Artikel aus der Südostbayerischen Rundschau vom 12.12.2019 von Alois Albrecht
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45 Teilnehmer waren der Einladung der Projektleiterin der „Ökomodellregion Waginger See-Rupertiwinkel“, Marlene Berger-Stöckl, zum Thema „Biodiversität – gemeinsame Wege mit der Landwirtschaft“ gefolgt; ein Teil davon traf sich zur Vorexkursion auf dem Hof von Matthias Spiegelsperger in Wimmern bei Teisendorf. Gefolgt waren der Einladung neben vielen Landwirten auch der Leiter des AELF (Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten) Traunstein, Alfons Leitenbacher, der Sachberater am gleichen Amt, Georg Linner, Jürgen Sandner vom Landschaftspflegeverband Traunstein, Beate Rutkowski, Kreisvorsitzende des Bund Naturschutz Traunstein, der ehemalige Pflanzenbauberater Alois Lohwieser und Luise Antwerpen als Vertreterin der Unteren Naturschutzbehörden. Thomas Gasser, 1. Bürgermeister Teisendorfs, meinte zur Begrüßung: „Viele unserer Landwirte mit ihren klein strukturierten Höfen leisten wichtige Beiträge zur Biodiversität, die wir in der Öffentlichkeit noch stärker herausstellen müssen“.
Bei der Besichtigung der seit 30 Jahren bestehenden Hecke in der Nähe des Hofes erläuterte Matthias Spiegelsperger den Nutzen und die Wirksamkeit solcher Hecken für die Biodiversität. Er habe die Hecke mit Zustimmung seines Nachbarn genau auf der Grenze gesetzt Hecken wie diese beugten Bodenerosion durch Witterungseinflüsse, wie Wind und Wasser, vor und böten zahlreichen Insekten, Wildbienen, Vögeln und Kleintieren Unterschlupf. Sie würden nicht nur Verbindungen zwischen Wildtierlebensräumen schaffen, sondern einen Beitrag zur Regulierung des Wasserhaushalts leisten. Mindererträge direkt neben der Hecke würden durch Mehrerträge ein paar Meter weiter oft ausgeglichen, ergänzte Vroni Wolf, Naturlandberaterin. Leider seien solche Hecken weitgehend abhandengekommen, so Luise Antwerpen von der UNB, durch den Zwang zur Bewirtschaftung größerer Flächen und durch ungünstige Förderbedingungen würden sie oft nur noch als Hindernisse wahrgenommen anstatt als ökologische „Hot spots“.
„Schon wenige Jahre nach der Pflanzung sind Goldammer und Neuntöter zurückgekehrt“, so Spiegelsperger, „ihnen haben Brut- und Nahrungsmöglichkeiten gefehlt. Auch für das Aufkommen von Nützlingen sind Hecken wichtig. Viel Arbeit macht es allerdings, wenn ich die dornige Hecke abschnittsweise alle zehn Jahre mit der Hand auf den Stock setzen muss“, so der Biolandwirt, der das anfallende Schnittgut als Hackschnitzel verwertet und daneben seinen Krautacker angesiedelt hat. „Hier könnte man doch eine Patenschaft mit Naturschutzverbänden schließen, um die Landwirte etwas zu entlasten“, schlug Traudl Kraus, eine der Teilnehmerinnen, vor.
„Wenn Landwirte die Freiheit haben, künftig neu angepflanzte Hecken bei Bedarf wieder zu versetzen, sodass die Gesamtlänge an Hecken erhalten bleibt, kämen wir hier einen großen Schritt weiter“, so Raphael Röckenwagner vom Maschinenring Traunstein. „Bisher wachsen die Hecken in den Schutz als Landschaftselement hinein, das schreckt manchen Bauern trotz der ökologischen Vorteile ab“.
Nach der Besichtigung trafen sich die Interessenten im Gasthof Helminger in Rückstetten, um sich dort über bestehende Programme zur Förderung der Biodiversität zu informieren und bisherige Leistungen der Landwirte vorzustellen. Georg Linner stellte bestehende und neue Maßnahmen im bayerischen Kulturlandschaftsprogramm (KuLaP) vor. Martin Dandl aus Waging praktiziert seit langem den Anbau von Zwischenfrüchten als eine der Maßnahmen aus dem KuLaP, denn Zwischenfrüchte schützen vor Erosion, fördern Humusaufbau und Bodenstruktur und sie bringen Abwechslung in seine Fruchtfolge aus Getreide und Mais. Auf geeignete Mischungen und Anbaumethoden für Zwischenfrüchte ging Alois Lohwieser ein.
