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Ökomodellregion: „Die Leute müssen was sehen“

Die Beteiligten nicht überfordern – Grüne Mandatsträger ziehen Zwischenbilanz

Projekt: Öffentlichkeitsarbeit
Marlene Berger-Stöckl
Marlene Berger-Stöckl
© Hannes Höfer
Von Hannes Höfer SOR vom 06.07.2017

„Das Hauptziel ist mehr Biolandbau“, stellte Projektmanagerin Marlene Berger-Stöckl in ihrer komprimierten Vorstellung klar, gleichwohl wolle man Brücken bauen zur konventionellen Landwirtschaft. Immerhin sei der Anteil der Ökobetriebe im Vergleich zum Start 2013 von 6,9 Prozent und einem Flächenanteil von 7,5 Prozent auf nunmehr 9,8 beziehungsweise 10,4 Prozent angestiegen. Sorge bereitet der Milchmarkt, da die Pidinger und die Andechser Molkerei nicht mehr Bio-Milch annehmen könnten. Berger-Stöckl hofft auf eine Wende ab 2019, um umstellungswilligen Betrieben eine Perspektive zu geben.

„Beim Seenschutz brennt’s“, konstatierte sie und plädierte dafür, bei den Ursachen anzufangen, anstatt nachträglich reparieren zu wollen. In Sachen Biofleisch sei man nicht so weit wie man wolle, gestand Berger-Stöckl, hier sucht sie Geschäfte, die das Fleisch in der Region vermarkten. Auch beim Käse gebe es Luft nach oben. Viel Presse hatte in jüngster Zeit der Laufener Landweizen, der jedoch nur ein Drittel des üblichen Ertrages bringe und daher dreimal so teuer sei. „Es gäbe noch mehr alte Sorten“, sagte Berger-Stöckl, mahnte aber zu Vorsicht: „Wir wollen niemanden in etwas reinreiten.“

Zusammen mit der Brauerei Stein habe man ein gemeinsames biozertifiziertes Lager für Dinkel und Hafer gefunden, um so die Einhaltung der Qualitätsanforderungen sicherzustellen, und auch kleinen Betrieben die Teilnahme zu ermöglichen. „Das Tourismuskonzept haben wir im Eilverfahren durchgejagt“, erinnerte die Projektleitern, nun gelte es, die Punkte der Reihe nach umzusetzen. Aber sie weiß: „Zum Ziel Bio-Genuss-Region ist es ein weiter Weg.“

Der Tittmoninger Stadtrat Hans Glück erkennt „viele kleine Schritte“. Die sollen die Leute aber auch sehen, wünscht sich die Fridolfingerin Anneliese Kiermaier. In ihrer Gemeinde ruhe man sich etwas auf dem Bio-Anteil in der Krankenhausverpflegung aus, nach dem Motto: „Wir machen ja schon was.“ Ihr Gemeinderatskollege Dr. Andreas Neubauer beschrieb den Weg als mühsam. Und: „Wir kriegen kaum was mit.“ Er verglich es mit „Ablasshandel“, in dem man auf der einen Seite ein paar Streuobstflächen schaffe, während man andernorts wesentlich mehr Hektar zubaue.

Florian Tahedl aus Kirchanschöring sieht seine Gemeinde in der glücklichen Situation, dass der Bürgermeister praktisch in allen Projekten Antreiber sei. „Manche Gemeinderäte reagieren schon allergisch“, berichtete dagegen sein Kollege Dr. Michael Hüller, meint sogar eine „relativ aggressive Stimmung“ wegen der Vielzahl an Projekten zu verspüren. Dennoch: „Mir geht es zu zach.“ Vor zwei Jahren hatte er angeregt, die Ortsschilder der ÖMR-Gemeinden entsprechend zu kennzeichnen, „aber nicht mal so was haut hin.“ Hüller würdigte das Engagement von Marlene Berger-Stöckl, und hofft, dass aus der Ökomodellregion mehr wird als ein „Feigenblatt.“

Widerspruch kam von Edwin Hertlein. Der Teisendorfer erinnerte an die berühmte Frage nach dem halb vollen oder halb leeren Glas. Hertlein sieht es bei der ÖMR wenigstens zu zehn Prozent gefüllt. „Es ist unsere Aufgabe, auszuprobieren, wie anderes Wirtschaften funktioniert am Ende des Kapitalismus.“ Dranbleiben, plädierte Hertlein, dann werde die Wende gelingen.
„Nicht warten, bis etwas aus Waging oder Anschöring kommt“, forderte Georg Linner alle Kollegen auf. Der Laufener Landwirtschaftsfachmann sieht in „hundert Prozent öko die einzige Chance für die Landwirtschaft – und für die Menschheit.“ Er erinnerte an das „eigentliche Ziel“ der Ökomodellregion, nämlich möglichst viele Bauern für den Biolandbau zu gewinnen. Dazu gehöre auch öffentlicher Druck auf die großen Betriebe der Region, auf die Molkerei in Waging und auf die Brauerei in Schönram.

