„Heimische Biomilchprodukte haben hohe Gehalte an gesundheitsfördernden Omega-3-Fettsäuren, und sie beruhen auf hohen Tierwohlstandards. Nicht zuletzt ist es essentiell für den Erhalt möglichst vieler Milchbauern und unseres Landschaftsbildes, wenn ein Bioprodukt bester Qualität in der Region größtmöglich wertgeschätzt wird“, so Berger-Stöckl. „Eine Umstellung auf Bio mit dem Anspruch, viel eigenes Grundfutter und wenig zugekauftes Kraftfutter einzusetzen, beruht nicht auf maximaler Milchleistung. Für die Tiere ist das langfristig schonender, und es führt für alle Landwirte, ob bio oder konventionell, mittelfristig zu einer Entlastung am allgemeinen Milchmarkt“. Dazu gehört es manchmal auch, neue Absatzmärkte zu finden – aktuell in Form von heimischem Bio-Milchpulver für regionale Schokoladen.
Aus Biomilch entstehen süße Leckereien
Hans Englschallinger bewirtschaftet zusammen mit seiner Frau Dorothee den Herzog-Hof in Kay bei Tittmoning, ihre rund 50 Kühe – „meine Mitarbeiterinnen“, wie der Landwirt sagt - produzieren Bio-Milch. Die Arbeit auf einem landwirtschaftlichen Betrieb, zumal wenn er biologisch bewirtschaftet wird, ist nicht gerade ein Zuckerschlecken; trotzdem möchte er nicht tauschen. Was ihn dabei immer wieder „aufpäppelt“, das ist die Freude am Wachsen und Werden der Natur, wie er sagt. Und neuerdings wird seine Arbeit dadurch versüßt, dass auch aus seiner Biomilch Schokolade entsteht – sowohl in den Produkten des Fair-Handelsunternehmens Gepa, das für das Bio&Fair-Schokoladensortiment die „Naturland Faire Biomilch“ der Molkerei Berchtesgadener Land verarbeitet, wie auch in denen der Chiemgauer Genussmanufaktur von Astrid Günther in Freutsmoos.
Zudem darf sich die Familie Englschallinger mit ihren drei Kindern Evi, Juliane und Vitus glücklich schätzen, ihren Aussiedlerhof in einer Lage gebaut zu haben, die ihresgleichen sucht – am Panoramaweg (der Name sagt schon alles aus) in Kay mit einem Blick weit ins Land hinein, über die Kirchtürme von Törring und Weildorf hinweg auf die imposante Kulisse der Chiemgauer und Berchtesgadener Berge. Diese außergewöhnliche Lage des Hofs durfte vor kurzem auch eine Runde aus Personen genießen, die in unterschiedlicher Weise mit dem Thema Landwirtschaft und Milch befasst sind. Marlene Berger-Stöckl hatte hierher zu einem runden Tisch zum Thema Biomilchmarkt eingeladen. Positiv sei, so ihre Eingangs-Feststellung, dass der Absatz von Biomilch deutschlandweit und auch in der Region prozentual weiter steigend sei, teils sogar zweistellig. Allerdings sei der deutsche Biomilch-Anteil insgesamt mit einem Anteil von rund fünf Prozent der Milchprodukte noch sehr ausbaufähig.
