Hermann Braunsperger betreibt sein Handwerk seit fast vier Jahrzehnten. 1993 hat er den Familienbetrieb von seinem Vater übernommen und ein Gasthaus, das Rasthausstüberl, mit angeschlossener Produktionsstätte für Fleisch- und Wurstwaren errichtet. Inzwischen ist das Gasthaus verkauft, und der Metzgermeister und seine Frau Irmi haben vergangenes Jahr in eine neue, größere und zeitgemäße Produktionsstätte investiert - beachtlich in Zeiten von Corona. Diese steht in Niedervillern südlich von Laufen und ist rund 250 Quadratmeter groß.
Weil für den Mittfünfziger das Metzgerhandwerk Berufung ist und er immer versucht, mit der Zeit zu gehen, hat er seinen Betrieb vor kurzem biozertifizieren lassen. Eine wirkliche Besonderheit, denn im gesamten Landkreis Berchtesgadener Land gibt es keinen Biometzger, der ein Ladengeschäft hat. Die Betonung liegt auf dem täglich geöffneten Laden. Denn Direktvermarkter, die an bestimmten Tagen ab Hof oder auf dem Wochenmarkt ihr Biofleisch verkaufen, gibt es freilich einige. Erweitert man das Gebiet auf das der Ökomodellregion Waginger See – Rupertiwinkel findet man nur eine weitere biozertifizierte Metzgerei, nämlich die von Gottfried Heilmaier in Waging. Heilmaier ist spezialisiert auf Pinzgauer Rindfleisch im Glas, hat jedoch schon seit Jahren kein Ladengeschäft mehr.
Manche Biohöfe arbeiten mit Metzgern zusammen, die für sie schlachten und zerlegen. In diesem speziellen Fall ist der Metzger dann über den Biohof zertifiziert, aber eben nur für das Fleisch dieses einen Hofes. Bei uns in der Gegend arbeiten nach diesem Modell beispielsweise der Biohof Lecker und die Landmetzgerei Wittscheck in Niederheining.
Auf die Frage, warum sich so wenige Metzger biozertifizieren lassen, gibt es nicht die eine Antwort. Die Nachfrage nach Bioqualität steigt nämlich auch bei Fleisch und Wurst kontinuierlich. Die Dokumentation ist laut Braunsperger aufwendig, aber machbar. Und das EU-Biosiegel, das er jetzt vorweisen kann, ist ein guter Basisstandard. Durch dieses ist für den Verbraucher unter anderem gewährleistet, dass die Rohstoffe von ökologischen und nicht-ökologischen Erzeugnissen deutlich getrennt gelagert werden müssen, um Vermischungen zu vermeiden.
Bei der Zerlegung wird Bio-Reinheit gewährleistet
Das gilt auch für die Produktionsräume. In der Praxis sieht das dann so aus, dass zuerst die Bioproduktion läuft und anschließend die konventionelle. Dass auf Zusatzstoffe weitgehend verzichtet wird und mit natürlichen Gewürzen aus biologischer Landwirtschaft gearbeitet wird, schätzen die Verbraucher sehr. Auch das Schlachten der Tiere im Laufener Schlachthof bereitet, weil dieser biozertifiziert ist, keine Probleme. Bei der Zerlegung der Tiere muss Bio-Reinheit gewährleistet sein, die Braunsperger in seiner neuen Produktionsstätte gut erfüllen kann. Die Präsentation der Bioware im Laden ist, weil das Fleisch abgepackt angeboten wird, etwas aufwendiger, aber unkompliziert.
Marlene Berger-Stöckl, die Projektleiterin der ÖMR, freut es, dass endlich ein Metzger den Schritt der Biozertifizierung gegangen ist und damit quasi die Lücke in der Kette zwischen Biobauer und Verbraucher schließt. Auf telefonische Nachfrage unserer Zeitung nennt sie einige Gründe dafür. So gebe es bei der Mast von Biorindern sehr viel höhere Anforderungen an den Platzbedarf und an die Fütterung der Tiere, sie würden langsam und artgerecht zwei bis drei Jahre auf der Weide heranwachsen. Die persönliche Beziehung zwischen Metzger und Bauer spiele ebenfalls eine große Rolle sowie die kurzen und damit stressarmen Transportwege. Außerdem, so die Projektleiterin, wäre die extensive Weidehaltung von Bioochsen eine gute Alternative für die Weiterbewirtschaftung von kleinen Milchviehbetrieben, die keinen Nachfolger finden oder überlegen, die Milcherzeugung aufzugeben, aber dennoch Tiere halten wollen. Die freien Grünlandflächen würden somit sinnvoll weiter genutzt und vor einer starken Intensivierung bewahrt. „Dafür brauchen wir neben aufgeschlossenen Landwirten Verbraucher, die das Bioweidefleisch zum fairen Preis kaufen, und Handwerksbetriebe, die aus diesem Weidefleisch hochwertige Bioprodukte herstellen. Erst dann schließt sich der Kreis“, so Berger-Stöckl.
