform für andere Erzeuger in der Gegend sein. So verkaufen sie jetzt bei sich am Hof die Fleischpakete für einen Bio-Kollegen, Zicklein-Fleisch aus dem bayerischen Wald und in der Jagdsaison Rehfleisch von den lokalen Jägern. Mitglieder und Kunden werden hierdurch oft überhaupt erst auf das regionale Bio-Angebot aufmerksam. Vernetzung ist ihr Steckenpferd – mit den Verbrauchern, aber auch mit Kollegen und Verarbeitern in der Region. Ihr erklärtes Ziel ist der Aufbau einer guten Struktur für nachhaltige Landwirtschaft und Ernährung in ihrer Region. Mit ihrem Elan und ihrer Energie werden sie da auch sicher erfolgreich sein.
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