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Ein Vogelbett im Kornfeld

Biobauern schaffen "Lerchenfenster" in Getreidefeldern - Eine Augenweide

Projekte: Bio-Lebensmittel vom Acker, Öffentlichkeitsarbeit
Mitten in ihren Kornfeldern haben die Landwirte die "Lerchenfenster" angelegt.
Mitten in ihren Kornfeldern haben die Landwirte die "Lerchenfenster" angelegt.
© Remmelberger
Bei einer Felderbegehung von Lerchenschutzfeldern mit den Biomalzlieferanten für die Brauerei Stein bezeichnete der Geschäftsführer des Landschaftspflegeverbandes Traunstein, Jürgen Sandner, die Feldlerche als „Charaktervogel unserer Kulturlandschaften“. Wer kennt sie nicht, wenn sie sich neben dem Spaziergänger unvermittelt aus dem Acker erhebt und in der Luft ihr Lied trällert? So vertraut dieser Gesang ist, mit dem sich der kleine Vogel singend bis zu 80 Meter steil in die Höhe schraubt und dabei auf sich aufmerksam macht, so unscheinbar ist das braune Gefieder. Das ist überlebenswichtig für den bedrohten Bodenbrüter, der sonst allzu leichte Beute für eine Vielzahl natürlicher Feinde wäre. In der heutigen Landschaft, die durch eine oft intensive landwirtschaftliche Nutzung geprägt ist, ist die Feldlerche auf eine gewisse Rücksichtnahme durch die Landwirte angewiesen. Zum Brüten ihres Nachwuchses braucht sie nämlich wenig bewachsene, flache Böden, von höherem Bewuchs hält sie Abstand.

Solche Flächen seien immer weniger zu finden, erläuterte Sandner auf dem Bio-Betrieb von Georg Planthaler bei Trostberg. „Zudem sollten in der Nähe möglichst viele Wildkräuter blühen, die von reichlich Insekten besucht werden, mit denen sie den Nachwuchs füttern“, sagte Sandner. Auf Bio-Ackerflächen sei das oft auf gesamter Fläche, ganz ohne separate Blühstreifen, der Fall. Darum freue er sich, dass sich heuer sechs von siebzehn Biobraugerstenbauern der Ökomodellregion Waginger See-Rupertiwinkel an diesem Schutzprogramm der Lerche beteiligen und in ihren Kornfeldern „Lerchenfenster“ angelegt haben. Sandner hat auch ein paar Tipps zum Anlegen dieser Fenster. Man solle pro Hektar zwei Flächen anlegen und einen Abstand zu den Fahrgassen halten, so verhindere man, dass Füchse die Fenster aufsuchen. Zudem sei ein großer Abstand zum Feldrand, zu Gehölzen, Gebäuden oder Strommasten einzuhalten. „Unter anderem nutzen Greifvögel diese Strukturen als Ansitzwarte für die Jagd.“ Was neben den Lerchenfenstern außerdem wichtig sei, sei der Verzicht auf das Striegeln zur Wildkrauteindämmung zwischen Anfang April und Mitte Mai, und bei späterem Striegeln ein ausreichender Abstand zum Lerchenfenster, denn das Gelege ist im angrenzenden Bestand versteckt.

Das Lerchenfenster, das künftig auch auf Wintergetreide ausgeweitet soll, hat also nichts mit Glas zu tun, mit Aussicht aber unter Umständen schon. Denn es handelt sich einfach um eine rund 25 Quadratmeter große Brachfläche mitten im Getreideacker, also um eine Art Bett im Kornfeld für die Vögel.

Um dieses Fenster zu gewinnen, müsse der Landwirt bei der Aussaat zu einem kleinen Trick greifen: „Für ein paar Meter hebt er die Sämaschine an, so dass auf dieser kurzen Strecke keine Getreidesamen auf den Boden gelangen. Die so geschaffene Brachfläche dient dem etwa 16 bis 18 Zentimeter großen Ackervogel später als Biotop“, ergänzte Jan Skorupa vom Landschaftspflegeverband in Altötting. Es habe sich gezeigt, dass sich die Feldlerche in Getreidefeldern vorzugsweise direkt an den Fahrspuren niederlässt, um eine freie Einflugschneise zu haben. „So hilfreich diese zwischen den eng stehenden Halmen sein mag, so gefährlich ist sie auch. Denn Feinde wie die Elstern kommen so sehr leicht an die Gelege heran und stellen eine Bedrohung für die Lerche und ihre Brut dar.“ Sei die Lerche aber, weil es eine Brachfläche mitten im Acker gebe, nicht mehr an solche Spuren gebunden, habe sie wesentlich bessere Überlebenschancen. Das gelte insbesondere für die zweite und dritte Brut im Jahr.

