Zum Inhalt springen

Alte Babenhauser Dinkelsorte kommt zu neuen Ehren

Was es mit dem ”Zuchtveesen" auf sich hat

Projekte: Bio-Ackerbau, Ökolandbau erleben
Bio-Landwirt Michael Königsberger aus Westerheim Ist einer der Bauern, die die alte Dinkelsorte Babenhauser Zuchtveesen" zunächst in kleinen Versuchsmengen anbauen.
Bio-Landwirt Michael Königsberger aus Westerheim Ist einer der Bauern, die die alte Dinkelsorte Babenhauser Zuchtveesen" zunächst in kleinen Versuchsmengen anbauen.
© Rebecca Schweiß
Babenhausen. Hinter dem Begriff ”Babenhauser Zuchtveesen" steht keine Sammlung früherer überkommener Erziehungsmethoden im Fuggermarkt. Auch eine spezielle Pferderasse, deren Ursprung im hiesigen Reitverein zu suchen wäre, geht an der korrekten Bedeutung vorbei. Es handelt sich vielmehr um eine besondere, früher nur hier im Günztal vorkommende Dinkelsorte. In dieser Zeit wurde Dinkel auch als ”Veesen" oder in anderer Schreibweise als ”Fesen" oder ”Vesen" bezeichnet.

Der Babenhauser Zuchtveesen, der aktuell das Interesse der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschft (LfL) auf sich zog, wurde in einem Saatenarchiv der Deutschen Genbank für Kulturpflanzen in Gatersleben mit Einlagerung aus dem Jahre 1923 gefunden. Dass überhaupt nach solchen alten Sorten gesucht wurde, liegt an der Verabschiedung des Biodiversitätsprogramms Bayern 2030 ”Natur Vielfalt Bayern". Für Dr. Klaus Fleiß11er, der von der LfL mit der Sammlung von historischem, landwirtschaftlichem Sortenmaterial in Bayern beauftragt wurde, sind die alten Landsorten von großer Bedeutung: ”Die Vielfalt unserer landwirtschaftlichen Nutzpflanzen sowie das Wissen über deren Anbau, Vermehrung und Nutzung sind ein bedeutender Teil unseres kulturellen Erbes." Denn diese, so Dr. Fleißner weiter, wiesen oft eine größere genetische Heterogenität auf als die modernen Hochleistungssorten.

Genetische Vielfalt sei eine grundlegende Voraussetzung für zukünftige Nutzungen und züchterischen Fortschritt. ”Einmal verloren gegangene biologische Vielfalt ist nicht wieder herstellbar." Deutschlandweit, so Fleißner, seien bereits etwa 90 Prozent der Getreidesorten verschwunden. Im Günztal wurden insgesamt drei Landwirte gefunden, die den ”Babenhauser Zuchtveesen" versuchsweise anbauen. Einer von ihnen ist Michael Königsberger aus Westerheim. Es sind vorerst nur kleine Flächen und Mengen, die angebaut werden. Erst nach der bald anstehenden Ernte wird sich zeigen, welche Eigenschaften die alte Dinkelsorte mit sich bringt. Da das Saatgut aus der ”biozid-freien" Zeit der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts stammt, also noch ohne chemische Pflanzenschutzmittel auskam, ist davon auszugehen, dass die Sorte eine größere Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten zeigt als die heutigen Hochleistungssorten.

Bio-Bauer Königsberger hat auf einer Fläche, halb so groß wie ein Fußballfeld, den "Babenhauser Zuchtvesen" angebaut. Er rechnet mit der Ernte Anfang August. Wegen der relativ kleinen Mengen Königsberger erwartet etwa vier bis fünf Zentner - lässt sich die Ernte nur mit einem sehr kleinen Mähdrescher einbringen. Die Stiftung Kulturlandschaft Günztal sowie die neu geschaffene ”Öko-Modellregion Günztal" in Ottobeuren unterstützen die LfL bei diesem Biodiversitätsprogramm ”Natur Vielfalt Bayern". Sie betreuen die teilnehmenden Landwirte und suchen derzeit nach Partnern, die das ”alte" Korn verarbeiten. Das wird nicht so einfach wie bei der herkömmlichen Getreideverarbeitung. Der übliche Mühlenbetrieb ist nicht auf eine so geringe Ernte ausgelegt. Und schließlich soll noch ein Bäcker, möglichst aus der Region Babenhausen, gefunden werden, der den ”Zuchtveesen" zu schmackhaftem Dinkel-Brot oder den klassischen schwäbischen Seelen verarbeiten und backen kann. ”Im Herbst wissen wir dann mehr", freut sich Peter Guggenberger-Waibel, der das Projekt bei der Stiftung Kulturlandschaft Günztal leitet. Damit wäre man dann dem Ziel eines verbraucherorientierten Ansatzes mit regionaler Wertschöpfungskette einen deutlichen Schritt näher.

Artikel von Tom Otto, LEBEN in der Region Babenhausen, Ausgabe August/September 2020 vom 28. Juli 2020
Vorherige Nachricht Nächste Nachricht