Metzger will Bioanteil von zehn Prozent erhöhen
Braunsperger ist so ein Handwerksbetrieb. Er hat sich in den letzten Jahren mit seinem Dry-Aged-Beef einen Namen gemacht, ein Fleisch, das in einem speziellen Raum, der „Salzgrotte“, mehrere Wochen reift. Einige Teile stammen dort inzwischen auch von Biorindern. Wie innovativ und kreativ der Metzgermeister ist, erfährt man, wenn er über neue Rezepte für seine Wurstwaren spricht oder über Projekte, die er nach Corona starten will wie Grillworkshops und Kurse für Fleischzuschnitt. Spezialverkäufe gab es schon ein paar in Niedervillern. Diejenigen, bei denen er fünf- und zehn-Kilo-Biofleischpakete angeboten hat, wurden, wie er sagt, sehr gut angenommen.
Im Laden in der Goethestraße, wo baulich alles beim Alten geblieben ist, ist der Verkauf der Bioprodukte inzwischen ebenfalls gut angelaufen. Hinter der verglasten Verkaufskühltheke sind Biofleisch, vakuumiert und etikettiert, und diverse Biowürste neben den konventionellen Produkten gut sichtbar arrangiert. Die Leute seien auch durchaus bereit, mehr für Bioqualität zu bezahlen, weil sie wissen, dass der Metzger dadurch auch dem Landwirt einen besseren Preis zahlen kann. Und so mancher Kunde sei inzwischen zu einem „Wiederholungstäter“ geworden, meint Braunsperger mit einem Augenzwinkern.
Im Moment macht Bio nur etwa zehn Prozent bei ihm aus, das liege meist an der Verfügbarkeit von Tieren. Bei Rindern gebe es keine Probleme, bei Bioschweinen und Biohühnern sei es teils schwierig, weil die von den Bauern oft selbst vermarktet werden. Weil Braunsperger rührig ist und bereits mit einigen Biolandwirten aus der Region im Gespräch ist, hofft er, bald an mehr Tiere zu kommen und so den Bioanteil in seiner Produktion nach und nach erhöhen zu können.
Artikel von Karin Kleinert aus der Südostbayerischen Rundschau vom 16.04.2021
Ein Artikel aus der Reihe „Bio in Serie“
30 Prozent Biolandbau - das ist seit 2019 gesetzlich festgelegtes Ziel der Bayerischen Staatsregierung. Die 27 Ökomodellregionen auf einem Viertel der bayerischen Gemeindefläche sind dafür ein wichtiges Instrument. In loser Folge stellen wir Betriebe aus der Ökomodellregion Waginger See – Rupertiwinkel vor, die sich bereits auf den Weg gemacht haben und sich für eine besonders nachhaltige Wirtschaftsweise einsetzen. Die erste bayerische Modellregion zeichnet sich laut eigener Aussage durch vielfältige Netzwerke für mehr Bioanbau und -verarbeitung aus, verfolgt aber auch gemeinsame ökologische Projekte mit allen Landwirten und den Gemeinden. Mehr Infos dazu gibt es unter www.oekomodellregionen.bayern.
Bisher erschienene Beiträge bei „Bio in Serie“:
(1) Der bayerische Senfbauer, Hofporträt Andreas Maier, Tittmoning (Lisa Schuhegger)
(2) Ein außerordentliches Ziegenleben, Hofporträt Fam. Obermaier, Fridolfing (Ramona Oswald)
(3) Die Natur ist verdammt ehrlich, Hofporträt Fam. Praxenthaler, Fridolfing (D. Englschallinger)
(4) Leben im eigenen Ökosystem, Hofporträt Fam. Winkler, Tittmoning (Dorothee Englschallinger)
(5) Den Verbrauchern zeigen, wo das Essen herkommt, Hofporträt Peter Forster, Laufen (Dorothee Englschallinger)
(6) Ökologische Wirtschaftsweise fühlt sich stimmig an, Hofporträt Fam. Streitwieser, Surheim (Karin Kleinert)
(7) Der Getreide-König, Hofporträt Franz Obermeyer, Tengling (Anneliese Caruso)
(8) Wie es mit Bio "etwas werden könnte", Hofporträt Johann Heinz jun. und Christina Frangen, Gausburg (Karin Kleinert)
(9) Alles richtig gemacht, Hofporträt Hans Englschallinger, Kay (Dorothee Englschallinger)
(10) Einen eigenen Weg gefunden, Hofporträt Sebastian Kettenberger, Törring (Ralf Enzensberger)
(11) Glied zwischen Biobauer und Verbraucher, Porträt Hermann Braunsperger, Laufen (Karin Kleinert)