Weder Gär- noch Kraftfutter für die 30 Milchkühe
Was aber macht die Besonderheiten von Bioheumilch aus und warum stehen einzelne Betriebe trotz dieser fehlenden Abnahmemöglichkeit konsequent dahinter? „Unsere dreißig Milchkühe mit Nachzucht werden ausschließlich vom Grünland gefüttert, sie bekommen kein „Kraftfutter“ vom Acker und wir bereiten gar kein Gärfutter mehr zu. Unseren Hofkreislauf möchten wir möglichst geschlossen halten. Bis auf Viehsalz, etwas Steinmehl und etwas Saat- und Kartoffelpflanzgut kaufen wir nichts zu, sondern erzeugen das Futter für unsere Tiere komplett auf dem Grünland“, erklärt der Seniorchef.
Was früher eine Selbstverständlichkeit in der Rinderfütterung war, zählt heute zu den eher seltenen Ausnahmen, denn die Milchleistung der Kühe kann bei einem bayerischen Durchschnitt von über 8.000 Litern Milch nicht mehr allein aus dem Grundfutter gedeckt werden. Der Verzicht auf Silagebereitung bedeutet wiederum hohe Investitionen in eine Heuhalle mit Trocknung. Für Staunen in der Gruppe sorgt die Information von Matthias Starzer, seit heuer der Hofnachfolger und verheiratet mit der Tochter des Seniorchefs, Melanie, dass die Kühe im langjährigen Mittel bei deutlich über 6.000 Liter Milchleistung liegen. Für eine Milchleistung von über 6.000 Litern nur aus dem Grünland muss man Profi in der Weideführung und in der ganzjährigen Erzeugung von hochwertigem Futter sein. „Seit 2007 haben wir auf Heumilch umgestellt und verzichten seither ganz auf die Bereitung von Silage“, so Familie Thaler während des Gangs mit der Besuchergruppe zur Heubergehalle. „Mit der Fruchtbarkeit unserer Kühe, gemessen an der niedrigen Zwischenkalbezeit, mit ihrer Lebensdauer und den sehr niedrigen Tierarztkosten sind wir sehr zufrieden“.
In der Heubergehalle entnimmt der junge Hofnachfolger mit dem Kran eine Ladung Heu als „Anschauungsmaterial“ für die Teilnehmer. Im Heu sind viele Blätter zu finden, es hat eine grüne Farbe „und riecht nach Kräutertee“, wie eine Bäuerin aus der Gruppe meint. „Nach der Mahd wird unser Mähgut nicht gekreiselt, wir möchten keine wertvolle Blattmasse verlieren. Es trocknet einen Tag lang auf der Wiese an, kommt anschließend in die Bergehalle und wird mit Hilfe von warmer Luft aus der Dachabsaugung getrocknet“, erläutert Matthias Starzer. „Wir heizen nicht zu, der Stromverbrauch hält sich bisher noch im Rahmen, auch wenn die Kosten natürlich deutlich zu Buche schlagen. Um ihn etwas zu senken, planen wir gerade eine PV-Anlage auf einem Hallenanbau. Eine Zusatzheizung haben wir bisher nicht gebraucht“.
„Um ein möglichst gutes Lebensmittel zu erzeugen, haben wir vor kurzem einen weiteren Schritt gemacht“, ergänzt sein Schwiegervater. „Nach der Umstellung auf Bio 1991 und nach dem Einstieg in die Heumilch 2007 haben wir uns 2022 für die Anschaffung eines modernen Doppelmessermähwerks in einer Breite von 8,50 m entschieden. Das war zwar selbst gebraucht noch sehr teuer, ermöglicht uns aber eine insektenschonende Mahd“, so Alfons Thaler. Dass der Familie das Thema Artenreichtum am Herzen liegt, zeigt sich in der Futtergewinnung: Die erste Mahd auf der Wiese erfolgt nicht vor Mitte Mai, und es werden nicht mehr als drei bis vier Schnitte genutzt. Die intensiv genutzte Portionsweide wich einem Kombisystem aus Kurzrasen-, Umtriebs- und Mähweideflächen, von denen abwechselnd Futter gewonnen wird, das auch noch Kräuter und Leguminosen (Kleearten) enthält. Um möglichst wenige Kitze zu gefährden, die gern in die Wiesen des Hofes abgesetzt werden, kommen regelmäßig Kitzdrohnen vor der Mahd zum Einsatz.
