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Praxisbeispiele für nachhaltiges Wirtschaften

GWÖ-Regionalgruppen veranstalteten Online-Diskussion für und mit Unter-nehmern

Projekt: Öffentlichkeitsarbeit
Barbara und Michael Wahlich hinter ihrer Ladentheke voller Käse-, Semmel-, Kuchenprodukte
Barbara Wahlich von der gleichnamigen Bio-Bäckerei in Surheim erläuterte in der Diskussion, wie sich mit Hilfe tatkräftiger Unterstützung durch Kunden und ein Genussrechte-Modell Neuinvestitio-nen finanzieren ließen
© Karin Kleinert
Moderatorin Judith Zahn hob eingangs hervor, dass die Praxisbeispiele Mut machen und Perspektiven aufzeigen sollen, wie sich ökologisch-soziales Handeln und ökonomische Ziele im Sinne der GWÖ miteinander in Einklang bringen lassen. Für Rückenwind und Unterstützung soll ergänzend der Aufbau regionaler Unternehmer-Netzwerke sorgen.

Der Wirtschaftspädagoge Markus Mosig von der BKK ProVita in München zeigte auf, wie man als Dienstleitungsunternehmen bei Ausschreibungen Einfluss auf mehr Nachhaltigkeit in den Lieferketten nehmen könne. Das Unternehmen sei als erste klimaneutrale und gemeinwohlbilanzierte Krankenkasse Vorreiter in Deutschland. Bereits 2014 habe die Kasse die Energieversorgung auf 100 Prozent Ökostrom umgestellt. Von der Neuausrichtung der Druckerzeugnisse im letzten Jahr auf einen nachhaltigen Zentraldruck mit Recyclingpapier habe ein Berater aus Kostengründen abgeraten. Nach einer entsprechenden Angebotsausschreibung lägen die Kosten dieser Position jetzt sogar unter dem Niveau davor. „Durch die Nachfrage nehmen wir Einfluss auf eine ökologische Produktion“, erklärte Mosig.
Barbara Wahlich von der gleichnamigen Öko-Bäckerei aus Surheim erläuterte, wie sich anstehende Neuinvestitionen für einen neuen Brotbackofen und eine Kühlanlage zur Optimierung der Arbeitsabläufe mit Hilfe von Genussrechten durch Kunden realisieren ließen. Unterstützend für das Kleinunternehmen war die enge Kooperation mit der Ökomodellregion Waginger See-Rupertiwinkel und dem Amt für ländliche Entwicklung. Nach frustrierenden Kreditabsagen bei der Bank konnte durch die Ausgabe von maximal fünf Anteilsscheinen zu je 500 Euro pro Anleger die Gesamtinvestitionen von rund 100.000 Euro gestemmt werden. Rückgezahlt werden die „Bürger-Kleinkredite“ mit einer Verzinsung von drei Prozent in Form von Naturalien („Geld gegen Gaumenfreuden“) oder mit einem Prozent in Geldform. „Unsere Unterstützer konnten sich alles anschauen und freuen sich mit uns“, erläuterte Barbara Wahlich.

Timm Jelitschek arbeitet als freier Kurator für Nachhaltigkeitstransformation in Holzkirchen und als Digitalisierungsmanager bei der Tegernseer Tal Tourismus. Im Münsterland hat er bereits ein Netzwerk von solidarischen Unternehmen aufgebaut, die das gemeinsame Interessen am Gemeinwohl sowie an einer sozialen und ökologischen Ausrichtung verbindet. Wie er beim Unternehmergespräch erläuterte, möchte er seine Erfahrungen jetzt in neuen Kooperationen und Netzwerkgruppen „Solidarische Unternehmen“ im Oberland, im Bereich Rosenheim und in der Region Chiemgau/Rupertiwinkel einbringen. Ziel der ehrenamtlich organisierten und spendenfinanzierten Arbeit ist der Erfahrungs- und Wissensaustausch bei festen monatlichen Präsenz- und Onlineterminen sowie bei Vorträgen, Workshops und Betriebsbesichtigungen.
In den Diskussionen erläuterte Markus Mosig von der BKK ProVita, dass rund 97 Prozent der Ausgaben von zehn Milliarden Euro, die täglich im deutschen Gesundheitswesen bewegt werden, staatlich reguliert seien. Trotzdem ließe sich auch der kleine Gestaltungsspielraum für einen nachhaltigen Einfluss auf die Lieferketten nutzen.
Barbara Wahlich beleuchtete unter anderem im Gespräch mit einem interessierten Banker die bürokratische Antragshürden sowie Details, Vorzüge und Risiken des Genussrechte-Modells für Kunden und Bäckerei. Immerhin konnte man durch die Arbeitserleichterung heuer auch eine neue Lehrstelle schaffen.

Infos zu weiteren Unternehmertreffen gibt es unter https://www.solidarische-unternehmen.de/bayern/.

Axel Effner, Südostbayerische Rundschau vom 27.03.2021
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