Artikel von Karin Kleinert aus dem Freilassinger Anzeiger vom 13.12.2019
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Wie man sein Geld nachhaltig und ökologisch in der Region anlegen und sich dabei obendrein mit einem heimischen Lebensmittelbetrieb solidarisch zeigen kann, wurde in einem Vortrag zum Thema „Genussrechte“ im Seminarraum der Lokwelt vorgestellt. Die von der Ökomodellregion Waginger See – Rupertiwinkel und dem Amt für Ländliche Entwicklung in Oberbayern initiierte Veranstaltung informierte am Beispiel der Biobäckerei Wahlich aus Surheim, was es mit „Genussrechten“ auf sich hat.
Marlene Berger-Stöckl, die Projektleiterin der staatlich anerkannten Ökomodellregion Waginger See - Rupertiwinkel, sagte bei der Begrüßung, dass die Ökomodellregion, zu der seit 2014 die Gemeinden Fridolfing, Kirchanschöring, Petting, Taching, Tittmoning, Waging, Wonneberg, seit 2016 Teisendorf und Saaldorf-Surheim und die Stadt Laufen gehören, ökologisch wirtschaftende Betriebe und regionale Kreisläufe fördern wolle. Ein solcher Betrieb sei die Bäckerei Wahlich in Surheim, die seit sechs Jahren Biogetreide von Landwirten aus der Region verwende und daneben einen Bioladen und ein Cafe betreibe. Die Familie Wahlich sei auf die Ökomodellregion zugekommen, weil sie sich vergrößern wolle, die dafür nötigen Investitionen jedoch nicht allein stemmen könne. Also habe sie beim Amt für Ländliche Entwicklung angefragt, so Berger-Stöckl, welche Möglichkeiten es gebe.
Das war quasi die Überleitung zur Vorstellung der Referentin des Abends, Petra Wähning, eine auf „Genussrechte“ spezialisierte freie Projektentwicklerin, die unter anderem auch für das Amt für Ländliche Entwicklung arbeitet. Wähning sprach über die Herausforderungen unserer Zeit, die Globalisierung und Internethandel mit sich brächten. Es wären zwar alle irgendwie miteinander vernetzt, aber die persönliche Beziehung zu den Produzenten sei weitestgehend verloren gegangen. Außerdem sei eine enorme Schieflage zwischen großen Unternehmen und kleinen, regionalen Betrieben entstanden, die man nur mit gemeinschaftlichem Engagement und Solidarität auffangen könne.
Petra Wähning berichtete, wie sie vor zehn Jahren die Idee mit den „Genussrechten“ hatte: Bürger aus der Region können damit in einen heimischen Betrieb investieren, sie werden quasi zur Bank. Die Verzinsung erfolgt in der Regel über den Warenwert, Wähning nennt das „Geld gegen Gaumenfreuden“, es gibt aber auch den Zins in Geld. Bei ihrem Pilotprojekt, einer Käserei in Fischbachau, funktionierte das gut, seitdem habe sie verschiedene Betriebe betreut, unter anderem eine Metzgerei, einen Winzer, einen Landwirt. Danach erklärte sie die Rahmenbedingungen, etwa dass die Gesamthöhe an Genussrechten, die ein Betrieb innerhalb eines Jahres ausgibt, unter 100 000 € liegen müsse. Denn dann entfalle die sogenannte Prospektpflicht, also die Pflicht, umfangreiche Informationen über die auszugebenden Papiere zu veröffentlichen. Außerdem wies sie ausdrücklich darauf hin, dass ein Totalverlust in Höhe der Einlage möglich sei. Dieser „Ernstfall“ sei in den von ihr betreuten Projekten allerdings noch nie passiert. Neben den Chancen, die eine solche solidarische Beteiligungsform biete, stelle sie den Handwerksbetrieb aber auch vor Herausforderungen, wie Petra Wähning ausführte. Es müsste ausreichend Werbung gemacht werden, um genügend Unterstützer zu finden, den Willen, die eigene Wirtschaftlichkeit transparent darzulegen und überhaupt eine große Offenheit gegenüber den Menschen.
Dass sie sich diesen Herausforderungen stellen wollen, zeigten Barbara und Michael Wahlich ganz deutlich, als sie über ihr Vorhaben informierten. Nachdem sie im vergangenen Jahr den Laden kundenfreundlich umgestaltet hätten, sei jetzt die Sanierung der Backstube an der Reihe, so Michael Wahlich, der mit alten Getreidesorten, unter anderem dem Laufener Landweizen, bäckt, weil diese Sorten verträglicher sind als die überzüchteten Weizensorten. Er brauche einen größeren Ofen mit mehr Backfläche, eine größere Knetmaschine und eine größere Kühlfläche für die Teige, damit sie länger reifen könnten, wodurch sie noch bekömmlicher würden. Er und seine Frau, ebenfalls eine gelernte Bäckerin, wollen die Betriebsabläufe optimieren, die Qualität der Biobackwaren weiter steigern, dabei aber klein und überschaubar bleiben. Das Investitionsvolumen betrage rund 90 000 €. Bürger können sich ab einem Genussrecht im Wert von 500 € beteiligen, so der Bäckermeister, dessen Traum, wie er sagt, es seit Kindheit war, eine eigene Bäckerei zu betreiben. Jeder Anleger darf maximal fünf Genussrechte erwerben. Als Zinssatz gibt es 1 % als Geldzins oder 3 % als Warengutschein. Die Laufzeit des Genussrechtes beträgt mindestens fünf Jahre, danach hat man die Möglichkeit, sie zu kündigen. Als Sicherheit verwies Barbara Wahlich auf die eigene Immobilie: Bekanntlich befindet sich die Biobäckerei im Gebäude der ehemaligen Bäckerei von Josef und Therese Loidl, ihren Großeltern.
Gegen Ende der informativen Veranstaltung bestand noch ausreichend Zeit, detaillierte Fragen zu stellen, die umfassend beantwortet wurden. Nachdem einige Backwaren probiert werden konnten, bekamen die interessierten Zuhörer, die meisten davon Stammkunden der Surheimer Bäckerei, noch eine Mappe mit allen relevanten Anlegerinformationen und Genussrechtsbedingungen mit auf den Nachhauseweg.
Wer für die Infoveranstaltung keine Zeit hatte, sei auf einen Beitrag in der Sendung „mehr/wert“ des Bayerischen Fernsehens verwiesen, mit dem Titel „Neue Zinsmodelle: Genussrechte im Trend“, der in der Mediathek angeschaut werden kann. Link zur BR Mediathek
Dort wird neben der Bäckerei Wahlich auch der Bio-Gemüsebauer Michael Steinmaßl aus Kirchanschöring vorgestellt, weithin bekannt als „Bio Michi“, der seinen Bioladen ebenfalls mit der Ausgabe von Genussrechten erweiterte.