Die Bedeutung eines gesunden Waldes für Klima, Wasser und Leben kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Darin waren sich die Teilnehmer dieses Waldbegangs einig. Darunter die Leiterin der obersten Jagdbehörde, Ministerialrätin Helene Bauer, und der regionale Vorsitzende des Ökologischen Jagdverbandes Stefan Zauner. Zentral ist für Hans Praxenthaler die Arten- und die Altersvielfalt im Wald. Und die soll sich bis auf minimale Maßnahmen ganz von alleine einstellen.
Hält alles überwuchernde Brombeere in Schach
Auf einer kleinen Schadfläche hat Praxenthaler kurzerhand Pappelstecklinge in den Boden gesteckt, denn ein solcher „Vorwald“ aus schnellwachsenden Arten kann den Weg ebnen zu einer bunten Waldvielfalt aus Tanne, Buche, Eibe, Eberesche, Kirsche, Rotbuche und anderen mehr. Das scheint gelungen. „Vielleicht eine halbe Stunde Arbeit“, blickt er auf den überschaubaren Aufwand für diese Stecklinge, „die Kosten sind praktisch null.“ Nicht zuletzt halte dergleichen die ansonsten alles überwuchernde Brombeere in Schach. Das Ergebnis gibt dem Waldmann Recht.
Eine Neupflanzung auf trockenen und heißen Kahlflächen sieht Praxenthaler problematisch, sie koste Zeit und Geld, und das mit fraglichem Erfolg. An anderer Stelle hat Praxenthaler vier starke Fichten gefällt, weil er Bauholz brauchte. Um den Nachwuchs an dieser Stelle macht er sich keine Sorgen. Auch nicht um unvermeidbare Schäden einer solchen Fällung, denn der üppige Jungwuchs in seinem Wald gleicht das rasch wieder aus. Reste gefällter Bäume lässt er im Wald liegen, bilden die doch den Humus für kommende Waldgenerationen.
Revierförster Max Poschner verweist dabei auf ein weiteres wichtiges Thema: „Es geht auch um den Lebensraum für Tiere.“ Dafür lässt Praxenthaler auch starke Stämme stehen, als Lebensraum für Specht und Co. Damit nicht genug: „Diese Buche stirb irgendwann ab und bildet wertvolles Totholz“, erklärt Poschner an einem imposanten Stamm. Mit einer aus dem Boden gezupften Jungtanne zeigt Behördenchef Alfons Leitenbacher den Teilnehmern die typische tiefgründende Pfahlwurzel, die mit einer Pflanzung kaum zu erreichen sei. „Eine gepflanzte Tanne ist keine Tanne“, formuliert Poschner eindeutig.
An einer Stelle kommt Michaela Kaniber ins Schwärmen. „Was für ein Bild, Wahnsinn“, sagt sie zu einer außergewöhnlichen massenhaften Ahornverjüngung. Michael Nürbauer, Umweltreferent der Stadt Bad Reichenhall und Waldfachmann im Bund Naturschutz, erkennt hier einen „Vorbild-Wald“, der gar nicht hoch genug einzuschätzen sei. In dem vielfach verwendeten Verbissschutz aus Plastikhülsen sieht Nürbauer ein „Grundübel“. Doch deren Förderung hat die Forstministerin inzwischen abgeräumt. Kaniber kommentiert dieses Detail parteipolitisch: „Das wahre Grün ist doch schwarz.“
„Hier ist es kühl und feucht“, hält Praxenthaler „klimatolerante Wälder“ dieser Art für unverzichtbar. Nicht zuletzt: „Sie wachsen, ohne irgendwas anzupflanzen.“ Die Ministerin sieht aber auch in nicht-heimischen Arten wie Douglasie eine mögliche Ergänzung im Zukunftswald und würdigt dabei ausdrücklich das Amt für Waldgenetik in Teisendorf. „Der Wasserrückhalt ist ein zentraler Punkt“, lässt Kaniber keinen Zweifel an der besonderen Bedeutung gesunder Mischwälder. Sie wünscht sich, dass auch jene Menschen, die keinen Bezug zu Waldwirtschaft und Jagd haben, durch solche Wälder geführt werden.
