Im vergangenen Sommer hat die Erzeugergemeinschaft Schlachtvieh Traunstein w.V. (EG) in Kooperation mit der Ökomodellregion Waginger See – Rupertiwinkel einen mobilen Schlachtanhänger für konventionell und ökologisch wirtschaftende Betriebe angeschafft. Damit werden Tiere ohne Stress am Hof geschlachtet und erst danach zum Schlachthof transportiert. Betrieben wird der Hänger zusammen mit dem Städtischen Schlachthof Laufen. Die Landkreise Berchtesgadener Land und Traunstein haben einen Betriebskostenzuschuss geleistet.
Sie seien „Wiederholungstäter“ in puncto Schlachtbox, sagen Michaela und Ludwig Streitwieser aus dem Surheimer Ortsteil Ragging im Gespräch. Für sie sei das Wohl ihrer Rinder eine Herzensangelegenheit. Die Tiere werden am Hof geboren und sollten auch am Hof sterben können. Das habe mit Wertschätzung und Respekt für ein Lebewesen zu tun. Die Möglichkeit, ihre Tiere in vertrauter Umgebung schlachten zu lassen, hätten sie sich schon lange gewünscht. Ihre Vision ist, dass einmal alle ihre Tiere am Hof geschlachtet werden.
Bei einem Biofleischseminar der Ökomodellregion Waginger See – Rupertiwinkel (ÖMR) vor zwei Jahren in Waging waren sich Bauern und Verarbeiter schnell einig geworden, dass ein Angebot für eine hofnahe Schlachtung in der Region fehlt. Es kam zum Kauf eines Schlachtanhängers über die EG mit Hilfe des „Verfügungsrahmens Kleinprojekte“ der ÖMR und zur Kooperation mit dem Schlachthof Laufen, der diese Möglichkeit betriebsintern schon seit längerem erwogen hatte. Auch die Veterinärbehörden waren für diese neue Möglichkeit offen, die erst seit wenigen Jahren durch eine Änderung im EU-Recht möglich wurde. Auf das neue Angebot haben die Streitwiesers, die Milchvieh halten, schnell zugegriffen. Eine stressarme Schlachtung ist nicht nur für das Tier sehr positiv, sondern auch für die Fleischqualität, sind sie überzeugt.
Seit vergangenem Jahr haben die Streitwiesers mit der Direktvermarktung ihres Bio-Fleisches ein weiteres Standbein, weshalb das Angebot des mobilen Schlachtanhängers perfekt passt. Bisher wurden in Ragging drei Ochsen im Alter zwischen zwei und drei Jahren am Hof geschlachtet. Das Wohl der Tiere rechtfertige den Aufwand einer hofnahen Schlachtung unbedingt, sind sie überzeugt. Um das Tier an die Fixierung zu gewöhnen, die vor der Betäubung notwendig ist, wird es einige Wochen vorher mit dem Strick vertraut gemacht.
Das Prozedere vor der ersten Schlachtung am Hof sei hinsichtlich der Bürokratie etwas aufwendiger, erklärt Michaela Streitwieser. Den ersten Termin muss der Landwirt beim Landratsamt anmelden, dann muss sowohl der Amtstierarzt als auch der Hoftierarzt dabei sein und es gilt einige Papiere vorzubereiten. Ab der zweiten Schlachtung braucht der Amtstierarzt nicht mehr vor Ort sein. Zur Schlachtung kommt nur der Hoftierarzt für die Lebendbeschau. Ein Metzger bringt den Hänger und der Landwirt hilft mit. Dieser hohe Personalaufwand führt zu Mehrkosten gegenüber dem herkömmlichen Transport zum Schlachthof.
Während
der Ochs frisst, fällt der Betäubungsschuss
Bei den Streitwiesers fährt Schlachthofmeister Anderl Schmid etwa um 8 Uhr mit der Schlachtbox vor. Der Ochse wird in Ruhe außerhalb des Stalls fixiert. Während er frisst, fällt der Betäubungsschuss. Dann muss alles sehr schnell gehen. Innerhalb von 60 Sekunden muss das Tier gestochen und an den bereitstehenden Frontlader gehängt werden, wo es ausblutet. Das Blut wird aufgefangen. Anschließend wird das tote Tier auf einem Rollwagen in die Box gezogen, zum Schlachthof Laufen transportiert, dort in zwei Hälften zerlegt und in die Kühlung gehängt.
Für die Feinzerlegung kommt die biozertifizierte Laufener Metzgerei Braunsperger ins Spiel. Metzgermeister Hermann Braunsperger holt den Streitwieser-Ochsen und zerlegt ihn für Lohn in seinem Betrieb in Niedervillern bei Laufen. Das Vakuumieren und Beschriften der Fleischteile übernehmen die Streitwiesers dort selbst. Danach fährt Braunsperger das Fleisch mit dem Kühlauto nach Ragging, wo sofort der Verkauf stattfindet.