Daher halten sich die Molkereien, die Biomilch annehmen – in der Region im Wesentlichen die Milchwerke Berchtesgadener Land in Piding und die Andechser Molkerei Scheitz GmbH – mit neuen Lieferverträgen derzeit etwas zurück. Wie Barbara Steiner-Hainz von der Pidinger Molkerei informierte, würden derzeit vor allem Bauern aufgenommen, denen dies in der Vergangenheit bereits zugesagt worden sei. Dies bedeute aber keineswegs einen Aufnahme-Stopp: Ihren Angaben zufolge seien 2015 13 Betriebe, 2016 und 2017 je 22 und 2018 13 Bio-Betriebe neu aufgenommen worden. Speziell gesucht sei aktuell Milch von Demeterbetrieben; davon seien heuer bereits elf neu dazugekommen. Insgesamt kommen laut Barbara Steiner-Hainz von den 320 Millionen Kilogramm Milch, die pro Jahr in Piding angeliefert werden, immerhin schon rund 100 Millionen aus biologischer Produktion. Beim Absatz kämen besonders Milch, aber auch zum Beispiel das Bio-Kindersortiment gut an, wie etwa der „Alpenzwerg“, ein biologischer, nur leicht gesüßter Fruchtjoghurt
„G´schmackige Ideen aus Bio-Rohstoffen“
Bei der Suche nach weiteren Absatzmöglichkeiten für Biomilch in der Ökomodellregion ist Marlene Berger-Stöckl in Kontakt gekommen mit der Chiemgauer Genussmanufaktur. Diese kleine Freutsmooser Firma, gegründet von Astrid Günther, erarbeitet mit viel Begeisterung und Qualitätsbewusstsein immer wieder neue, „g‘schmackige“ Produkt- und Rezeptideen aus Bio-Rohstoffen, die, soweit möglich, direkt von Erzeugern aus der Region bezogen werden. Und da gibt es neuerdings Schokoladenprodukte, die unter Verwendung von Milchpulver aus Biomilch der Molkerei Berchtesgadener Land hergestellt werden – also aus der Milch von Bauern in der hiesigen Region, etwa vom Hof der Familie Englschallinger, zudem mit Spezialitäten wie heimischem Hanf von dem innovativen Biobauern Hans Posch aus Nußdorf. Marlene Berger-Stöckl findet es „eine ganz tolle Sache“, dass hier regionale Milch in diesen Schokoladenprodukten verwendet wird: „So kann man Milch in ganz verschiedenen Formen genießen, und auch unsere Geschenkkörberl aus der Ökomodellregion profitieren davon.“
Naturlandberater Stephan Scholz, der beruflich bedingt die Milchmarktentwicklung ständig im Blick hat und selbst nebenher eine mobile Käserei betreibt, fasst die Lage auf dem hiesigen Biomilch-Markt wie folgt zusammen: „Viele Betriebe würden gern umstellen, aber die Molkereien können derzeit noch nicht alle interessierten Betriebe aufnehmen. Die große Leistung unserer Molkereien in den letzten Jahren war es aber, mit ihrer konsequent am Absatz ausgerichteten Aufnahmestrategie den Biomilchpreis auch in Krisenzeiten sehr stabil zu halten.“
Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage
Berücksichtigt man die übliche Umstellungszeit für einen Milchviehbetrieb von rund zwei Jahren, lohne es sich allmählich wieder, über eine Umstellung auf Bio nachzudenken. „Wir rechnen ab 2020 mit einem Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Biomilchmarkt, neu umgestellte Betriebe können in der Regel ab 2021 liefern“. Allerdings solle nur mit Abnahmevertrag umgestellt werden.
Scholz‘ Appell richtet sich an die Verbraucher, sich noch mehr als bisher für heimische Biomilch-Produkte zu entscheiden. Zwar werde allmählich immer mehr Biomilch konsumiert, „aber die Leistungen der Biolandwirte, die sie für diese höchste Produktqualität erbringen, sind vielen Bürgern noch gar nicht bewusst. Ein Mehrpreis von zehn Cent pro Liter Biomilch für den Biolandwirt deckt nur den Mehraufwand ab, den der Landwirt über Umweltleistungen wie den konsequenten Verzicht auf Spritzmittel zum Beispiel gegen Ampfer erbringt, was mit viel Handarbeit verbunden ist. Der Biolandbau leistet außerdem maßgebliche Beiträge zur Artenvielfalt.“
Für Hans Englschallinger war das eines seiner tragenden Motive für die Umstellung seines Hofs auf Biomilch, die er 2015 vorgenommen hat. „Ich habe gemerkt, dass mir die Ausbringung von Spritzmitteln gesundheitlich nicht gut tut, und mir Gedanken zu Alternativen gemacht. Im Biolandbau braucht man Zeit, um an den Hof und eigenen Boden angepasste Lösungen zu finden, aber für uns ist dieser Weg jetzt genau der richtige geworden. Viel Freude macht es mir, Lieferant für eine genossenschaftlich organisierte Molkerei zu sein; denn hier ist man Mitbesitzer und hat grundsätzlich mehr Mitspracherecht als wenn man reiner Milchlieferant bleibt“.
