Artikel von Anneliese Caruso aus der Südostbayerischen Rundschau vom 26.11.2019
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Nicht zuletzt die Diskussion um das Volksbegehren „Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern – Rettet die Bienen“ hat deutlich gemacht, dass alle Nutzergruppen etwas für den Erhalt der Arten leisten müssen und zudem Eile geboten ist. Der öffentlichen Hand, also auch den Kommunen, fällt hier eine Schlüsselrolle zu. Denn ihnen obliegt die ökologische Gestaltung und Pflege der kommunalen Grünflächen. Diese Grünflächen, die man an öffentlichen Spielplätzen, Sportanlagen, Friedhöfen oder am gemeindlichen Straßenverkehrsgrün inklusive Straßenbäumen sieht, rücken immer mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit, da sie vielfältige Dienste leisten. Insbesondere tragen sie zur Regulierung des Klimas bei und beherbergen vielfältige Lebens- und Rückzugsräume für Tiere und Pflanzen, welche durch Grünflächenplanung und Pflege geschützt werden müssen. Ein "Ökologisches Grünflächen-Management für Kommunen“, das einer breiten Palette von Anforderungen genügen muss, kann dabei wertvolle Dienste leisten.
Doch dafür brauchen die Gemeinden zunächst einen Gesamtüberblick, ein kartographisches Verzeichnis über die Flächen und eine Übersicht über Pflegezuständigkeiten. Zudem müssen die Nutzung und die notwendigen Maßnahmen eindeutig definiert und der Pflegeaufwand bezüglich Kosten und Arbeitszeit eruiert und offengelegt werden. Damit die Verwaltungen eine klare Übersicht erhalten und einen konkreten Pflegeplan erarbeiten können, benötigen sie fachliche Begleitung und Unterstützung, weil ja beispielsweise im Jahresverlauf unterschiedliche Pflegearbeiten auf den verschiedenen Grundstücken anfallen, die zudem kontrolliert werden müssen.
Ein ökologisches Grünflächen-Management enthält ein Grünraumkataster, das digital erfasst ist und es den Gemeinden wesentlich erleichtert, ihre Flächen, Pflegemaßnahmen und Pflanzungen, besser zu erfassen und zu steuern, was letztlich in einem Planwerk für jede beteiligte Gemeinde mündet. Langfristig können sie damit Pflegekosten reduzieren und die Bepflanzungen an die geänderten Klimabedingungen und Bedürfnisse moderner Pflege anpassen. Konkret heißt dies, dass die Flächen nicht mehr wie bisher nur nach ästhetischen Gesichtspunkten angelegt und instandgehalten werden, damit sie langweilig und „schön aufgeräumt“ ausschauen, sondern so, dass sie pralles Leben bieten und damit die ökologische Funktion erhalten. So soll auch die Natur in Siedlungen eine echte Chance erhalten, damit Kleintiere wie Insekten ausreichend Nahrung und ungestörte Plätze zum Nisten finden.
Für ein gemeinsames Etablieren dieses Ökologischen Grünflächen-Managements haben sich die regionale LEADER-Aktionsgruppe (LAG) „Traun-Alz-Salzachtal“ zusammen mit dem LAG Berchtesgadener Entwicklungsforum und der LAG Chiemgauer Seenplatte schon vor einiger Zeit ausgesprochen. Unter der Federführung von Kirchanschörings Bürgermeister Hans-Jörg Birner wurde eine Konzeptidee erstellt, einen ökologischen Pflegeplan für kommunale Grünflächen in allen beteiligten Gemeinden zu entwerfen. Oberste Prämisse dabei war die partizipative Erarbeitung von Maßnahmen und Zielen. Dadurch kamen Grundstücke von insgesamt rund 322 Hektar, also 3,22 Mio. Quadratmeter zusammen, deren Pflege nach ökologischen Gesichtspunkten weit über die Pflichtaufgaben von Gemeinden hinausgehen. Schon deshalb galt es, das Projekt finanziell gut auszustatten. So stellte Kirchanschöring stellvertretend für die elf Gemeinden der Aktionsgruppen einen Antrag zur Förderung aus dem gemeinsamen EU- und Freistaat-Förderprogramm LEADER, mit dem das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die ländlichen Regionen finanziell fördert. Das für LEADER-Förderungen zuständige Landwirtschaftsamt in Rosenheim bewertete dieses innovative Umwelt- und Artenschutz- Projekt nun als so vorbildlich und förderfähig, dass es ihm nun mit einem Zuschuss von 122.850 Euro entgegenkommt.
