Dass ein Weinbauer in der so genannten Baierwein-Region bevorzugt auf Rotwein setzt, wurde in der Vergangenheit nicht selten mit einem Augenzwinkern als avantgardistisch bewertet. Franz Luttner setzte eins obendrauf, indem er vor beinahe zehn Jahren auf konsequenten biologischen Anbau umsattelte. Sein flausenhafter Einfall Nummer drei: Rosé-Sekt, hergestellt nach der méthode champenoise.
Flausenhaft ist die aufwändige Herstellung des Rosé-Sekts allemal, und doch von Erfolg gekrönt. Der Tropfen, den Bayerns Weinpapst Hermann Mengler wie folgt beschreibt: „… lachsrot, feine Perlage, mit tiefem, aristokratischen Geschmackserlebnis“, ist eine Bereicherung für die deutsche Weinkultur. Und tatsächlich erlesen. Grundvoraussetzung ist eine sehr gute Qualität der handverlesenen Trauben, die in einem Labor überprüft wird. Erst wenn aus dem Labor ein Daumen-hoch kommt, kann mit der Herstellung des Rosé-Sekts begonnen werden.
Drei Viertel Acalon, ein Viertel Johanniter
Die Herstellung kurz und knapp: Der schon gegorene Rosé-Wein, ein Cuvée, gewonnen aus drei Vierteln der Rebsorte Acalon und einem Viertel Johanniter, wird zu einer Sekt-Produktions-Firma in Würzburg geliefert. Hier wird er in Edelstahlfässer umgefüllt und mit Champagner-Hefe versetzt. Nun muss er ein halbes Jahr in den Fässern lagern, bevor er in Flaschen umgefüllt werden kann und – täglich handgerüttelt – weiter reifen kann.
Der Hefepfropf, der sich während der sechsmonatigen Lagerung bildet, wird dann durch das so genannte Degorgieren entfernt. Dabei werden die Flaschen so weit in ein Kältebad getaucht, dass die im Flaschenhals gesammelte Hefe zu einem Pfropfen gefriert. Nach dem Öffnen des Kronkorkens schießt der eisige Hefe-Pfropf aus der Flasche, um dann, neu verkorkt, zwei bis drei Monate auf dem Kopf stehend weiter gelagert zu werden. Insgesamt reift der Sekt – neben Pi mal Daumen drei Millionen anderer Flaschen – circa neun Monate in einem wunderschönen alten Weinkeller in Würzburg heran, bevor er wieder zurück nach Tiefenthal kehrt.
Ein besonderer Moment für Franz Luttner. Und nicht nur für ihn, sondern auch für seine Frau Doris und die beiden „Kumpel“ Michael Mike Füchsle und Herbert Baumer, die den Winzer seit Jahren – trotz oder gerade wegen seiner Flausen – tatkräftig unterstützen.
„Man kauft den Anspruch!“
Dass man preislich mit großen Herstellern, die weltweit Reste aufkaufen und dann zu Billigpreisen verkaufen, nicht mithalten kann, versteht sich von selbst. „Man kauft den Anspruch!“, präzisiert Michael Mike Füchsle. Allein die Flasche, in die der Rosé-Sekt abgefüllt wird, kostet vier Euro. Hinzu kommt ein Euro für den Korken. Ganz zu schweigen von den Bio-Spritzmitteln, die ordentlich zu Buche schlagen. „Es geht grad um“, zieht Doris Luttner ihr buchhalterisches Fazit.
Neben der Buchhaltung kümmert sich die Hobby-Winzerin um die Vermarktung und den Vertrieb der Weiß- und Rotweine, des Seccos, ein mit Kohlensäure versetzter Wein, und eben die des erstklassigen Rosé-Sekts. Zu finden, zu kaufen und zu trinken gibt es die Tiefenthaler Tropfen in privaten Kellern, in ausgewählten Bio- und Supermärkten, auf regionalen Märkten. Zusätzlich organisiert Doris Luttner Weinverköstigungen und bedient Kunden aus der ganzen Welt, die auf ihrer Durchreise zufällig oder absichtlich an der Baierwein-Region vorbeikommen und spontan an ihrer Haustür klingeln. Ein weiterer Absatzweg ist der Versand, der langsam, aber sicher zunimmt aufgrund der liebevoll gestalteten Webseite www.luttner-weinbau.de. „Wir haben zu tun“, sagt Doris Luttner. Und zwar das ganze Jahr über. Denn der Weinberg verlangt sommers wie winters Aufmerksamkeit, ebenso seine Vermarktung.
Eine kleine Anekdote aus dem zeitigen Frühjahr
Ein Weinbaugebiet, eingebettet in die Ausläufer des Bayerischen Waldes am Rande des Donautales. Ein Weinbauer, gezeichnet von tiefen Sorgenfalten. Bei seinem morgendlichen Gang entlang seiner Weinstöcke entdeckt Franz Luttner an vereinzelten Knospen Löcher. Woher kommen die Löcher?
Nun, die Löcher kommen von Erdraupen, die sich edle Knospen auf einem besonders schönen Fleckchen Erde ausgesucht haben. Verständlich. Aber für die nächsten Wein- und Sektjahrgänge so gar nicht dienlich. Chemische Spritzmittel verwendet Franz Luttner schon seit Jahren nicht mehr, auch mit natürlichen Spritzmitteln will der Weinbauer den erdfarbenen Tierchen nicht an den Pelz.
April, 22 Uhr, Dunkelheit, Leselampe aus, Stirnlampe an und raus auf den Weinberg. Der Drei-Männer-Club Franz Luttner, Michael Mike Füchsle, Herbert Baumer und ihr „Fixstern“ Doris Luttner. Zu viert gehen sie Rebe für Rebe ab, um nach den Tierchen, die Franz Luttner die „stillen Nachtgenießer“ nennt, zu suchen. Hilfreich sind die Markierungen, die Franz Luttner tagsüber an den betroffenen Rebstöcken angebracht hat.
Das Absammeln der Erdraupen ist eine mühsame Arbeit. Man darf den Draht, an denen die Weinstöcke befestigt sind und die Raupen Halt suchen, nicht berühren. Sonst fallen sie auf die Erde und sind nimmer sichtbar. „In jenen Nächten vor vielen Jahren haben wir insgesamt 400 Raupen gesammelt“, erinnert sich Franz Luttner. Glücklicherweise gab es kein Wiedersehen mehr.
Dafür gibt es Wespen, schwarze Fliegen, Mücken. Und, nicht zu vergessen, viele Schmetterlinge, die manchmal ein wenig berauscht durch den Weinberg schaukeln. Der Weinberg der Luttner’s ist eben ein Paradies für alle
Regional - Biologisch - Handverlesen: Öko-Weine der Familie Luttner
Tiefenthal und die Champagne haben eine Gemeinsamkeit
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