Luise Antwerpen von der Naturschutzbehörde warb für Maßnahmen des Vertragsnaturschutzes, mit denen der Mehraufwand für besonders wertvolle, häufig nasse Flächen wie z.B. Iriswiesen oder auch Maßnahmen zum Kiebitzschutz gefördert würden, die allerdings an eine Gebietskulisse gebunden seien. „Diese Flächen sind Teil der Kulturlandschaft und von Landwirten durch die Bewirtschaftung geschaffen worden“, so Antwerpen, „sie enthalten besonders schöne Wildblumen“. „Die Förderung für die Pflege von Streuwiesen hat sich zum Glück verbessert“, so Hans Abstreiter, Landwirt aus Rückstetten, der selbst mehrere Streuwiesen pflegt, „auch wenn die Pflege mühsam bleibt, weil das Mähgut nach dem Schnitt auf anderen Flächen getrocknet werden muss. Ich mache das aber aus Überzeugung“. „Es gibt einige moderne Stallsysteme, für die noch Einstreu verwendet werden kann“, meinte Berger-Stöckl, „solche Ställe wären ein wichtiger Beitrag, um Streuwiesen auch künftig zu erhalten“.
„Als Waldbesitzer plädiere ich auch für das Vertragsnaturschutzprogramm Wald“, warf Leonhard Straßer aus Wonneberg ein. „Mit Nichtstun kann ich hier Geld verdienen, mit dem Stehenlassen und Fördern von Totholz und Biotopbäumen“, so der Sprecher des Agrarbündnisses Traunstein-Berchtesgadener Land.
„Wir brauchen noch weitere Landwirte, die sich mit Landschaftspflege ein Standbein aufbauen“, appellierte Jürgen Sandner vom Landschaftspflegeverband Traunstein. Vorbildliches Beispiel sei eine große Streuwiese südöstlich des Waginger Sees, die heuer gemeinsam mit Nebenerwerbslandwirt Matthias Junger und der Zustimmung weiterer Grundstücksbesitzer entbuscht, entschilft und aufgewertet worden sei.
Anhand zweier direkt angrenzender Wiesen mit gleichem Boden auf seinem Betrieb erklärte Alois Lohwieser, wie eine intensive (11 Arten) oder aber eine extensive Bewirtschaftung (49 Arten) zum Artenschwund oder zur Artenmehrung im Grünland beitragen. „Wir brauchen intensive gräserreiche Wiesen, um viel heimisches Eiweißfutter zu erzeugen“, so Lohwieser, „aber jeder Betrieb kann auch kräuterreiches Futter von Extensivwiesen auf seinem Betrieb sinnvoll nutzen“. „5-15 % extensive Wiesen“, das sei das Ziel einer „standortgerechten Grünlandnutzung“, die vom Amt inzwischen propagiert werde, um die akut gefährdeten heimischen Blühwiesen nicht ganz verloren gehen zu lassen, ergänzte Alfons Leitenbacher.
„Von mir aus kann ich als Landwirt auch gern Naturschutz erzeugen anstatt Lebensmittel“, meinte Anderl Seehuber, der in Waging mit seinem Sohn einen Milchviehbetrieb betreibt, „nur muss es so bezahlt werden, dass wir davon leben können“. Sehr wichtig für die Artenvielfalt sei die klassische Weidewirtschaft, für die sein Betrieb ein Beispiel sei. „Da ist jeder Kuhfladen ein Insektenbiotop und es fällt weniger Gülle an“. Die eher intensive Kurzrasenweide passe für ihn nicht, für ihn sei sein System mit extensiverer Standweide und Koppelwirtschaft ideal.
Beate Rutkowski sprach über die Dringlichkeit einer Vernetzung von Lebensräumen zum Nutzen der Artenvielfalt. Insellösungen hätten nicht die gleiche Wirkung. Dazu zählten neben Hecken auch Baumgruppen, Altgrasstreifen, Totholzinseln, Waldsäume u.a.m. Für dieses Vorhaben seien aber nicht nur Landwirte in der Pflicht, sondern genauso Kommunen und weitere Grundstücksbesitzer.
In seiner Zusammenfassung zu Maßnahmen des Volksbegehrens zur Artenvielfalt meinte Alfons Leitenbacher, es bringe nichts, sich leidenschaftlich für oder gegen dieses Begehren einzusetzen. Viel besser sei es, gemeinsam die Fakten zu begutachten und danach mit effizienten und durchführbaren Maßnahmen überzeugend zu handeln.
Abschließend bedankte sich Marlene Berger-Stöckl herzlich bei allen Teilnehmern für die rege Diskussion und gab ihrer Hoffnung Ausdruck, der Nachmittag würde auch in der Praxis Früchte tragen.