Um den ökologischen Landbau langfristig zu stärken und eine nachhaltige, regionale Ernährung zu fördern, plädiert der Agrarwissenschaftler Ulrich Mück für einen dreifach höheren Konsum von Bio-Rindfleisch in Deutschland. Denn Weiderinder leisten nicht nur einen wertvollen Beitrag zur Biodiversität, sondern verwandeln Grünland in wertvolle Lebensmittel. Konkret heißt das: Wer einen Liter Bio-Milch oder 100 g Bio-Käse kauft, sollte dazu 25 g Bio-Rindfleisch in seinen Einkaufskorb legen – idealerweise aus der Region.
Diesen Ansatz verfolgt auch die Öko-Modellregion Miesbacher Oberland (ÖMR) seit einigen Jahren und versucht mit verschiedenen Projekten aktiv nachhaltige Landwirtschaft und Ernährung zu fördern. Mit diesen Projekten sollen mehr Rinder für die Fleischerzeugung in der Region aufwachsen und vermarktet werden. Nach dem Projekt „Miesbacher Weidefleisch“ für die Direktvermarkter startete 2021 das Projekt „Weniger Tiertransporte dank regionaler Fleischvermarktung“. Aus dem Arbeitskreis Biofleisch wurde 2022 zuerst der Verein Oberland Bioweiderind gegründet und im Januar 2023 für den wirtschaftlichen Bereich die gleichnamige GmbH – die Erfolge sprechen für sich.
Ein regionales Erfolgsmodell: Oberland Bioweiderind
Die Oberland Bioweiderind GmbH (OBW) ist ein Startup und ausgezeichnetes Leuchtturmprojekt, das zeigt, wie regionale Landwirtschaft und nachhaltiger Fleischkonsum zusammengeführt werden können. Bereits über 40 Landwirte liefern Schlachtvieh an OBW. Auch die Nachfrage steigt: 2024 wurden in zahlreichen Hofgesprächen neue Kunden gewonnen, darunter Aramark, Deutschlands zweitgrößter Caterer. Im vergangenen Jahr wurden 60 Tiere geschlachtet und vermarktet, wofür mehr als 100.000 Euro an die Landwirte ausgezahlt wurden. Für 2025 hat der wichtigste Partner, Bio-Großhändler EPOS, bereits 13,5 Tonnen Bio-Rinderhack vorbestellt.
Eine der größten Herausforderungen liegt aktuell in der Vermarktung der Edelteile der Bio-Kühe. OBW-Geschäftsführer Olaf Fries erklärt: "Wir haben bereits gute Kunden, aber es fehlt noch an Regelmäßigkeit in der Abnahme." Auch Jungrinder wie Färsen und Ochsen werden nur auf Vorbestellung als halbe Tiere vermarktet. Albert Stürzer, selber Landwirt und Bio-Wertschöpfungsketten-Manager bei OBW: „Zu unseren Kunden gehören z.B. das Culinaria in Miesbach, der Tannerhof in Bayrischzell, das Blyb in Gmund, der Wirt im Goldenen Tal in Weyarn und seit neuestem auch der Gasthof Mairhofer in Aurach.“ Dorthin wurde kürzlich eine halbe Bio-Färse aus dem Stall von Landwirt und Bayrischzells Bürgermeister Georg Kittenrainer verkauft. From nose to tail werden die verschiedenen Fleischteile in den kommenden Wochen und Monaten von Juniorchef und Koch Martin Mairhofer jun. den Gästen angeboten. „Wer ein halbes Rind kauft, hat in der Küche eine enorme Vielfalt – vom Suppenfleisch, über Sauerbraten bis hin zu feinem Rindergulasch und, nicht zu vergessen, das Bürgermeister-Stück.“, so Martin Mairhofer jun. Die täglich wechselnde Speisekarte findet man auf der Homepage www.gasthof-mairhofer.de. Auch Georg Kittenrainer freut sich über die regionale Kooperation. Erstmals hat er ein Schlachttier an OBW verkauft und war mit dem Preis und der Abwicklung sehr zufrieden: „Die Färse war drei Sommer auf der Alm, wurde im Winter mit Heu gefüttert und nun stressfrei geschlachtet. Ich freue mich über diese neue regionale Vermarktungsmöglichkeit, die meinen Tieren lange Transportwege erspart.“
Tourismus als Chance für den Bio-Fleischabsatz
Die Region hat auch aufgrund ihrer touristischen Anziehungskraft ein großes Potential, den Absatz von Öko-Rindfleisch zu steigern. Mit 8,3 Millionen Tagesausflüglern und 2,6 Millionen Übernachtungen pro Jahr bietet sich eine Chance, den Verbrauchern nachhaltige, regionale Produkte näherzubringen. Die oben genannten, ersten Vorreiter in der Gastronomie setzen bereits auf hochwertiges Bio-Weidefleisch aus der Region. Auch das Netzwerk innerhalb der Regionalentwicklung Oberland KU (REO) bietet der ÖMR hier viel Unterstützung und die Möglichkeit an potenzielle Betriebe heranzutreten.
Auch für Endverbraucher wird der Zugang zu regionalem Bio-Rindfleisch erleichtert: Neben eingekochter Bolognese in Hofläden gibt es nun auch portioniertes, tiefgekühltes Gulasch in den Regionalläden LAVLI Coop in Miesbach und machtSINN in Holzkirchen. Sonderverkaufsaktionen und weitere Infos findet man bei LAVLI und machtSINN
Kooperation mit dem Karlshof in Ismaning
Auch die Vernetzung mit der Stadt München, die einen großen potenziellen Abnehmer der Produkte unserer Region darstellt, steht auf der Agenda der ÖMR. Dazu gehören langjährige Partnerschaften wie mit der Genussgemeinschaft Städter und Bauern oder eine neue Kooperation mit dem Karlshof in Ismaning, ein Münchner Stadtgut mit einer Ochsenmast. Der Betrieb plant die Umstellung auf Bio und benötigt dafür Bio-Fresser – sechs Monate alte Stierkälber – in Gruppen von mind. 25 Tieren. Da es in diesem Bereich keinen Markt gibt, wandte sich der Karlshof an verschiedene Organisationen, um Lösungen zu finden. Dank des ehrenamtlichen Engagements im eigens gegründeten Miesbacher "Arbeitskreis Karlshof" konnte bereits im vergangenen Jahr eine erste Lieferung von Tieren nach Ismaning erfolgen. Zu den aktiven Unterstützern zählen der Bayerische Bauernverband (BBV), OBW, die ÖMR, engagierte Landwirte und die Schweisfurth Stiftung. „Mit dem Karlshofprojekt wurde Pionierarbeit geleistet, um die ökologische Rinderaufzucht für die Fleischerzeugung zu fördern. Deshalb haben wir für die Verstetigung des Projekts eine Förderung beantragt.“ so Stephanie Stiller, ÖMR-Managerin „Die Bio-Weiderindfleisch-Erzeugung in der Region funktioniert nur in der Gemeinschaft. Wir brauchen Solidarität von Erzeugern, Metzgern, Köchen, Gastronomen und Verbrauchern und damit eine gewisse Planbarkeit.“