Weitere 60.000 Euro legte der Bayerische Naturschutzfonds drauf, der den Kommunen mit Geld für das Engagement um die biologische Vielfalt auf arten- und blütenreichen Flächen unter die Arme greift. Insgesamt darf sich die Region also über mehr als 180.000 Euro an Zuschüssen freuen. Damit lassen sich rund 80 Prozent der Gesamtkosten decken.
Vor kurzem wurde der entsprechende Zuwendungsbescheid in Kirchanschöring übergeben. In Empfang nehmen durfte sie der Vorsitzende der LAG „Traun-Alz- Salzachtal“, Konrad Schupfner, Bürgermeister in Tittmoning, und sein Stellvertreter und Projektleiter, Hans-Jörg Birner.
Über die Förderung freuten sich aber auch Geschäftsführer Stefan Neiber vom LAG Berchtesgadener Entwicklungsforum, das mit der Traun-Alz Salzachtal-LAG kooperiert, sowie Pittenharts Bürgermeister und Vorsitzender der Chiemgauer Seenplatte, Josef Reithmeier, denn alle drei LAGs arbeiten hier in einem Kooperationsprojekt zusammen.
Sebastian Wittmoser, Landwirtschaftsdirektor und LEADER-Koordinator beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Rosenheim überreichte den Zuwendungsbescheid und erinnerte daran, dass es mittlerweile der dritte sei, den er den Kirchanschöringer aushändigen dürfe. Über LEADER sei nicht nur das Bienenhaus, sondern auch die Machbarkeitsstudie zum Regionalwerk Chiemgau-Rupertiwinkel gelaufen. Wittmoser betonte, dass es höchst begrüßenswert ist, dass es diese LEADER-Gruppen gibt, „die so hervorragend zusammenarbeiten“. Hans-Jörg Birner verdiene großen Respekt für seine Leistungen. Das Projekt entspreche voll und ganz den LEADER-Zielen und sei ein wichtiger Beitrag zum Umweltschutz. Wittmosers Lob galt auch der Chiemgauer Seenplatte. Diese LAG habe schon sehr früh damit begonnen, auf kommunaler Ebene etwas für Bienen und Wildbienen zu tun, indem sie das interkommunale Projekt „Die Chiemgauer-Seenplatte blüht auf“ ins Leben gerufen hat.
Birner erläuterte in seinem Grußwort den Sinn des Projekts, das auf einem Vorschlag der Ökomodellregion Waginger See- Rupertiwinkel beruht. Es ergänze die vielen Initiativen, die der Landkreis Traunstein zum Erhalt und zur Verbesserung der Ökosysteme und zum Schutz der Bienen und Insekten leiste. Birner verwies auch auf die bereits laufenden Aktionen der Landkreise Traunstein und Berchtesgadener Land. So nannte er unter anderem den „Blühender Landkreis Traunstein“, „Blühender Landkreis Berchtesgadener Land, „Der Rupertiwinkel summt“ oder „Die Wildbiene schützen“. „Durch die naturnahe Umgestaltung und Umsetzung naturschutzfachlicher Maßnahmen wollen die Gemeinden und Landkreise ihre Vorbildrolle für die Bevölkerung wahrnehmen.“ Gerade mit diesem Projekt stelle man sich den Anforderungen der jetzigen Zeit.
Bürgermeister Konrad Schupfner blies ins gleiche Horn. Zudem bestätigte er, dass es sich um das bislang größte Kooperationsprojekt in der Region handle und schon daher etwas Besonderes sei. Eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit halte er in allen gesellschaftlichen Bereichen für wichtig.
Der Bayerische Naturschutzfonds fördert ebenfalls den Schutz, die Pflege und die Entwicklung von Natur und Landschaft innerhalb des Freistaats. Vorstand Georg Schlapp betonte, das Vorhaben sei ganz im Sinne seiner Organisation. Die Krefelder Studie habe einen erschreckenden Rückgang von Insekten festgestellt. Überall herrsche nun Handlungsbedarf, nicht nur auf landwirtschaftlichen Grundstücken. Die Kommunen seien neben den Naturschutzverbänden die wichtigsten Partner im Kampf gegen das Artensterben.
Stefan Neiber, der die Grüße von BGL-Landrat Georg Grabner übermittelte, erinnerte an die gute Kooperation zwischen der LAG Berchtesgadener Entwicklungsforum und der Traun-Alz Salzachtal und dankte LEADER- Managerin Elke Ott, die viel Arbeit in dieses neue Projekt gesteckt hat.