Die Begehung wurde von der Projektleiterin der hiesigen Ökomodellregion, Marlene Berger-Stöckl, organisiert: „Gemeinsam mit unseren Lieferanten für die Schlossbrauerei, dem Landschaftspflegeverband Traunstein, der neuen benachbarten Öko-Modellregion Inn-Salzach, dem Landschaftspflegeverband Altötting und unserem neuen Biobäcker Markus Huber verfolgen wir das gleiche Ziel: den Schutz der Arten und den Erhalt der biologischen Vielfalt durch mehr heimischen Biolandbau“, betonte Berger Stöckl. „Der Biolandbau ist für den Artenschutz prädestiniert, denn durch den Verzicht auf Umweltgifte und mastige Düngemittel findet die Lerche hier nicht nur eine Start- und Landebahn im Lerchenfenster, sondern auch gute Ernährungsbedingungen für die Aufzucht der Küken. Die weniger dichten Bestände im Biolandbau nutzen den Küken, weil sie mehr Luft und Licht bekommen; in zu dichten Beständen können sie nicht aufwachsen“.

Bei diesem Gang zu insgesamt drei Äckern, die als Anschauungsobjekte dienten, nahmen neben einem Dutzend Biobauern aus der Ökomodellregion Waginger See auch die Verbandsspitze des Landschaftspflegeverbands Traunstein mit 1. Vorstand Markus Fröschl und Geschäftsführer Jürgen Sandner teil. Zudem war der Landschaftspflegeverband Altötting durch Jan Skorupa vertreten. Der Altöttinger Landschaftspflegeverband arbeitet aktuell am Projekt „Feldlerche-Jubelchor unter weißblauem Himmel“, das aus der Kampagne „Bayerns Ureinwohner“ stammt, mit der erst vor kurzem neu gegründeten Ökomodellregion „Inn-Salzachtal“ Altötting zusammen, die zu Beginn der Veranstaltung durch die Projektleiterin Annalena Brams repräsentiert wurde. Mit von der Partie war aber auch die Schlossbrauerei Stein, mit Braumeister Markus Milkreiter und Vertriebsleiter Christian Eder. „Auf unserer jährlichen Biobraugerstenbegehung geht es diesmal nicht nur um den Austausch von Anbauerfahrungen und um die Qualität der Biobraugerste, sondern auch um aktiven Artenschutz“, so der Braumeister, der sich von dem wunderschönen Braugerstenbestand von Georg Planthaler begeistert zeigte. „Durch unsere Kooperation mit 17 Biobauern können wir auch für den Lerchenschutz künftig eine Menge erreichen“.

Denn die Lerchenfenster befinden sich vorwiegend auf den Böden, auf denen die Landwirte Bio-Braugerste anbauen, die ihnen die Schossbrauerei Stein in Stein an der Traun nach der Ernte abnimmt, wo sie in der Mälzerei des Bierbrauers landet, damit man sie später beim Brauen von Bio-Bieren verwenden kann. Darüber hinaus unterstützt die Brauerei regelmäßig zahlreiche Naturschutz- Projekte des Landschaftspflegeverbandes Traunstein finanziell, für die es sonst keine Fördergelder gibt. Die Schlossbrauerei in Stein ist also ein wichtiger Partner für die hiesige Ökomodellregion. Deshalb stehen auf der Gerstenfeldern auch Schilder, die auf diese Partnerschaft hinweisen.

Biobauer Andreas Huber aus Wonneberg schlug dann auch vor, diesen Schildern eine Lerchenskulptur aufzusetzen, um verstärkt auf die Lerchenschutz-Initiative aufmerksam zu machen. Auch mit dem Anbringen eines Lerchenbildes auf dem Flaschenetikett der Biobiere könne dies erreicht werden, meinte Huber beim Besichtigen des ersten Bio-Gerstenfeldes bei Georg Plantaler in Kaps/ Heiligkreuz bei Trostberg.

Danach ging es weiter zum Hangacker von Sepp Reiter in Geiselfing 1. Der Biobraugerstenbestand ist heuer zwar etwas lückig, aber mit der Körnerbildung zeigte sich Reiter zufrieden. Zwischen den aufrecht in die Höhe ragenden Halmen wuchsen diverse Kräuter und Blumen, darunter auch der seltene Frauenspiegel, der geschlitztblättrige Storchschnabel oder die Rapunzel. Weil diese Pflanzen auch ein Paradies für Insekten bilden, wird der Tisch der Lerche hier besonders reich gedeckt.