Als Vorsitzender des VlF, des Verbandes für landwirtschaftliche Fachbildung, setzt er sich ehrenamtlich für die Weiterbildung seiner Fachkollegen ein und greift dabei vom Thema erneuerbare Energien bis Biodiversität alle aktuellen Dinge mit auf: „Mir ist es wichtig, hier auch eine Vermittlerrolle zwischen bio und konventionell wahrzunehmen“. So ist er maßgeblich daran beteiligt, für interessierte Bauer Umstellungsseminare anzubieten. 2016 gab es bei einer solchen, gemeinsam mit dem Landwirtschaftsamt in Traunstein veranstalteten Treffen einen unerwartet großen Erfolg. „Rund 320 Teilnehmer sind zu einer Veranstaltung in Palling gekommen.“
Naturland-Berater Stephan Scholz stellte in einem abschließenden Statement fest, dass der Ökomodellregion Waginger See-Rupertiwinkel „der enge Draht zu Bauern und Vermarktern hervorragend gelungen“ sei, was nicht zuletzt mit den hiesigen Akteuren zu tun habe. Für das stetige Wachstum gebühre den verantwortlichen Leuten ein „Riesenlob“; denn solch ein Projekt sei kein Selbstläufer. Marlene Berger-Stöckl gab das Lob weiter: „Wir haben dermaßen gute Leute in der Ökomodellregion, darunter viele Bauern, die vorwärts denken und sehr innovativ und aufgeschlossen sind. Und die Gemeinden tragen das Engagement mit.“ Ein Problem dabei sei lediglich die Tatsache, dass nicht alles zu schaffen sei, was an guten Ideen an sie herangetragen werde.
„Ökomodellregion gut für Tourismus“
Hochspannend“ seien die Projekte der Ökomodellregion, meinte Evi Gruber, die Leiterin der Tourist-Info Waging: beispielsweise die Wiederbelebung des Anbaus vom Laufener Landweizen oder die Wiesenprämierung. Mitgewirkt hat die Waginger Tourist-Info auch bei der Fixierung einer Dachmarke für Biokäse, bei der Entwicklung der Waginger-See-Hoibe und der Bio-Genussradltour. Viele dieser Initiativen befruchteten auch die „traumhafte Urlaubsregion“ um den Waginger See, in der wirkliche Schätze verborgen seien. „Glaubst du, dass deswegen auch nur ein Gast mehr kommt?“ sei eine Frage, die ihr mitunter gestellt werde, so Evi Gruber. Diese Frage lässt sich aus ihrer Sicht eindeutig bejahen: Sie jedenfalls sei davon überzeugt, dass sich viele Menschen von den Aktivitäten der Ökomodellregion angesprochen fühlen, wie zum Beispiel durch regelmäßige Berichte zur Ökomodellregion in Münchner Stadtmagazinen oder vergangenes Jahr bei der Auswahl zu den Genussorten Waging und Fridolfing. Das entsprechend zu vermarkten sei dann die Aufgabe der Tourist-Info, etwa bei Messen und Ausstellungen oder auch bei auf Touristen zugeschnittenen Angeboten rund um die Erzeuger von Produkten in der Ökomodellregion.
Eva Gruber: „In der heimischen Biokulinarik liegt eine schöne künftige Aufgabe für uns. Das reicht vom saisonalen Biokochkurs über Kräuterführungen bis zu Genießer-Speisekarten mit heimischen Bioprodukten, mit denen sich unsere heimische Gastronomie positiv abheben kann. Wir merken das jetzt schon an den Rückmeldungen unseres Biowirte-Netzwerks, die von viel Lob und Begeisterung der Gäste berichten. Aber auch Führungsangebote, die den Leuten Kontakt mit Landwirtsfamilien vor Ort bieten, werden zunehmend gern in Anspruch genommen, gerade auch von interessierten Einheimischen, wie uns die wachsende Teilnahme an den Bioerlebnistagen oder an unseren Hofladentouren zeigt.“
Artikel aus der Südostbayerischen Rundschau und Trostberger Tagblatt von Hans Eder, 22.06.2019