Voraussetzung für die Milchproduktion ist die Geburt von Kälbern. Im Landkreis Miesbach kommen jedes Jahr rund 5000 Bio-Kälber in biozertifizierten Milchviehbetrieben zur Welt. Etwa 2000 Bio-Kälber werden für die eigene Nachzucht gebraucht und bleiben im eigenen Betrieb oder in der Region. Alle anderen Kälber werden über Märkte und Händler an Mastbetriebe verkauft. Der Großteil dieser Bio-Kälber geht dann in konventionelle Mastbetriebe. Dies bedeutet nicht unbedingt eine schlechtere Haltung, aber die Tiere und damit später auch das Fleisch, das sie liefern, verlieren damit ihren Bio-Status.
Viele Kälber, gerade die gut mastfähigen Miesbacher Fleckvieh Kälber, werden gerne von großen Mastbetrieben in Niederbayern, Norddeutschland oder den Niederlanden gekauft. Diese Mastbetriebe bieten meist keinen Weidegang und die Fütterung erfolgt oft mit genverändertem Kraftfutter aus Südamerika. Es kommt aber auch vor, dass die Kälber an Mastbetriebe in Spanien verkauft und von dort sogar bis nach Nordafrika und Nahost verschifft werden.
Viele Landwirte sehen keine andere Möglichkeit, als die überzähligen Kälber zu verkaufen, da sie im eigenen Betrieb keinen Platz zur Aufzucht haben. Grund dafür ist, dass sich die Landwirte in reinen Grünlandgebieten, wie dem Landkreis Miesbach, inzwischen auf die Milcherzeugung spezialisiert haben. Die Fleischproduktion findet in Ackerbaugebieten statt, wo Mais, Soja und andere Ackerfrüchte als Viehfutter angebaut und direkt verfüttert werden. Allerdings geht damit den Milchbauern ein lukrativer Aspekt der Wertschöpfungskette verloren.
Ein Arbeitskreis der Öko-Modellregion Miesbacher Oberland (ÖMR), die bei der Standortmarketing-Gesellschaft Landkreis Miesbach mbH angesiedelt ist, hat sich in den vergangenen Monaten intensiv mit dieser Thematik beschäftigt. Unter dem Arbeitstitel „Kälberprojekt zur Vermeidung von Viehtransporten“ wurde ein Konzept entwickelt und bereits erste Partner gefunden. „Wir möchten lange Tiertransporte vermeiden und die Vermarktung vor Ort aufbauen“, erläutert Öko-Modellregionsmanagerin Stephanie Stiller.
Zu den Mitgliedern des Arbeitskreises gehören neben Öko-Modellregionsmanagerin Stephanie Stiller der Bio-Landwirt Albert Stürzer (Initiative Biokalb Oberland, Wall), IT-Entwickler Olaf Fries (Vertreter der ÖDP im Miesbacher Kreistag, Weyarn) sowie die Gastronomen Andrea Brenner und Bernhard Wolf (machtSINN, Holzkirchen).
Nun gehen die Mitglieder des ÖMR-Arbeitskreises die praktische Umsetzung ihrer Vorstellungen an und planen, eine Genossenschaft für die Vermarktung von Bio-Kalb- und Rindfleisch in der Region zu gründen. Mit „Oberland-Bioweiderind“ ist bereits ein Name gefunden. „Diese Genossenschaft soll verlässliche Strukturen bieten, damit die Kälber im Landkreis nach ökologischen Gesichtspunkten aufwachsen, hier geschlachtet werden und ihr Fleisch in der Region verarbeitet wird.“ betont Olaf Fries. Dazu sollen Landwirte, Metzger, Gastronomie, Kantinen, Handel und Privatpersonen mit einbezogen werden. „Wichtig sind uns faire und stabile Preise, Planungssicherheit für Landwirte und Gastronomie sowie vollkommene Transparenz“, ergänzt Andrea Brenner.
Jetzt suchen die Initiatoren weitere Unterstützer. „Jeder, der Interesse hat und sich mit seinen Kenntnissen einbringen möchte, ist herzlich willkommen“, sagt Olaf Fries. Als Ansprechpartner ist er zu erreichen unter of@ofries.de und 0178 / 1836579. Gesucht werden vor allem Landwirte, Gastronomen, Gründungsexperten, PR-Experten und Investoren, die bei der Gründung der Genossenschaft ihr Knowhow einbringen und tatkräftig mit anschieben.
Unabhängig davon unterstützt die ÖMR die Initiative weiterhin mit ihrem großen Netzwerk.
Bio-Kälber sollen in der Region bleiben
Genossenschaft sucht Mitstreiter
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