Freilich braucht es da auch Pioniere, die sich auf die alten Kulturpflanzen einlassen, wie Franz Obermeyer aus Tengling. „Es hat bei uns keiner mehr Lein, Hirse, Einkorn oder braune Linsen angebaut“, erzählt der 59-jährige Demeter-Landwirt. Seit 20 Jahren verbreitet er die alten Sorten wieder im Chiemgau. Da er nicht alles selber kultivieren kann, gründete er 1998 eine Erzeugergemeinschaft mit mittlerweile 30 Bauern aus dem Umkreis von 50 Kilometern. „Eine tolle Sache. Die Verbraucher bekommen ein regionales Produkt, die Felder sind ausgeschildert, und unter www.lustaufbrot.de kann man die Bäcker aufrufen.“
Solche Wertschöpfungsketten sind Vorbild für die zwölf bayerischen Ökomodellregionen. 23 weitere Regionen haben sich für dieses Förderprogramm des Freistaats beworben, das die Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung ökologischer Produkte zum Ziel hat und ökologische Projekte mit Gemeinden und Landwirten anstoßen soll.
Als erste Region in Bayern wurde die Gegend um den Waginger See 2014 „Ökomodellregion“. Deren Koordinatorin Marlene Berger-Stöckl freut sich, dass in den nächsten drei Jahren noch alle zehn Gemeinden des Zusammenschlusses mit dabei sind und das Öko-Bewusstsein stetig wächst. „Der Tenglinger Bäcker Ernst Wenig mit seinem ,Tenglinger Heimatbrot' hat sich jetzt auch biozertifizieren lassen“, erwähnt sie stolz ein aktuelles Ergebnis ihrer unermüdlichen Überzeugungsarbeit.Alte Getreidesorten könnten auch das Problem der durch überzüchteten Weizen geförderten Gluten-Sensitivität entschärfen, da sie verträglicher sind.
Den ans feuchte heimische Klima angepassten „Laufener Landweizen“ entdeckte Simon Angerpointner (64) aus Taching bereits 1978 bei einem Weizenzüchter nahe Trostberg. „Ich war begeistert und habe gefragt, ob ich einige Ähren bekomme. Die habe ich mit meinem Bruder vermehrt und zur Gaudi ein bisserl angebaut, als Reminiszenz an unseren durch die Gebietsreform verloren gegangenen Landkreis Laufen.“
Als erster Bäcker in der Region nutzt Michael Wahlich (47) seit vier Jahren den „Laufener Landweizen“ in seiner Surheimer Backstube. Er wird nur wenige Kilometer entfernt von der Familie Lecker aus Laufen angebaut und in der nahen Surmühle in Oberteisendorf gemahlen.
Mit seiner Frau Barbara kam er, damals ihr Arbeitskollege, in der Angerer Bäckerei Wolfgruber auf die Bio-Schiene. Vor sechs Jahren machten sich die Eltern von zwölfjährigen Zwillingen in der 1936 von Barbaras Großeltern eröffneten Bäckerei selbstständig. Aus dem Landweizen, der nussiger schmeckt als anderes Getreide, knetet der Bäcker Brote, Semmeln und Nussschnecken. Auch mit anderen wertvollen Mehlen und Saaten wie Einkorn, Dinkel, Leinsamen oder Buchweizen bäckt er gern und bekommt diese von Franz Obermeyer geliefert.
Die Ökomodellregion fördert solche Vernetzungen. Auch beim Bio-Hanfbauer Hans Posch aus Nussdorf bei Traunstein und seinem Nachbarn Hans Niedl mit seiner Chiemgauer Ölmühle ist diese geglückt. Seit er „Effektive Mikroorganismen“ (EM) für Silage und Stall verwendet, ist dem 50-jährigen Landwirt bewusst, dass es ohne Chemie geht. Die Hanf-Pflanze lockert den Boden und ist komplett verwertbar. Einen Teil seiner Ernte lässt er schälen und verkauft den zum Kuchenbacken bestens geeigneten Schälhanf in seinem Hofladen und an „Bettinas Keimbackstube“ in Palling.
Weil er sich gern gesund ernährt und Leinöl schnell ranzig wird, hatte Hans Niedl (62) die Idee, dieses einfach selber zu machen. Mit einer Nachbarin und deren Freundin kaufte er sich 2009 eine Ölmühle. Aus der Eigenbedarfs-Mühle wurde dank Mundpropaganda bereits nach drei Monaten ein Nebengewerbe. Inzwischen ist er demeter-zertifiziert und presst auch Leindotter-, Hanf- und Senföl. Auch für Menschen mit Laktose-Intoleranz bietet die Ökomodellregion Gesundes und Leckeres, etwa die Ziegenprodukte von Monika und Alois Obermaier aus Fridolfing.
Die kreative Bäuerin würzt ihren Frischkäse und eingelegten Käse aus der Milch ihrer 100 Ziegen mediterran, ungarisch oder indisch und empfiehlt die Ziegenmolke als Wohltat für die Darmflora und das Immunsystem. Und was wäre „Superfood“ ohne Grünes, gerade im Frühling, das in den beiden Gewächshäusern des „Bio-Michi“ üppig gedeiht. Der 32-jährige Gemüsebauer stammt aus einem Milchviehbetrieb in Watzing bei Kirchanschöring, wo er seit elf Jahren einen Laden hat. Auf zehn Hektar baut Michael Steinmaßl 40 bis 50 verschiedene Gemüsekulturen an.
Der Bioland-Landwirt hat auch einige Murnau-Werdenfelser-Rinder in Mutterkuhhaltung und somit seinen eigenen Dünger. Zum Artenschutz trägt er mit vielerlei Initiativen, wie einer Hecke aus Wildobststräuchern, bei. Steinmaßls vier kleine Kinder, um die sich derzeit vor allem seine Frau Eva kümmert, wachsen mit diesem Bewusstsein auf. Andere müssen es erst lernen.
Darum engagiert sich die Pensionärin Bärbel Förster im Ökomodellregions-Arbeitskreis „Ernährungsbildung“. Überwältigt war sie vom Erfolg des jüngsten Workshops „Heimisches Wintergemüse als Superfood“ mit 70 Teilnehmern. Im Sommer ist ein ähnliches Event mit Getreide geplant.
Direktvermarkter und Kontakte
Infos über die Ökomodellregionen gibt es unter www.oekomodellregionen.bayern, darunter eine Erzeugerliste mit bioregionalen Produkten. Die vorgestellten Akteure sind im Internet zu finden unter www.chiemgauer-oelmuehle.de, www.boden-schatz.net, www.attlsbioziegnhof.jimdo.com, www.lustaufbrot.de, www.bäckereiwahlich.de und www.bio-michi.de. Yvonne Liebl lädt am 28. Mai und am 4. Juni jeweils zu einem Abendkurs „Ess dich gesund – voll gepackt mit Powernährstoffen“ ein, siehe www.esspedition-liebl.de. Ein Buch mit dem Titel „Bayerisch Superfood“ ist unter www.diehauswirtschafterei.de erhältlich.
Rezept:
Frühlingspower-Salat aus der Ökomodellregion Waginger See - Rupertiwinkel
Für 2 Personen
Zutaten: 1 große Tasse „Bayerischer Reis“ Perl-Dinkel, Emmer oder Einkorn, 2 große Tassen Wasser, 1 TL Echte Gmias Supp´n (Chiemgauer Genussmanufaktur), etwas Salz, Pfeffer, 3 EL Bio-Apfelessig, 2 EL Bio-Apfelbalsam-Essig (od. 1 EL Apfelsaft & 1 TL Honig), 1,5 TL Senf, 3 EL Bio-Hanföl, 1 kleine Karotte, ein paar Blätter junger Spinat, 1 Hand voll Radieschen.
„Bayerischen Reis“ im Wasser mit Gmias Supp´n und einer Prise Salz ca. 20 Min. köcheln lassen, dann ca. 10 Min. mit Deckel quellen lassen. Aus Essig, Senf und Hanföl Dressing rühren, mit Salz und Pfeffer abschmecken. Unter erkalteten „Bayerischen Reis“ geraspelte Karotte und klein geschnittenen Spinat und Radieschen geben, mit Dressing verrühren. Schmeckt gut durchgezogen. Vor dem Servieren kann man frischen Rucola und Asia-Mix-Salat dazugeben und mit Schälhanf und Kresse garnieren. Dazu passen gut ein frisches Brot aus Laufener Landweizen und eingelegte Ziegenkäsewürfel.
Guten Appetit!
Rezept von Jessica Romstötter
Artikel aus dem Magazin „Die Bayerin“ 1/2019 von Veronika Mergenthal