Meldung von 8.5.2022:
Wieso gibt es so viele Kälber?
Voraussetzung für die Milchproduktion ist die Geburt von Kälbern. Im Landkreis Miesbach kommen jedes Jahr rund 5.000 Bio-Kälber in biozertifizierten Milchviehbetrieben zur Welt. Etwa 2000 Bio-Kälber werden für die eigene Nachzucht gebraucht und bleiben im eigenen Betrieb oder in der Region. Alle anderen Kälber werden über Märkte und Händler an Mastbetriebe verkauft. Der Großteil dieser Bio-Kälber geht dann in konventionelle Mastbetriebe. Dies bedeutet nicht unbedingt eine schlechtere Haltung, aber die Tiere und damit später auch das Fleisch das sie liefern verlieren damit ihren Biostatus, was die Wertschöpfungskette schwächt.
Wieso wird hier nur von Bio-Kälbern gesprochen?
Weitere, geschätzt rund 10.000 Kälber kommen jährlich in konventionellen Milchviehbetrieben im Landkreis Miesbach zur Welt. Auch hier werden nicht alle für die eigene Nachzucht gebraucht. Die Öko-Modellregion Miesbacher Oberland und die Initiatoren von Oberland Bioweiderind wollen sich in diesem Projekt aber rein auf Bio-Kälber und Bio-Fleisch konzentrieren um die Bio-Wertschöpfungskette zu stärken und um mit dem Bio-Label eine eindeutige und bessere Vermarktung zu garantieren.
Wohin werden die Kälber verkauft?
Viele Kälber, gerade die gut mastfähigen Miesbacher Fleckvieh Kälber, werden gerne von großen Mastbetrieben in Niederbayern, Norddeutschland, Dänemark oder den Niederlanden gekauft. Es kann aber auch vorkommen, dass Kälber zu Mastbetrieben in Spanien verkauft werden und von dort teils sogar nach Nordafrika und Nahost verschifft werden. Große Mastbetriebe bieten meist keinen Weidegang mehr und die Fütterung erfolgt oft mit genverändertem Kraftfutter aus Südamerika.
Wieso werden die Kälber verkauft?
Viele Landwirten sehen gar keine andere Möglichkeit als die überzähligen Kälber zu verkaufen und damit auf eine unbestimmte Reise zu schicken, da sie am eigenen Betrieb gar keinen Platz zur Aufzucht haben. Im Laufe des letzten Jahrhunderts haben sich reine Grünlandgebiete, wie der Landkreis Miesbach, auf die Milcherzeugung spezialisiert und das Produkt „Fleisch“ vom gleichen Tier, dem Rind, wurde zunehmend in Ackerbaugebieten produziert, weil die Tiere schneller wachsen und damit schneller ein rentables Schlachtgewicht erreichen, wenn sie mit Mais, Soja und anderen Ackerfrüchten gefüttert werden.
Was kann man dagegen tun?
Einige Betriebe haben bereits individuelle Lösungen gefunden um einen Verkauf ihrer Kälber mit ungewissem Ziel zu vermeiden. Dies sind aber noch keine Lösungen die auf alle übertragen werden können. Der Arbeitskreis Biofleisch der Öko-Modellregion Miesbacher Oberland hat sich in den letzten Monaten mit genau dieser Problematik beschäftigt. Es wird nun versucht diesen Kreislauf zu unterbrechen und interessierten Landwirten eine Alternative zu bieten. Unter dem Arbeitstitel „Kälberprojekt zur Vermeidung von Viehtransporten“ konnte die Öko-Modellregion im letzten Jahr bereits erste Landwirte, Metzger und Großküchen finden, die als Partner mit dabei sein wollen.
Wie geht es weiter?
Im Arbeitskreis Biofleisch haben sich einige motivierte Mitstreiter entschlossen, das Projekt in die Umsetzung zu bringen. Olaf Fries aus Weyarn, IT-Entwickler und ÖDP-Vertreter im Miesbacher Kreistag, die machtSINN-Gastronomen Andrea Brenner und Bernhard Wolf aus Holzkirchen und Bio-Landwirt Albert Stürzer von der Initiative Biokalb Oberland aus Wall planen eine Genossenschaft für Bio-Kalb- und Rindfleisch zu gründen. Diese Genossenschaft soll verlässliche Strukturen bieten, damit die Kälber im Landkreis nach Bio-Kriterien aufwachsen, hier geschlachtet werden und ihr Fleisch in der Region verarbeitet wird. Dazu sollen Landwirte, Metzger, Gastronomie, Kantinen, Handel und Privatpersonen mit ins Boot geholt werden. Für diese neue regionale Bio-Wertschöpfungskette sind faire und stabile Preise, Planungssicherheit für Landwirte und Gastronomie sowie vollkommene Transparenz notwendig.
Wie kann das konkret aussehen?
Ein Landwirt behält pro Jahr einige Kälber, die er nicht für die eigene Nachzucht im Milchviehbetrieb brauchen kann, für mindestens 3 Monate im Betrieb. Der Landwirt bringt seine Kälber auf Bestellung von Oberland Bioweiderind direkt zur Schlachtung zum regionalen Bio-Metzger. Der Metzger tötet und schlachtet die Tiere. Das Fleisch wird je nach Bedarf gereift und anschließend verarbeitet und verkauft. Verarbeitung und Verkauf könnten folgendermaßen aussehen: Eingekochtes, wie Bolognese, Ragout oder Gulasch, und Verarbeitetes, wie Burgerpatties und Bratwürste, werden an den Lebensmittel-Einzelhandel verkauft. Fein oder grob zerlegtes Fleisch wird in großen Mengen, z.B. auch „From Nose to Tail“ Großküchen (Gastronomie, Kantinen) verkauft.
Was ist die Rolle der Öko-Modellregion dabei in Zukunft?
Die ÖMR steht der Genossenschaft weiterhin mit Informationen und ihrem großen Netzwerk zur Verfügung. Sie unterstützt die Genossenschaft bei der Vermarktung mit Öffentlichkeitsarbeit und die Großküchen bei der Verbraucher-Aufklärung: Was sind die Vorteile beim Verzehr von regionalem Bio-Fleisch? Wieso gehören Milch und Fleisch zusammen? Wieso kostet das so viel?
Update vom 14.8.2024:
Was kann ich tun?
Sie haben einen Milchviehbetrieb und überlegen ihn aufzugeben? Dann melden Sie sich gerne bei Stephanie Stiller , Öko-Modellregionsmanagerin. Wir suchen dringend weitere Aufzuchtbetriebe und die Öko-Modellregion wird die Initiative Oberland Bioweiderind weiterhin unterstützen.
Sie wollen bei Oberland Bioweiderind e.V. oder in der GmbH mitmachen bzw. Partnerbetrieb und/ oder Unterstützer werden? Dann informieren Sie sich hier oder melden Sie sich gerne bei Olaf Fries unter of@oberland-bioweiderind.de