Als Kernauftrag der Ökomodellregionen stand von Anfang an ganz oben, den Anteil der Bio-Betriebe deutlich zu erhöhen. Das ist auch gelungen, auf inzwischen knapp 12 % der landwirtschaftlichen Betriebe. „Von 2016 bis 2018 wirkte der begrenzte Bio-Milchmarkt beschränkend für uns“, so die Managerin Marlene Berger-Stöckl, „aber für 2019/20 scheint sich nach aktuellen Marktdaten wieder ein besseres Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage einzustellen. Wir hoffen, dass in den nächsten drei Jahren wieder mehr Milchviehbetriebe auf bio umstellen können. In jedem Fall sollte eine Umstellung aber nur mit einem Abnahmevertrag einer Molkerei erfolgen“.
Wenn die Anzahl von biologisch produzierenden Bauern – und das gilt beileibe nicht nur für die Milch – ansteigt, dann muss es auch geeignete Absatzmöglichkeiten für die heimischen Bioprodukte geben, und das Preisniveau muss stimmen. Genau diese Verbesserung von „Wertschöpfungsketten“ macht den größten Teil der Arbeit der für die Ökomodellregion verantwortlichen Personen aus, der hauptamtlichen ebenso wie der ehrenamtlichen.
Biozertifizierter Schlachthof wichtige Maßnahme
Für war es den Absatz von Biofleisch in der Region eine wichtige Maßnahme, dass der kommunale Schlachthof Laufen für Schlachtung und Zerlegung dank tatkräftiger Hilfe der Stadt unter Teamleitung von Geschäftsführer Christian Reiter biozertifiziert worden ist. Von diesem Schritt kann die Landwirtschaft in der Region nur profitieren. Darum hat sich die Tochterfirma der EG Schlachtvieh Traunstein, die Regionalrind, finanziell beteiligt und möchte für den kleinen regionalen Schlachthof mit der Biofleischvermarktung eine höhere Auslastung generieren. „Wir müssen jetzt gemeinsam daran arbeiten, Absatzwege für Biorindfleisch vor Ort zu entwickeln“, so Hans Grabner von der EG Schlachtvieh in Traunstein. „Da fehlt uns zum Teil noch die Infrastruktur. Betriebe, die nach Alternativen zur Milchviehhaltung suchen, aber weiter Tiere halten wollen, denken über eine extensive Haltung von Bioweiderindern nach. Das kann funktionieren, aber nur, wenn unsere Bürger diese tiergerechten Haltungsformen übereinen fairen Preis für den Landwirt honorieren“.
Der Aufbau der Dachmarke „Waginger-See-Kas“ für Biokäse von Hofkäsereien ist gemeinsam mit dem Tourismusverband Waginger See erfolgreich begonnen worden. „Hier geht es weniger um einen Absatzweg für Biomilch, dafür sind die Mengen zu klein, aber um das Angebot von naturnahem Biokäse direkt aus der Region“, so Hans Praxenthaler, ein Biokäseerzeuger aus Fridolfing. „Der Absatz der mobilen Käserei Chiemgau hat sich seither mindestens verdoppelt, auch weitere kleine Käsereien wie z.B. die Bioziegenbetriebe von Maria Frisch in Wonneberg und von Monika Obermaier aus Fridolfing profitieren davon“.
Pionierarbeit im Ökoackerbau
„Wir wollen unseren Gästen zeigen, dass es besondere Spezialitäten in der Ökomodellregion gibt“, ergänzt Eva Gruber vom Tourismusverband Waginger See. „Dazu gehört neben dem Kas auch die Waginger See Hoibe, das Ökokörberl mit Bio- und regionalen Schmankerln und Angebote, bei denen der Gast mit Landwirten in Kontakt kommt, wie z.B. bei unseren Hofladentouren oder über die Biogenussradltouren. Mit der Ökomodellregion setzen wir viel stärker als bisher auf Genuss aus der Region, und deshalb haben wir uns auch sehr über die diesjährige Auszeichnung als Genussort gefreut, gemeinsam mit Fridolfing“, so Gruber. „Das hat uns vor kurzem einen Auftritt auf der Messe „Food and Life“ verschafft, der einen hohen Werbewert für unsere Region hatte“.
