Artikel aus der PNP, Autor Christoph Kleiner
Die Mitmachbereitschaft der Städte und Gemeinden ist groß.
Mit fünf bis sechs Kommunen hatte Gerhard Merches anfangs gerechnet. Mittlerweile aber weiß der BN-Kreisvorsitzende und BINT-Aktivist mehr als ein Dutzend Städte und Gemeinden hinter sich. Er sei zuversichtlich, 70 bis 80 Prozent der Landkreiskommunen überzeugen zu können, sagte er am Mittwochabend im Burghauser Bürgerhaus, wo BN und BINT ihre Pläne vorstellten.
Ziel: Verdopplung der Bio-Produktion bis 2020
Vertreter zweier bereits bestehender Öko-Modellregionen hatte Merches dafür gewinnen können, dazu die Zuständige des Amts für ländliche Entwicklung, Katharina Niemeyer. Sie klärte die Zuhörer im vollbesetzten Gartensaal über die Rahmenbedingungen auf. So hat der Freistaat 2012 die Öko-Modellregionen im Zuge der “BioRegio Bayern 2020″ eingeführt, eine Initiative, die unter anderem eine Verdopplung bayerischer Bio-Erzeugnisse bis 2020 vorsieht.
Zwölf Öko-Modellregionen gibt es bislang. Kommendes Jahr sollen mindestens sechs neue hinzukommen. Das Interesse ist groß: 27 Anwärter gibt es Niemeyer zufolge. Bis 31. Januar bleibt Zeit, um auf eine erste Interessensbekundung ein konkretes Konzept folgen zu lassen. Nur so geht es in die engere Auswahlrunde, in deren Verlauf bis Anfang April entschieden werden soll, welche Region den Zuschlag und damit staatliche Förderungen erhält.
Mit jährlich 75000 Euro, ausgelegt auf zwei Jahre mit Aussicht auf Verlängerung um weitere drei Jahre, fällt der Zuschuss zwar nicht allzu üppig aus, doch versprechen sich die Verantwortlichen davon eine Initialzündung. Das Geld dient im Wesentlichen dazu, eine Projektmanagerstelle zu schaffen und über diese Maßnahmen anzuleiern. 25000 Euro müssen die beteiligten Kommunen beisteuern.
In der kleinsten bayerischen Öko-Modellregion, bestehend aus den Gemeinden Schwindegg und Buchbach im Landkreis Mühldorf, hat Rosa Kugler den Posten inne. Seit 2014 kümmert sie sich darum, dass an Schulen und Kindergärten das Thema Bio-Verpflegung vorankommt, dem Nachwuchs Natur und Ökolandbau nähergebracht werden, die biologische Vielfalt wächst und die Bio-Landwirte der Region Abnehmer für ihre Erzeugnisse finden.
Noch ein Stück professioneller hat sich die Öko-Modellregion Waginger See-Rupertiwinkel aufgestellt. Marlene Berger-Stöckl und ihre Mitstreiter haben es nicht nur geschafft, den Bio-Anteil an den örtlichen Betrieben innerhalb von fünf Jahren von knapp sieben auf fast zwölf Prozent zu steigern, sie haben auch der Landwirtschaft insgesamt zu einem deutlich positiveren Image verholfen. Damals, beim Start, habe alles nur über die schlechte Wasserqualität des Waginger Sees und die mitverantwortlichen Bauern geschimpft. Mittlerweile aber sei das komplett verdrängt worden durch Positivberichte, auch in überregionalen Medien, so Berger-Stöckls Bilanz.
Bis es soweit war, hatten die Projektmanagerin und die Landwirte jede Menge Pionierarbeit zu leisten. Schließlich sind die Öko-Modellregionen nicht als staatliches Rundum-Sorglospaket gedacht. Der Freistaat will vielmehr nur zur Eigeninitiative anregen.
In Waging und Umgebung hatten die Planer damit Erfolg. Eine Reihe an Landwirten liefert mittlerweile Getreide zum Müsli-Produzenten Barnhouse nach Mühldorf und erhält dafür einen Kaufpreis, der über Bio hinaus auch der regionalen Herstellung Rechnung trägt. Ähnlich ist es bei Senfkörnern für Byodo, oder bei Braugerste für ein Bio-Bier von Steiner.
Spezielles Brot aus urtümlichem Laufener Landweizen, werbewirksam verpackt in Flaschen, oder auch “Waginger See Kas” und Fleisch von Pinzgauer Rindern verzeichnen dank der Hilfe von Touristikern wachsenden Absatz. Und selbst ein Teil der konventionellen Landwirte sitzt mit im Boot – über einen koordinierten regionalen Eiweißanbau.
Freilich: Auch die Möglichkeiten der Öko-Modellregionen sind begrenzt, wie Marlene Berger-Stöckl ausführt. Und der Bio-Markt sei längst knallhart. Entsprechend professionell müssten die Verbünde agieren. Im Waginger Fall etwa haben die Barnhouse-Lieferanten eine moderne Lagereinrichtung aufgebaut, um den Müsli-Produzenten das ganze Jahr über mit qualitativ hochwertigem Dinkel beliefern zu können.
Nur bedingt haben die Beteiligten Einfluss auf das Verbraucherverhalten. Die wenigen Biomilch-Abnehmer unter den heimischen Molkereien würden mangels Nachfrage schon seit Jahren keine neuen Lieferanten mehr annehmen, räumt Berger-Stöckl ein. Insgesamt sieht sie dennoch große Wachstumschancen im Bio-Segment. Das Verbraucher-Bewusstsein müsse eben weiter geschärft werden. Denn es sei nicht hinnehmbar, dass in Österreich Bio-Produkte 20 Prozent Marktanteil schaffen, während sie in Bayern nicht über fünf Prozent hinaus kämen.
Initiative setzt auf Industrie und Kantinen
Für den Landkreis Altötting sehen die Initiatoren von BN und BINT in dieser Sache gute Voraussetzungen. Nicht nur, weil die Industrie für hohe Kaufkraft sorgt. Sondern auch, weil in deren Kantinen enormes Potenzial stecke, wie BINT-Sprecher Toni Dingl findet. Annähernd 20000 Menschen würden tagtäglich über Kantinen verköstigt. Ein einziger Bio-Tag pro Woche könnte für hohe Nachfrage sorgen.
Die Kantinen ins Boot zu holen, ist nur eine Idee aus einer Sammlung, welche die Initiatoren aktuell zusammentragen. Im Januar soll das Konzept unter Federführung der Stadt Burghausen an die Staatsregierung gehen – mit der Hoffnung auf Berücksichtigung. Schließlich denken im Landkreis mittlerweile selbst einst scharfe Kritiker der Öko-Pläne um. So räumte im Kreistag zuletzt sogar Landrat Schneider ein, dass er ein solches Projekt zunehmend positiv sehe. “Jetzt glaube ich es auch schon fast”, sagte er auf entsprechende Nachfrage der Grünen. – ckl