Mehr Blattgrün durch mehr Blattschuss
Mit dem scherzhaften Wortspiel „mehr Blattgrün durch mehr Blattschuss“ greift Praxenthaler ein zentrales und umstrittenes Thema auf: die Jagd. Dabei verweist die Ministerin auf ihre „klare Position“, die sie stets und eindeutig kundtue – ganz gleich wo. „Nicht alle machen das so“, fügt Kaniber süffisant hinzu. Sie stehe zur Politik „Wald vor Wild“, auch wenn das für manche zum „Kampfbegriff“ geworden sei. Einem fälschlicherweise unterstelltem „Wald ohne Wild“ habe Ministerpräsident Markus Söder eindeutig entgegengesetzt: „Kein Wild ohne Wald.“ Diesen Wald in Thannsberg würdigt Kaniber als „Eldorado“ und vergleicht ihn mit Trockenschäden in Nordbayern und riesigen Schadflächen in den Bundesländern Hessen und Thüringen: „Dort hat man den Wald bereits aufgegeben.“ Bayern hingegen gebe 95 Millionen Euro aus, um den Wald zu bewahren und dessen Zukunft zu sichern. Über ihre Heimat und ihren Wahlkreis sagt Kaniber: „Bei uns ist die Welt noch in Ordnung.“
Hans
Praxenthaler verabschiedet die Ministerin mit einer Bitte: „Denk an uns.“ Und wenn
sie „Hubert“ treffe, solle sie auch mit dem über dieses so wichtige Thema reden.
Gemeint ist Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, der vor wenigen Wochen
ebenfalls hier in diesem Wald zu Gast war (wir berichteten), sich aber eher
skeptisch über Praxenthalers Philosophie geäußert hat. Dieser Waldbauer von
Thannsberg wird noch in diesem Jahr eine besondere Auszeichnung für sein
Engagement erhalten. Mehr soll dazu noch nicht verraten werden.
Fleisch aus heimischen Wäldern
Ministerin diskutiert mit Bauern und weist Kritik zurück
Fridolfing. Die Ökomodellregion (ÖMR) Waginger See-Rupertiwinkel ging am 1. Mai 2014 als erste ihrer Art an den Start. „Sie war Blaupause für viele andere“, würdigte Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber beim Hof der Familie Praxenthaler. Dort steht ein metallener Kühl- und Zerwirkraum für Bio-Rindfleisch und Rehwild. Eines jener geförderten Kleinprojekte, für die sich die Managerin der ÖMR, Marlene Berger-Stöckl, ausdrücklich bei der Ministerin bedankt: „Mit diesem Geld lässt sich echt was ausrichten, und die Nachfrage ist wirklich groß.“ 50 000 Euro jährlich stehen der ÖMR für Kleinprojekte bis maximal 20 000 Euro für Bio-Erzeugung und Vermarktung zur Verfügung, bis zur Hälfte gefördert. Die Verlängerung der Personalfinanzierung schreibt sich die Ministerin auf ihre Fahnen, denn wie die Förderung sei auch dies eine „politische Entscheidung“.
Eben da appellierte Kaniber an alle zu differenzieren. „Es ist nicht ‚die Politik‘; bitte sagen, wer gemeint ist.“ Kritik wegen angeblich „fehlendem Interesse“ aus dem Bund Deutscher Milchviehalter (BDM) wies sie zurück, denn ihr voller Terminkalender mache eine kurzfristige Anberaumung eben kaum möglich. „Ich fürchte mich nicht vor euch“, so die Agrarministerin, „ihr tut immer so hart, aber im Kern seid’s ihr ganz liabe Leut.“ Eine kleine Retourkutsche an die Milchbauern mochte sie sich nicht verkneifen: „Wenn der Milchpreis mal bei 60 Cent liegt, dann produzieren die Bauern auf Teufel komm raus – bis der Preis wieder unten ist.“ Da wollte ihr niemand widersprechen.
Kein gutes Haar ließ Kaniber am Tierwohlprogramm von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir: „Es dauert 71 Jahre, um so die Mastschweinbetriebe umzubauen.“ Für sie ist deshalb klar: „Das will man gar nicht.“ Und so würde dereinst Schweinefleisch aus 26-stöckigen chinesischen Ställen zu uns kommen.
Kritik am gewaltigen Flächenverbrauch für ein neues BMW-Werk nahm Kaniber nicht an: „Nicht der Freistaat verkauft die Fläche, sondern ein Privatmann.“ Doch der neue Landesentwicklungsplan biete den Kommunen die Festlegung von Vorranggebieten, die allein der Landwirtschaft und somit der „Ernährungs-Souveränität“ dienten. Stichwort Ernährung: die Familie Praxenthaler kredenzte den Gästen neben Ökomodell-Käse auch Rehwurst in verschiedenen Variationen. – höf
Artikel von Hannes Höfer, Südostbayerische Rundschau vom 22. Juni 2023