Experten aus Naturschutz und Landwirtschaft
An der jetzigen Bewertungs-Begehung wirkten Experten aus Naturschutz und Landwirtschaft mit. Zu diesem Kreis gehörten Eliane Travers von der Höheren Naturschutzbehörde der Regierung von Oberbayern, Alfons Leitenbacher vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Traunstein sowie das Ehepaar Maria und Georg Kurz aus dem Landkreis Mühldorf, die Gewinner der letztjährigen Wiesenmeisterschaft. Als Jurymitglied fungierten zudem die Managerin der ÖMR, Marlene Berger-Stöckl, die Vertreterin der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, Dr. Sabine Heinz, die Landschaftsplanerin aus Freising, Inge Steidl, Beate Rutkowski, die neue Stellvertreterin im Vorstand des Bund Naturschutz (BN) Bayern, die zugleich Kreisvorsitzende im Landkreis Traunstein ist, und die Regionalreferentin vom Bund Naturschutz für Oberbayern, Annemarie Räder, stellvertretend für die erkrankte BN-Agrarreferentin Marion Ruppaner.
Schon Anfang Mai wurden alle 23 gemeldeten Wiesen von der Landschaftsplanerin Inge Steidl im Auftrag der Veranstalter begangen und anhand eines Punktesystems bewertet. Nicht nur die Artenvielfalt auf der Wiese, sondern auch der Futterertrag und der kulturlandschaftliche Wert sind dabei erfasst worden. Aus der erreichten Punktezahl ermittelte man dann die sechs Betriebe, die in die engere Auswahl kamen und jetzt besucht wurden.
Von allen Betrieben, die sich beworben haben, halten fünf Milchvieh, fünf weitere sind Mutterkuhhalter und vier Rindermastbetriebe. Hinzu kommen sechs Betriebe, die Pferdeheu produzieren oder abgeben, zwei Pensionsviehhalter und ein Schafhalter. Sechs Betriebe wirtschaften im Vollerwerb und 17 im Nebenerwerb. Zwölf der Angemeldeten wirtschaften ökologisch.
Teilnehmen konnten landwirtschaftliche Betriebe, die den Aufwuchs ihrer Wiesen und Weiden, die mindestens einen halben Hektar umfassen mussten, landwirtschaftlich verwerten. Die Betriebe sollten neben naturschutzfachlichen auch landwirtschaftliche Merkmale erfüllen. So spielte die Artenvielfalt eine Rolle: Es wurde die Gesamtzahl an Wiesenblumen (keine Gräser) erhoben. Das Vorkommen seltener Pflanzen mit hohem Gefährdungsgrad honorierte man zusätzlich.
Zusatzpunkte brachte auch die gleichmäßige Verteilung der Arten auf der Wiese. Im Kulturlandschaftswert spiegelten sich landschaftstypische Ausprägungen und Ensembles wider, die für Unverwechselbarkeit und Identität stehen.
Bei den landwirtschaftlichen Merkmalen wurde der Ertrag und eine gute wirtschaftliche Verwertung des Aufwuchses, wie etwa das Verfüttern an die eigenen Tiere, positiv bewertet. Punktabzüge gab das Vorhandensein von Pflanzen ohne Futterwert, aber mit Ausbreitungsdrang wie der Gemeine Ampfer oder für Weidetiere gefährliche Giftpflanzen wie das Jakobs-Greiskraut.
Unterwegs auf der Suche nach der schönsten Wiese, die alle genannten Eigenschaften erfüllt, besuchte die Jury zunächst die extensiv genutzte und 0,83 Hektar große Glatthaferwiese „Etz“ von Matthias und Rosemarie Winkler in Ollerding/ Tittmoning. Die Wiese zeigt schöne Übergänge zu Wald-Säumen, wird nur einmal im Jahr, Anfang Juli gemäht und später beweidet. Sie kennzeichnet sich durch Arten wie Wiesen-Flockenblume, Wiesen-Pippau oder Rauer Löwenzahn und seltene Arten im sehr steilen Trockenhang, der jährlich nur mit der Sense gemäht werden kann. Wie Rosemarie und Matthias Winkler erklärten, betreiben sie ihren Milchviehbetrieb im Vollerwerb und nach den Richtlinien von Demeter. Die Milch liefern sie an die Molkerei Berchtesgadener Land. Von den rund 40 Hektar, die sie bewirtschaften, sind 30 Hektar Grünland.