Antibiotika wurden seit Jahren nicht mehr gebraucht
Blumig duftend,
kräuterreich – das so erzeugte Heu nehmen die Kühe nicht nur sehr gern auf,
diese sehr ursprüngliche und artgerechte Form der Fütterung hält sie auch
gesund.
„Antibiotika
haben wir für unsere Kühe seit Jahren nicht mehr gebraucht“, erklärt Resi, die
Bäuerin, „und wenn doch einmal ein Tier Hilfe braucht, wenden wir pflanzliche
und homöopathische Mittel an“.
Neben dem Verkauf von Biomilch an eine Molkerei in der Nähe von München als Haupteinkommensquelle vermarktet der Hof etwas Dinkel, Weizen und Roggen als Brotgetreide für eine regionale Biobäckerei und baut Biobraugerste für eine nahe Brauerei an – hier hat er sich einer Kooperation der Ökomodellregion angeschlossen. Auch Eier von den eigenen Hühnern und Wurst oder Fleisch von einigen Mastschweinen werden ab Hof vermarktet. „Wir lassen unsere Produkte am liebsten alle in der Region verarbeiten“, erklärt der Austragsbauer. „Zweimal jährlich vermarkten wir Färsen und Schweine direkt an Kunden; dabei warten wir mit der Schlachtung, bis das gesamte Fleisch über unsere Stammkunden vorbestellt ist. Altkühe werden aktionsweise zur Küche der Lebenshilfe in Traunreut geliefert, die dann z.B. Biohackfleischgerichte in ihren Speiseplan mit aufnimmt“. Auch diese Lieferbeziehung entstand aus einer Kooperation mit der nahegelegenen Ökomodellregion.
„Uns macht es Freude, alle betrieblichen Schritte auf die Erzeugung von hochwertigen Lebensmitteln auszurichten“, erzählt Melanie, die Hofnachfolgerin, beim abschließenden Austausch mit der Gruppe. Sie ist Mutter von vier Kindern; der älteste Sohn Sebastian hat mit seinen zehn Jahren interessiert an der Besichtigung teilgenommen. Sie selbst hat bis vor wenigen Jahren noch am Landwirtschaftsamt in Traunstein gearbeitet und bringt deshalb viele Fachkenntnisse mit. „Solang es genügend Menschen gibt, die gute Produkte zu schätzen wissen, kann es sich für uns Bauern auch wirtschaftlich ausgehen“.
Bei Trocknung fallen hohe Bau- und Energiekosten an
Einige Landwirte aus Tittmoning, Tacherting und weiteren Gemeinden machen ihre Überlegungen deutlich, in die Erzeugung von Bioheumilch einzusteigen. Dafür müsste idealerweise eine Molkerei gefunden werden, die Bioheumilch in der Region separat erfasst, angemessen vergütet und die Abholung bündelt. Die hohen Bau- und Energiekosten für die Trocknung können eine Wirtschaftlichkeit der Produktion sonst unter heutigen Bedingungen unmöglich machen.
Die Bauernfamilie am Obernhof hat ihre Entscheidung für Bioheumilch trotz fehlender Vermarktungsschiene und erheblicher getätigter Investitionen seit langem getroffen. „Für uns passt dieses System hervorragend. Wir möchten nicht mehr zurück zu unserer vorherigen Wirtschaftsweise“, betont die Familie. Die Qualität der erzeugten Lebensmittel, das Tierwohl, ein hohes Maß an Klimaschutz über die bestmögliche Verwertung von Grünland und die Zufriedenheit von vier Generationen, die gemeinsam dort leben, gehen auf dem Obernhof Hand in Hand.
Artikel
aus dem Trostberger Tagblatt vom 01.11.2023, Redaktion