Anfang November hatte die Öko-Modellregion Rhön-Grabfeld zu gleich zwei Veranstaltungen zum Thema Bodenfruchtbarkeit eingeladen. Am Mittwochabend, den 6.11.2019, referierte Dr. Wilfried Hartl von der Bioforschung Austria, ein Bodenexperte mit jahrzehntelanger Erfahrung in diesem Bereich, zum Thema „Zwischenfruchtanbau unter Trockenstress“ vor etwa 120 Zuhörern im Bräustüble, Waltershausen. Am Donnerstag und Freitag, den 7. und 8.11.2019, fand das zweitägige Betriebsentwicklungsseminar „Bodenfruchtbarkeit und Humusaufbau“ in Sulzfeld/Großbardorf statt.
Dem Pressetext der Rhön- und Saale -Post finden Sie hier: Seminar in Rhön-Grabfeld_ Mit Bodenfruchtbarkeit dem Klimawandel begegnen _ rhoenundsaalepost.de
und hier kommt ein ausführlicher Bericht:
Das Thema Trockenstress ist gerade in den letzten Jahren erkennbar wichtig geworden. Viele sowohl konventionelle als auch biologische Landwirte kamen zum Vortrag am 6.11., so dass der Saal im Bräustüble bis auf den letzten Platz besetzt war. Die Landwirte folgten dem fast dreistündigen Vortrag Hartls mit gebannter Aufmerksamkeit. Dabei lockerte der Referent seinen Fachvortrag immer wieder mit eigenen Erfahrungen, kleinen Erzählungen und gut gemeinten Provokationen auf.
Seine erste Empfehlung an die Landwirte war, auch im Winter die Niederschlagsmenge zu messen. Unter optimalen Bedingungen kann der Niederschlag vollständig im Boden gespeichert werden und ermöglicht auch dann gute Erträge, wenn zur Vegetationsperiode der Regen länger als erwartet oder erwünscht ausbleibt. Durch den Einsatz des Striegels können im Frühjahr die Kapillaren gebrochen werden, so dass möglichst wenig der Winterfeuchte aus dem Boden verdunstet. Voraussetzung für einen guten Ertrag ist außerdem ein sehr umsichtiger Umgang mit dem Boden, eine Förderung von Regenwürmern, die durch ihre Gänge das Wasser in den Boden eindringen lassen und wichtige Funktionen beim Aufbau von Dauerhumus haben. Ein höherer Humusgehalt führt wiederum zu einer höheren nutzbaren Feldkapazität mit mehr Porenvolumen und damit zu mehr pflanzenverfügbarem Wasser. Ein guter, poriger Boden hat feine Kapillaren. Durch diese kann auch Grundwasser in höhere Bodenschichten aufsteigen – ein komplexes System, welches möglichst gut genährt und möglich wenig gestört werden sollte: ernährt in erster Linie durch organische Substanz, die den Bodenlebewesen in Form von Zwischenfrüchten bereitgestellt wird, und wenig gestört durch eine angepasste, nicht zu tiefe Bodenbearbeitung, durch langsames Fahren und möglichst geringe Gewichte auf dem Acker.
Ackerkulturen, die tief wurzeln, haben mehr Zugang zu Wasser. Ihnen voran steht die Luzerne (Wurzeln bis 8 Meter Tiefe), aber auch Sonnenblume, Weizen und Mais wurzeln tief. Außerdem ist zu beachten, dass die meisten Pflanzen in Symbiose mit Mykorrhiza leben, das sind Pilzgeflechte im Boden, die ganz feine Fäden haben und so Nährstoffe und Wasser besser aufschließen können, als die Pflanzenwurzeln. Mykorrhiza bekommen im Austausch von Mikronährstoffen und Wasser von der Pflanze Nährsaft. Um sie zu schützen, sollte jeder Einsatz von Fungiziden gut überlegt werden.
Ist eine besonders ertragreiche Zwischenfrucht das Nonplusultra, fragte Hartl in die Runde. Die Antwort ist komplexer als vermutet. Zwar wollen die Landwirte durch die Zwischenfrüchte organische Masse erzeugen, aber zum Aufbau der Bodenfruchtbarkeit und der Wasserspeicherfähigkeit des Bodens braucht es vor allem ein großes Wurzelvolumen. Dieses nimmt bei zu hohen Düngegaben ab, der Anreiz tiefer zu wurzeln fehlt einfach. Auch die Pflanzen, so Hartl, sind gerne faul, genau wie die Menschen manchmal. Eine zu hohe Düngegabe ist also für die Bodenfruchtbarkeit eher kontraproduktiv.