Schöne Übergänge zum Röhricht punkteten
Halt machte die Jury dann nahe des Strandbades Tengling auf der extensiv genutzten und etwa 3,3 Hektar großen Feuchtwiese „Seefeld“ von Martin Rausch. Dabei handelt es sich um eine Mähweide mit Schnittzeitpunkt und Nachweide im Sommer. Hier punktete die Großflächigkeit mit den schönen Übergängen zum Röhricht und zum Weidengebüsch am Seeufer sowie der Blick auf den See. Kennzeichnende Arten waren zum Beispiel die Bach-Nelkenwurz, Kuckuckslichtnelke, Mädesüß oder der Gelb Klee. Wie Matthias Rausch erklärte, hat er einen Ackermischbetrieb mit Kalbinnen-Endmast. Die Kalbinnen füttert er mit Heu von extensiven Wiesen und hält sie in einem Tiefstreustall, wodurch viel Festmist als Dünger entsteht. Es hieß, Festmist als Dünger sei besonders im Seeneinzugsgebiet die beste Art der organischen Bodenfütterung, weil er durch seinen hohen Strohanteil den Phosphor bindet. Der Betrieb von Martin Rausch verfügt über 19,6 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche, davon sind allein schon 9,5 Hektar Blühwiesen in Seenähe.
Der dritte Anlaufpunkt war eine Wiese in der Nähe der Gärtnerei Stöckl in Rothanschöring. Es handelt sich um das etwa zwei Hektar große „Schmidmeierfeld“, wo nicht nur die Besitzer, Andreas und Sabine Albanbauer aus Wolkersdorf/ Kirchanschöring warteten, sondern auch Kirchanschörings Bürgermeister Hans-Jörg Birner, der als Mitglied in der Vorstandschaft der ÖMR lange Jahre an deren Spitze stand. Von der Gesamtfläche des gepachteten Schmidmeierfeldes werde eine Teilfläche (0,5 Hektar) extensiv mit zwei Schnitten bewirtschaftet und nur mäßig gedüngt, der Rest mit fünf Schnitten. „Wir sind aber in keinem Programm“, sagte Albanbauer. Er betreibt einen Milchviehbetrieb im Vollerwerb, zu dem 60 Hektar Nutzfläche gehören, wovon 45 Hektar Grünland sind.
Beim Schmidmeierfeld hat man es mit einer Salbei-Glatthaferwiese zu tun, die zu Feuchtwiese und Kleinseggenried wechselt, und durch die hohe Artendiversität auf kleinem Raum besticht. Inge Steidl konnte auf 49 Arten wie den Wiesen-Pippau, den Herbst-Löwenzahn, den Wiesenbocksbart, Orchideen und viele andere hinweisen. „Allerdings ist der blaue Wiesensalbei schon verblüht“, sagte Steidl.
Danach legte die Jury eine Pause auf dem Anwesen von Maria Frisch in Töfenreut, Gemeinde Wonneberg, ein. Auch Frisch ist Teilnehmerin an der diesjährigen Wiesenmeisterschaft mit einer wunderschönen bunten „Muttertags-Blühwiese“ ohne auffallende Einzelmerkmale, die gemeinsam mit einer Reihe vergleichbarer klassischer Blühwiesen das Rückgrat der Wiesenmeisterschaft darstellen.
