2019 kam ein weiteres Gewächshaus hinzu. Hier ist das Besondere, dass das Gemüse nach ökologischen Anbaumethoden erzeugt wird. An einem Novembervormittag 2019 dürfen die Öko-Modellregionen Waginger See – Rupertiwinkel und Inn-Salzach mit einer Gruppe heimischer Landwirte, Verarbeiter und Verbände das Bio-Gewächshaus von Florian Steiner besichtigen. Der Geschäftsführer erklärt, dass regulär keine Besichtigungen für Besucher möglich sind. Die Gefahr, dass Schaderreger über Kleidung und Haut eingeschleppt werden, ist zu groß. Deswegen hüllen sich gleich zu Beginn alle Besucher von Kopf bis Fuß in Schutzkleidung. Bei tropisch warmen Verhältnissen, mitten im November, beginnt die Führung.
Der Duft vom warmen Boden und das erdige Aroma, das die Tomatenpflanzen abgeben, liegen allen in der Nase. Florian Steiner erläutert, mit welchen Kniffs und Tricks es gelingt, gesunde Pflanzen mit aromatischen Früchten für den bayerischen Lebensmitteleinzelhandel zu erzeugen. Der Clou: Es wird ohne synthetische Dünger und synthetische Pflanzenschutzmittel gearbeitet.
Der Boden – Grundlage für Kreisläufe im ökologischen Gemüseanbau
Erzeugt werden Bio-Tomaten, Bio-Paprika und Bio-Gurken. Im Zentrum aller Kulturen steht der Boden. Die Jungpflanzen werden direkt in den Ackerboden gesetzt, auf dem das Gewächshaus steht. Dabei ranken die tiefgrünen Pflanzen bis zu 5 Meter in die Höhe. Das Geheimnis für gesunde Pflanzen: Hofeigener Natur-Dünger! „Wenn der Boden versorgt ist, sind die Pflanzen versorgt“. So kann komplett auf Nährstoffe aus chemisch synthetischem Dünger verzichtet werden. Florian Steiners Naturdünger besteht hauptsächlich aus Ernteresten und Bio-Schafwoll-Pellets. Die Herstellung des Kompostes am Betrieb ist mühsam und kostspielig. Tägliches Wenden, Bewässern und eine genaue Temperaturüberwachung sind wichtig. Nach drei Monaten ist der Kompost fertig. Dieser wirkt wie ein Schwamm im Boden, der betriebseigene Nährstoffe und Wasser bindet, das Bodenleben gesund hält und Nährstoffe bedarfsgerecht an die Pflanzen abgibt. Das große Plus ist, dass Kompost, anders als chemisch synthetische Dünger, dazu beiträgt, CO2 von der Atmosphäre in den Boden zurückzuholen. „Das ist Klimaschutz und Lebensmittelerzeugung auf dem gleichen Quadratmeter“.
Natürliche Helfer
Eine große Herausforderung ist im Ökolandbau der Umgang mit Schädlingen. Bio- Gemüsebauern sind verpflichtet, komplett auf Insektizide zu verzichten. Hier gilt, „der frühe Vogel fängt den Wurm“. Eine Chance hat Florian und sein Team nur, wenn täglich akribisch darauf geachtet wird, ob sich Schädlinge ansammeln. Im Fall der Fälle setzt Florian auf natürliche Helfer – so genannte „Nützlinge“. Es werden heimische Insekten wie Schlupfwespen, Raubmilben und Florfliegen ausgesetzt, um Schädlinge wie etwa Blattläuse, Spinnmilben und Weiße Fliege zu bekämpfen. Eine kostspielige Variante. Aber sein Team ist speziell auf den Einsatz von Nützlingen geschult und die Erfolge lassen für sich sprechen.
Schonung heimischer Trinkwasserreserven
Florian Steiner setzt auf geschlossene Bewässerungssysteme. Dazu wird Regenwasser von Dächern und Kondenswasser aus den Gewächshäusern gesammelt. Dies ermöglicht einen vollständig autarken Wasserhaushalt. So kann in den immer trockener werdenden Jahren (Trink)Wasser für die Trinkwassergewinnung verbleiben.
Überregionale und regionale Vermarktung
Für den Biohof Kirchweidach stehen der Geschmack und die Qualität der Früchte an oberster Stelle. Dass die Verbraucher das ganze Aroma der Früchte bekommen, beruht auch auf dem regionalen Absatz. Denn kurze Wege und die Ernte im Vollreifezustand machen es möglich, die gute Qualität zu halten. Unmittelbar vor Ort verpackt geht das Gemüse an alle REWE-Märkte im bayerischen Raum.
Viele Verbraucher wissen den Mehrwert zu schätzen und fragen explizit nach dem regionalen Bio-Gemüse. Aktuell gibt es, über die REWE hinaus, noch keine regionale Vermarktung im Landkreis Altötting und Traunstein. Es wäre eine Chance, wenn mithilfe der Öko-Modellregionen Wertschöpfungsketten mit Großküchen in der Region etabliert werden könnten.
Erwartungen auf den Kopf gestellt
Nach zwei Stunden rauchen die Köpfe der Besucher. Es stellt sich die Frage, wie klein Bio-Gemüseanbau wirklich sein muss, damit Bio authentisch ist. Und gleichzeitig, wie groß ein Hof sein muss, um an den Lebensmitteleinzelhandel und Großküchen liefern zu können. Bis zu welcher Grenze geht eigentlich „regional“? Und kann ein Kreislaufgedanke im Sinne der Nachhaltigkeit im großen Stil genauso gut funktionieren wie auf dem klassischen kleinbäuerlichen Bio-Bauernhof?
Die im Landkreis Altötting ansässigen Kantinen, an denen täglich mehrere tausend Mahlzeiten ausgegeben werden, benötigen große Mengen Gemüse – aus einer Hand. Die Besucher halten fest, dass der BioHof Kirchweidach mit seinen großen Strukturen als Beispiel dienen kann, um hier „einen Fuß in die Tür zu bekommen“. Somit entstünde die Chance, dass auch kleinere Betriebe, in Zusammenarbeit mit den Öko-Modellregionen, in die Belieferung von Großküchen einsteigen können.
Der Bericht stammt von Amira Zaghdoudi, Projektmanagement ÖMR Inn-Salzach. Die Exkursion wurde von beiden Ökomodellregionen, Waginger See-Rupertiwinkel und Inn-Salzach, gemeinsam organisiert.
Download als pdf hier.
Biohof Kirchweidach
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