Im Ökoackerbau wurde geradezu Pionierarbeit geleistet. Mit dem Anbau von Bio-Braugerste in einer erfolgreichen Kooperation mit der Schlossbrauerei Stein hat sich seit 2015 ein gutes Dutzend Landwirte aus der Ökomodellregion und Umgebung ein neues Standbein geschaffen. Die „Waginger See Hoibe“ der Schlossbrauerei ist als erstes heimisches Biobier erfolgreich auf den Markt gebracht worden. „Mir macht es großen Spaß, dass ich in meinem Hofladen jetzt viele Produkte anbieten kann, in die direkt meine Erzeugnisse eingeflossen sind“, so Andi Maier, ein junger Landwirt aus Tittmoning-Waldering. „Ich bin an fast allen Kooperationen beteiligt, bei Braugerste, Dinkel, Hafer, Senf und eventuell bald auch beim Laufener Landweizen“. Im Gemeinschaftslager in der Mussenmühle wird für alle an den Kooperationen beteiligte Biolandwirte das Getreide entsprechend gelagert und behandelt, was nur dank der sehr guten Zusammenarbeit mit der Schlossbrauerei und der Besitzerfamilie der Mühle möglich war.
Für Biodinkel und Biohafer wurde in Kooperation mit der Ökomodellregion Isental und der in Dorfen ansässigen Verbraucher- und Erzeugergenossenschaft „Tagwerk“ ein Vertrag mit dem Müslihersteller Barnhouse abgeschlossen. Rund ein Dutzend Landwirte aus der Ökomodellregion Waginger See-Rupertiwinkel liefern Dinkel und Hafer zu einem überdurchschnittlich vergüteten Preis, der von einer neu gegründeten Erzeugergemeinschaft alle drei Jahre ausgehandelt wird. Das Projekt umfasst inzwischen mehr als 40 Landwirte mit rund 1000 Tonnen Biohafer und 500 Tonnen Biodinkel. Es gibt mittlerweile sogar schon Wartelisten für Landwirte.
In Sachen Ölsaaten liefern bis zu neun Bauern Biospeisesenf aus Gemengeanbau an die Mühldorfer Firma Byodo. Heuer soll erstmals der Reinanbau von Senf erprobt werden, um die Mengen zu steigern. Auch der Anbau von Leindotter, einer alten Ölpflanze, hat begonnen. Kooperationen mit den benachbarten Ölmühlen sollen ausgebaut werden.
Renaissance alter Kulturgetreidesorten
Insgesamt könnte, wie Berger-Stöckl sagt, der Anbau von Biogemüse, Biokräutern und weiterer stark nachgefragter Produkte als Alternative zu den üblichen Betriebstypen weiter gefördert werden. Ein besonderes Projekt dabei ist die Renaissance des sogenannten Laufener Landweizens: Zum Erhalt dieses ehemals charakteristischen sehr extensiven Urgetreides aus der Region ist ein Projekt mit zwölf Landwirten auf bayerischer Seite angelaufen - in Zusammenarbeit mit der Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege Laufen und oberösterreichischen Partnern. Der Absatz über regionale Bäcker - wie z.B. Wahlich in Surheim, Neumeier in Teisendorf oder Unterreiner in Fridolfing – und über Brauereien hat ebenfalls bereits begonnen.
„Urgetreide und alte Kultursorten wie der Laufener Landweizen sind Trend, weil sie über wertvolle Inhaltsstoffe verfügen, und in den extensiven Kulturen blühen noch Wildkräuter oder brüten Vögel“, so Berger-Stöckl. „Unsere Region will Ideen entwickeln, wie wir uns mit heimischen Schätzen wie dem Laufener Landweizen oder Fleisch vom Pinzgauer Rind, das eine Waginger Metzgerei vorbildlich vermarktet, noch stärker identifizieren können. Dafür brauchen wir innovative Gastronomen und sind deshalb froh über das neu geschaffene Biowirtenetzwerk mit Betrieben in Waging und Teisendorf“. „Für uns als Sterne-Haus ist die Biozertifizierung ein toller Erfolg, denn eine wachsende Gruppe an Gästen achtet auf hohe Qualität und umweltbewusste Herstellung der Produkte“, so Michi Stöberl, Geschäftsführer vom Gut Edermann. „Das schärft unser Profil als gehobenes Landhotel“.