„Mehr heimische Bioprodukte und mehr Artenreichtum und Blühwiesen in der Landschaft, diese Ziele der Ökomodellregion kommen auch dem heimischen Tourismus entgegen.“ Eva Bernauer vom Tourismusverband Waginger See, die wie schon 2017 die diesjährige Wiesenmeisterschaft aktiv begleitete, verwies deshalb auch auf das Projekt „BiOS erleben“, das kürzlich grenzüberschreitend von drei Tourismusverbänden gestartet wurde und das Bioangebot auf beiden Seiten der Grenze auch für Gäste zugänglicher machen soll.
Von Töfenreut aus ging es weiter nach Petting zu Hubert Hogger in Aich 5. Hogger betreibt einen Milchviehbetrieb im Haupterwerb und nutzt dafür 22 Hektar Fläche, die er nur als Grünland zur Gewinnung von Futter für seine Kälber nutzt. Die Jury bewertete seine zwei Hektar große, artenreiche Fettwiese mit Übergängen zu Feucht- und Moorwiesen. Weil er von den Förderangeboten im Vertragsnaturschutz Gebrauch macht, muss er Schnittzeiten einhalten. Auf Hoggers Wiese stieß man auf charakteristische Arten, wie sie beispielsweise die Kohldistel oder die krautige Tauben Skabiose darstellen. Zudem durchzieht ein Graben mit einer Hochstaudenflur die Wiesenfläche, die im Frühjahr mit Märzenbechern übersät ist.
Glatthaferwiese als Portionsweide
Der nächste Treffpunkt lag ebenfalls in Petting, am „Surspeicherdamm Nord“. Anja und Roman Freimuth in Gallenbach 1 halten dort Schafe, konkret graue gehörnte Heidschnucken, eine sehr extensive Schafrasse, im Nebenerwerb. Insgesamt bewirtschaftet das Paar vier Hektar Grünland (Pachtflächen). Ihre Produkte vermarkten sie direkt ab Hof. Zudem beliefern sie gastronomische Betriebe. Ihre Glatthaferwiese in steiler Hanglage nutzen sie als Portionsweide, bei der den Tieren regelmäßig immer weitere zusätzliche Weidefläche angeboten wird, was sehr aufwändig ist. Zudem haben sie eine Nutzungsvereinbarung mit dem Wasserwirtschaftsamt Traunstein. Die kennzeichnenden Arten am Surspeicherdamm sind unter anderem die Büschel- und Wiesenglockenblume, die Wiesen-Flockenblume, die Witwenblume oder Orchideen wie Knabenkraut und Zweiblatt.
Zuletzt steuerte die Jury die 3,36 Hektar große Mähweide in Loithal (Zellberg), Gemeinde Anger von Rupert Koch jun., an. Sie ist im Kulturlandschaftsprogramm und liegt zum Teil an einer sehr steilen Hanglage, die mit dem Motormäher gemäht werden muss. Einen anderen Teil weiden Kalbinnen ab. „Die Wiesenfläche bietet einen hochwertigen Komplex-Lebensraum mit eingelagerten Quellnischen und angrenzendem Schluchtwald“, erklärte Dr. Sabine Heinz zum Kulturwert. In Loithal kommen zahlreiche Arten wie der Wiesen-Bocksbart, der hier noch besonders großflächig vertreten ist, vor oder die Wiesen-Platterbse, Kuckuckslichtnelken oder Sumpf-Vergissmeinnicht und einige Orchideen. Rupert Koch jun. lebt in der ÖMR-Gemeinde Teisendorf und liefert das Heu, das er in Loithal erntet, an den Bio-Naturland-Milchviehbetrieb seiner Eltern, Rosa und Rupert Koch sen. in Teisendorf. Zu deren Hof gehören rund 20 Hektar Grünland und ein Hektar Futtermais. Die beiden halten 30 Milchkühe und 25 Kalbinnen und Kälber. Die Milch liefern sie an die Molkerei Berchtesgadener Land in Piding.
Nach dieser letzten Station zog sich die Jury zur Beratung zurück, um den Wiesenmeister 2022 zu ermitteln, der im September in Teisendorf bekanntgegeben wird.
Artikel von Anneliese Caruso aus der Südostbayerischen Rundschau vom 23.06.2022