Große Betriebe wie Wieninger, Steiner und Berchtesgadener Land Milch hätten Vorbildwirkung, meint Lisi Aschauer aus Teisendorf, die mit positiven Beispielen und Öffentlichkeitsarbeit die Einstellung der Menschen verändern will. Weiter entfernte Molkereien wären durchaus interessiert an Biomilch aus einer Ökomodellregion, weiß der Teisendorfer Albert Aschauer, denn die sähen darin einen Werbefaktor. Matthias Spiegelsberger versteht die Sorge mancher Biobauern, dass mit immer mehr Bioangeboten der Markt zusammenbrechen könnte. Der Teisendorfer verwies daher auf Nischen wie Gemüseanbau, den man auch im Nebenerwerb betreiben könne, und damit weit weniger „angehängt“ sei als mit Milchwirtschaft.
Mit der ÖMR lasse sich im Gemeinderat gut argumentieren, ist Hans Glück überzeugt, denn als Gemeinde könne man nicht gleichzeitig Gas geben und bremsen. Den „sichtbar größten Erfolg“ erkennt der Tittmoninger in der Ablehnung einer Biogas-Anlage, denn die wäre vor drei Jahren noch „durchgewunken“ worden. Insbesondere beim Flächenverbrauch müssten die Gemeinden die „Reißleine ziehen“. Die Sache mit den ÖMR-Geschenkkörben sei ausbaubar, meint Glück.

In Petting nehme man lieber einen Geschenkkorb aus dem Laden im Dorf, berichtete Franz-Martin Abfalter, wolle man doch auch den unterstützen. Man habe den Beitritt zur ÖMR im Gemeinderat zwar beschlossen, so der Gemeinderat, erkennbare Ergebnisse sehe er bislang jedoch nicht. „Man muss die Leute von der Qualität überzeugen.“ Die Qualität der Geschenkkorb-Produkte jedenfalls sei „top“, stellte Berger-Stöckl klar, lobte aber auch den Pettinger Bürgermeister als „gut dabei“.

„Der Leuchtturm bei uns ist der Schlachthof“, erklärte Georg Linner aus Laufen, wo es noch etliche handwerkliche Verarbeiter wie Metzger und Bäcker gebe. Allerdings trage bislang allein die Stadt das Defizit des Schlachthofes. Der ist EU-zertifiziert, Berger-Stöckl hofft nun auf den Schritt hin zum Bio-Schlachthof. Ein solcher fehlt Lisi Aschauer, damit Biofleisch nicht doch wieder als konventionelle Ware vermarktet werden müsse. Die Teisendorferin würde sich nach dem Laufener Vorbild für jede Gemeinde einen ÖMR-Referenten wünschen. „Einen Zwischenbericht von Bürgermeister und Verwaltung einfordern“, empfahl Glück seinen Kollegen dazu, „ein bisschen reinhauen, sonst tut sich nichts.“

Berger-Stöckl aber warnte davor, die Beteiligten zu überfordern, denn die Bürgermeister und auch sie selbst seien stark belastet. Die Projektleiterin blickt durchaus auf die anderen elf Ökomodellregionen in Bayern, deren Projekte sie für „überschaubar“ hält, während die ÖMR Waginger See / Rupertiwinkel „so vieles“ anpacke. Die Erwartungen werde man sicher nicht so rasch erfüllen können, dafür brauche es Jahre, bat Berger-Stöckl um Verständnis, verwies dabei aber auf die vielen kleinen Schritte: „600 Bäume sind vielleicht nicht allzu viele, aber es entstehen damit wieder einige Dutzend Obstanger.“ Schwerpunkt im nächsten Jahr soll ein ökologisches Pflegekonzept sein.

Die Förderung der Ökomodellregion war zunächst auf zwei Jahre ausgelegt gewesen, wurde dann aber um drei Jahre verlängert. Im April 2019 wird damit Schluss sein. Der Freistaat zahlt bis dahin 75 Prozent der Personal- und Sachkosten. Wollten die Gemeinden das Projekt auch ohne Förderung fortführen, kämen auf jede Kommune – Pi mal Daumen, wie Berger-Stöckl sagte – Kosten von rund 10.000 Euro im Jahr zu. „Das ist nicht viel Geld“, verglich Andreas Neubauer, „wenn es den Gemeinden wichtig ist, und wenn sie es wollen ...“
Die Projektleiterin jedenfalls erkennt „einen völlig anderen Diskurs“, als noch zum Start der ÖMR und sie sieht den Aufbau wichtiger Netzwerke auf einem guten Weg. Florian Tahedl erinnerte an das ursprüngliche Ziel von 20 Prozent Ökolandbau und warnte: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“ Ein Verantwortlicher für die Idee ÖMR wird am Ende dieser Legislaturperiode aufhören: Landwirtschaftsminister Helmut Brunner von der CSU. Ausgerechnet der „Grüne“ Hans Glück bedauert das: „Schade, dass der aufhört. Minister Brunner war ein Glücksfall.“

Bildunterschriften:
Marlene Berger-Stöckl:
„Wir wollen niemanden überfordern“, warnt Projektleiterin Marlene Berger-Stöckl vor zu hohen Erwartungen und bat um Geduld bis zu sichtbaren Ergebnissen.

Hans Glück:
Initiator des Treffens: Der Biobauer und Stadtrat Hans Glück. Foto: Hannes Höfer
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