Lohnt sich denn der Mehraufwand für die mobile Schlachtung? Ja, sagen die Streitwiesers, und meinen damit nicht den finanziellen Aspekt. Die hofnahe Schlachtung passe zu ihrer Einstellung. Ihre Kunden seien sehr zufrieden mit Qualität und Geschmack, freuen sie sich: „Die Menschen wollen sehen, wo die Ochsen gelebt haben und befürworten das hofnahe Schlachten. Deshalb sind viele bereit, die Mehrkosten mitzutragen und einen fairen Preis pro Kilo Fleisch zu bezahlen“.
Zu den Befürwortern der Schlachtbox gehört auch Familie Lecker, die ihre Biohöfe in Schiffmoning bei Ainring und in Niederheining bei Laufen bewirtschaftet. Hans Lecker, der in Niederheining seit 2010 eine Direktvermarktung aufgebaut hat und Ökokisten ins Haus liefert, war der erste im Landkreis BGL, der den Schlachtanhänger buchte, „aus ethischen Aspekten, denn das Tier wird ohne Stress entnommen“, so der Biobauer. Er ist sich im Klaren, dass diese Art des Schlachtens im Großen wirtschaftlich nicht darstellbar ist. „Bei uns dreht sich alles um das eine Tier, bei uns geht es nicht um Masse. Wir müssen wieder hin zum Sonntagsbraten“, betont Hans Lecker. Nicht alle Betriebe könnten die Mehrkosten des mobilen Schlachtens auf ihre Kunden umlegen, dafür brauche es genügend Menschen, die den Mehraufwand honorieren, so seine Einschätzung.
Lecker:
„Leben und Sterben gehört am Bauernhof dazu“
Bei ihnen werden die zwei- bis dreijährigen Rinder nur in der Weidesaison von Ende April bis Ende Oktober geschlachtet, und zwar direkt an der Weidehütte. Danach wird der Tierkörper mit dem Frontlader zum Schlachtanhänger neben der Weide gefahren. „Leben und Sterben gehört am Bauernhof dazu“, betont er. Der Großteil des Fleisches geht in die Direktvermarktung, die Knochen gibt es dazu und die Innereien werden betriebsintern verwendet. Aus einem Teil des Fleisches lässt Familie Lecker Wurstwaren von der Metzgerei Braunsperger herstellen. Demeter-Landwirt Hans Lecker ist überzeugt, dass die Schlachtbox ein wichtiger Beitrag zur regionalen Fleischversorgung mit Tierwohlaspekten ist und zum gesunden Kreislauf am Hof beiträgt. Obendrein, ergänzt er, sind Rinder für den Erhalt der Kulturlandschaft im Alpenvorland sehr wichtig. Als Wiederkäuer verwerten sie das Gras von den Wiesen und Weiden und wandeln es in Milch und Fleisch um.
Metzgermeister Braunsperger, der sich am Schlachthof Laufen schon seit längerem für eine mobile Schlachtbox eingesetzt hatte, betont, dass er es wichtig findet, die kleinen Schlachthöfe wie den in Laufen und die mobile Box nicht gegeneinander auszuspielen, sondern die Box als gute Alternative zu sehen. Wenn die Tiere das ganze Jahr auf der Weide stehen und nur wenig an den Menschen gewöhnt sind, bedeute es für sie viel Stress, auf einen Transporter verladen zu werden. Für Rinder, die viel im Stall stehen und zum Teil vom Bauern am Strick innerhalb des Hofes geführt werden, sei das Verladen am Betrieb und Ausladen am Schlachthof dagegen kein großer Stress.
Und wie schaut die Zwischenbilanz der Schlachtbox-Betreiber aus? Sowohl die Verantwortlichen der EG Schlachtvieh Traunstein als auch die des Städtischen Schlachthof Laufen berichten, dass die Möglichkeit der hofnahen Schlachtung gut angenommen werde, in erster Linie von kleinen Bauern, die das Fleisch selbst vermarkten. Die Schlachtbox-Betreiber sind EU- und Bio-zertifiziert und informieren transparent über ihre Zahlen. Die Mitglieder der EG Schlachtvieh haben bisher 43 Rinder auf diese Weise schlachten lassen (September bis Dezember 2023: 29 Tiere; Januar bis März 2024: 14 Tiere; etwa 80 % Bio). Franz Eder, der EG-Vorsitzende, ist überzeugt, dass das Schlachten mit der mobilen Box für die Direktvermarkter eine gute Werbung ist. Aufgrund der positiven Erfahrungen und dem großen Einzugsgebiet der EG mit rund 2500 Mitgliedern werde überlegt, einen zweiten Anhänger anzuschaffen.
Am Schlachthof Laufen, wo in der Regel nur montags geschlachtet wird, kann die mobile Box montags gebucht werden. Von Juli 23 bis März 24 sei die Box zwölf Mal im Einsatz gewesen, weiß Elke Fuchsgruber vom Bauhof-Team, von gleich vielen Bio- und konventionellen Betrieben. Höfe, die die Dienstleistung einmal genutzt haben, hätten diese auch in der Folge genutzt, „Wiederholungstäter“ eben.
Infos bei
der Erzeugergemeinschaft für Schlachtvieh Traunstein w. V., Telefon
0861/120 41, www.eg-traunstein.de und beim Schlachthof
Laufen, Telefon 08682/954495, www.stadtlaufen.de.
Artikel von Karin Kleinert aus der Südostbayerischen Rundschau vom 22.04.2024