Zur wahren Augenweide hat sich das Gerstenfeld mit Lerchenfenstern der Familie Remmelberger in Reit 17/ Burgkirchen entwickelt. Es ist ein Meer aus wogenden Ähren, dem bislang weder Stürme noch Regen etwas anhaben konnte. „So schön, dass ich schon daran gedacht habe, Eintritt fürs Fotografieren zu verlangen“, sagte Andreas Remmelberger jun., auf dessen Feld nicht nur die bislang noch nicht erntereife Gersten-Sorte „Planet“ steht, sondern auch ein Lerchenfenster liegt. Die Biobetriebe Remmelberger aus Burgkirchen und Obermeyer aus Tengling liefern auch das Dinkel- und Emmer-Mehl für Bio-Bäcker Markus Huber aus Waging.

Zwischen den Gerstenhalmen blüht eine Unmenge an blauen Kornblumen und rotem Klatschmohn und machte deutlich, dass sich Artenschutz und -vielfalt auf dem Acker mit der Landwirtschaft die Hand reichen. Zudem durfte auf dem Feld das Schild der Schlossbrauerei nicht fehlen, auf dem die von Andreas Huber angestoßene Lerche sogar schon Platz genommen hat.

Am Feldrand stellte Marlene Berger Stöckl die Einbindung der neuen Ökomodellregion Inn-Salzach in mehrere Kooperationsprojekte der Region Waginger See vor, so bei der Biobraugerste, beim Biosenf oder beim Biomüsli, weil zu dieser Felderbegehung auch noch andere Biobauern der Ökomodellregion Inn- Salzachtal und deren Vorsitzender, Burgkirchens 1. Bürgermeister Johann Krichenbauer sowie die Projekt-Koordinatorin des Deutschen Verbandes für Landschaftspflege, Carolin Schaber, neu hinzukamen. Krichenbauer dankte der Familie Remmelberger, die auch in Tittmoning Anbauflächen hat, für ihr Engagement, das zur Gründung der Ökomodellregion Inn-Salzachtal beigetragen hat. Er bedankte sich auch bei der Ökomodellregion Waginger See-Rupertiwinkel, weil man von deren großem Erfahrungsschatz profitieren könne. Ein Dankeschön galt der Schlossbrauerei, „die das Risiko des Bio-Braugerstenanbaus von Anfang an mitgetragen hat und den Bauern einen fairen Preis bezahlt“. Auch seine neu gegründete Ökomodellregion wolle eine Plattform sein, damit die teilnehmenden Biobauern den notwendigen Absatzmarkt finden, betonte Krichenbauer.

Der neu gewählte Bürgermeister Andreas Bratzdrum aus Tittmoning würdigte als Vorstandsmitglied der Ökomodellregion das freiwillige Engagement der Biobauern und Verarbeiter und sagte seine weitere Unterstützung für die Initiativen der Ökomodellregion zu.

Wie Berger-Stöckl sagte, wolle die Ökomodellregion ihre Lerchenfenster-Initiative künftig auch auf Dinkel- und Haferfelder für den Verarbeiter Barnhouse und weitere Kooperationspartner ausdehnen, „denn wichtig ist, dass sich unsere Bauern auf möglichst vielen Flächen zuverlässig beteiligen. Besonders wertvoll ist auch der Anbau von Bio-Urgetreide wie Emmer, weil in diesen sehr licht wachsenden Beständen die Lerchenfenster natürlicherweise eingebaut sind“. Sie dankte deshalb dem Tenglinger Bio-Getreideanbauer Franz Obermeyer, der seit Jahrzehnten Urgetreide wie Emmer und Einkorn anbaut und damit viel für den Artenschutz tut. Überdies stellte Berger-Stöckl den Bäckermeister Markus Huber aus Waging vor, der in seiner Backstube in Altötting Biobrote aus Urgetreidemehl backt, das aus dem Getreideanbau der Familie Remmelberger aus Burgkirchen und von Franz Obermeyer aus Tengling stammt. Die Bio-Brote werden unter anderem in ausgewählten Edeka- und Rewe-Märkten der Region angeboten.
Als Zeichen der Anerkennung für das Lerchenengagement verteilte Berger Stöckl an die beteiligten Landwirte, Verarbeiter und Unterstützer eine Urkunde.
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