Ein weiterer Schwerpunkt der Ökomodellregion betrifft den Obstanbau und dessen Verwertung. Die Pflanzung von 1500 Streuobstbäumen in der Ökomodellregion war ursprüngliches Ziel der ersten sieben Gemeinden, davon ist knapp die Hälfte bereits erreicht. Von 1.500 geplanten neuen Streuobstbäumen ist die Hälfte bereits gepflanzt. Wichtigste Partner dabei sind der Landschaftspflegeverband (LPV) und die Kreisfachberatung für Gartenbau. Der LPV führt inzwischen die Biosammelzertifizierung für Nicht-Biolandwirte, die ihren Obstanger nach Biorichtlinien bewirtschaften, durch. Damit kommen auch konventionelle Betriebe in den Genuss höherer Preise für Bioobst. „Wir spielen uns die Bälle zu“, so Jürgen Sandner vom LPV Traunstein, „wir kümmern uns um die Abwicklung der Biosammelzertifizierung, die Ökomodellregion kümmert sich um neue Absatzwege. Naturnahe Obstgärten sind für viele Arten wichtige Lebensräume und bereichern das Landschaftsbild. Für Bio-Keltereiobst lassen sich bessere Preise erzielen, der Obstanbau wird wieder rentabler“.
Weitere erfolgreich umgesetzte Projekte ergänzen die großen Schwerpunkte. Die Salzachklinik in Fridolfing setzt seit 2015 etwa 20 Prozent regionale Bioprodukte ein und ist damit Vorreiter in der Region. Weiters haben sich kleine Verarbeiter in der Ökomodellregion neu gegründet: Es gibt Kochkurse mit saisonalen Bioprodukten aus der Region, eine Biogenusskiste vom Waginger See, ein Bioflaschlbrot aus Laufener Landweizen und eine Genussmanufaktur, die Biofertiggerichte aus regionalem Urgetreide und regionale Öle verarbeitet. Eine gegenseitige Vernetzung der Biodirektvermarkter wurde etabliert, zum Beispiel bei regionalem Biokäse in heimischem Sonnenblumenöl. Und die Gemeinden haben ein Ökomodellregions-Körberl in ihre Geschenkeliste aufgenommen.
Ein Ziel der Ökomodellregion besteht auch darin, Importsoja vermehrt durch heimisches Eiweißfutter zu ersetzen. Daran arbeitet eine sehr beständige Arbeitsgruppe, die regelmäßige Infoveranstaltungen und Felderbegehungen organisiert. Und nicht zuletzt sucht die Ökomodellregion mit Infoständen bei Märkten und Gewerbeschauen sowie Veranstaltungen den Kontakt mit der Öffentlichkeit. Hier bringen sich Mitarbeiterin Jessica Romstötter und Bärbel Forster als Sprecherin der AG Ernährung mit vielfältigen Aktionen ein: „Wir wollen praktische Ernährungsbildung machen, wie zuletzt beim „Bayerischen Superfood im Winter“ in Kirchanschöring. Das reicht bis zur Mitarbeit an Schulen und in Ferienprogrammen“.
Auch die Kommunen selbst waren nicht untätig. Nach der Erstellung des gemeinsamen Tourismuskonzepts für die Ökomodellregion 2017 soll heuer das ökologische Pflegekonzept für die kommunalen Grünflächen über eine Leader-Kooperation beantragt werden. „Damit tun wir aktiv etwas für den Schutz von Bienen und Schmetterlingen auf den kommunalen Flächen“, meint Matthias Baderhuber, frischgebackener Erster Bürgermeister von Waging. Die 2015 gefassten Beschlüsse zur Ökomodellregion werden so Schritt für Schritt mit Leben erfüllt.
Netzwerk wird stetig größer
Vieles ist schon erreicht worden, aber die „Vorsätze“ für die nächsten drei Jahre sind gleichwohl umfangreich. „Wir werden manchmal gefragt, warum sich in unserer Ökomodellregion so viel bewegt“, so Hans-Jörg Birner, Bürgermeister von Kirchanschöring und Vorstandssprecher. „Das liegt wohl daran, dass unser vielfältiges Netzwerk stetig wächst, vom Bauern bis zum Lebensmittelhandwerk, von Verarbeitern bis zu interessierten Bürgern, von Kooperationen mit weiteren Regionalinitiativen wie Leader oder ILE bis zur aktiven Mitarbeit der Gemeindeverwaltungen. Es ist uns wichtig, offen zu bleiben für neue Ideen. Wir freuen uns sehr über diese breite Unterstützung.“
„Die Ökomodellregion steigert die Attraktivität unserer Region auf vielfältige Art und Weise, und damit ist sie auch ein Wirtschaftsfaktor geworden“, so Martin Fenninger, Bürgermeister von Wonneberg. „Mir ist in den letzten Jahren bewusst geworden, wie wichtig solche ökologischen Themen auch für uns als Gemeinde sind“.
Artikel aus der Südostbayerischen Rundschau vom 23.02.2019, Hans Eder