Eine weitere Warnung sprach Hartl bezüglich des gerne als Zwischenfrucht verwendeten Senfs aus. Dieser hat nicht nur ein geringes Wurzelwachstum, sondern gast auch besonders viel des in der Pflanze angereicherten Stickstoffs im Laufe des Winters wieder aus. Dieser geht der Folgekultur als Nährstoff verloren und wirkt sich Klima-negativ aus.
Was man denn machen solle, wenn es im Sommer lange Zeit trocken ist und man eigentlich Zwischenfrüchte säen wolle, kam die Frage aus dem Publikum. Hartl erklärte bildhaft, warum es wichtig sei, sich in Geduld zu üben, zumindest bis die obersten 8 bis 10 Zentimeter durchfeuchtet sind. Sind nur die obersten Zentimeter durch einen kurzen Regen angefeuchtet, treibt das Saatgut zwar aus, wurzelt dann aber auf der Suche nach dem Wasser nach oben – statt wie gewünscht nach unten. Die Wurzeln vertrocknen. In diesem Fall ist es besser, mit der Aussaat der Zwischenfrucht entweder bis ca. Mitte August zu warten oder später dann Arten wie Sommerraps, Tritikale und Rüpse zu verwenden, die auch noch spät ins Wachstum kommen.
Nach dem Ende des Vortrags wurde noch angeregt weiter diskutiert.
An den Folgetagen konnte eine kleinere Gruppe von Landwirten in einem zweitägigen Seminar ihr Wissen vertiefen. Beim Betriebsentwicklungsseminar Bodenfruchtbarkeit wurde das Thema Humusaufbau vertieft und den Landwirten Methoden an die Hand gegeben, wie sie ihre eigenen Boden besser beurteilen und einschätzen können. Das Seminar fand im Gasthaus Bärental Sulzfeld – mit Bioverpflegung – und auf dem Unterhof der Familie Schassberger in Großbardorf statt.
Paul Schassberger hatte mit einem Kleinbagger ein gut 2 Meter tiefes Bodenprofil ausgehoben. Hier konnten die verschiedenen Bodenschichten, deren Zustand, die Durchwurzelung und Belebung, z.B. mit Regenwürmern, genauestens studiert werden. Anhand der Fingerprobe wurden die verschiedenen Bodenschichten von den Landwirten analysiert und mittels eines einfachen Nitrattests der Restgehalt an Nitratstickstoff im Boden festgestellt – dieser war gering. Im Herbst sollten keine großen Mengen Nitrat mehr im Boden verfügbar sein, da diese sonst ausgewaschen werden können.
Am zweiten Tag referierte Alana Steinbauer, vom Biosphärenreservat Rhön, zu den Auswirkungen des Klimawandels in Unterfranken: Bei insgesamt längerer Vegetationsperiode wird die Temperatur steigen, die Sommer-Niederschläge abnehmen, aber kurzzeitige Starkniederschläge nehmen zu. Doppelt wichtig also, mit einer guten Bodenstruktur vorzubeugen um stärkere Erosionsverluste von vornherein auszuschließen.
Max Kainz, Hochschullehrer an der TU München und selbst praktizierender Landwirt im Raum Ingolstadt, erläuterte in seinem Vortrag noch einmal detailliert, wie Humusaufbau und ein fruchtbarer Boden gefördert werden. Anhand von Studien stellte er vor, dass ein reduzierter Pflugeinsatz (nur alle 3 bis 4 Jahre) zu einer besseren Bodenstruktur, mehr Regenwürmern und auch einem höheren Ertrag führt. Am Nachmittag erklärte Max Kainz den Landwirten, wie sie mittels der Spatenprobe relativ unkompliziert wichtige Informationen über den Zustand ihrer Böden erhalten, auf deren Grundlage dann Entscheidungen zur Folgebewirtschaftung getroffen werden können.
Dem regnerischen Wetter trotzend erhielten die Landwirte viele Informationen, praktische Anleitungen für Tests und Anregungen zur Umsetzung auf dem eigenen Betrieb. Das Seminar war ausgebucht, nicht alle Interessenten hatten einen Platz erhalten.
Das Betriebsentwicklungsseminar Bodenfruchtbarkeit wurde gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im Rahmen des Bundesprogramms Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN).