Mehrere kleine Betriebe aus der Ökomodellregion Waginger See- Rupertiwinkel bringen bereits Erfahrungen mit dem Karottenanbau mit, aber der Feldgemüsebau zwischen Altötting und Berchtesgaden bietet noch viel Potential für die Zukunft. Die Öko-Modellregion Waginger See – Rupertiwinkel und die benachbarte Ökomodellregion Inn-Salzach unterstützen gemeinsam Neueinsteiger unter den Landwirten mit Praxiswissen. Ziel ist es, den Zugang der Verbraucher zu heimischen Bio-Karotten zu erleichtern und neue Perspektiven für die hiesige Landwirtschaft zu schaffen. In diesem Rahmen veranstalteten die Öko-Modellregionen diesen Sommer zwei Feldexkursionen zum ökologischen Karottenanbau.
Die erste Exkursion ging zum Hof von Familie Wichtlhuber in Tittmoning-Lohen. Die Jungbauern Alexander und Manuel bewirtschaften mit ihren Eltern gemeinsam den kleinen Betrieb. Auf den ökologisch bewirtschafteten Flächen wächst Dinkel, Futter für das Vieh und, seit 2020, auch Karotten, Zwiebeln und Kartoffeln. „Ich war neugierig und wollte den Karottenanbau dieses Jahr einfach mal ausprobieren“, erzählt Alexander. „Die Sätechnik habe ich mir von meinem Kollegen Hans Glück aus Grassach ausgeliehen. Das war eine große Hilfe für den Start. Denn teure Maschinen kaufen lohnt sich für uns Bauern erst, wenn wir ein paar Versuchsjahre Erfahrungen sammeln konnten.“ Statt des Einsatzes chemisch synthetischer Pflanzenschutzmittel sei „Abflammen“ die Devise, so Gastreferentin Franziska Blind, zuständig für Biogemüsebau beim Anbauverband Naturland. Dabei fahre der Bauer, kurz bevor die Karottenkeimlinge aus der Erde kommen, mit einer bodennah angebrachten Gasflamme über den Acker. Diese erhitzt das Unkraut in Sekundenschnelle und es stirbt ab. „Verschläft“ der Landwirt den richtigen Moment um einen einzigen Tag, kann er nicht mehr abflammen. Da bliebe nur das Handjäten – und das verursache die größten Kosten. Wenn die Jungpflanzen zwei Wochen alt seien, sollte maschinell zwischen den Karottenreihen gehackt werden.
Mit der maschinellen Ernte haben die Betriebe unterschiedliche Erfahrungen gemacht. So eine Anschaffung sei sehr kostspielig, nehme zwar Arbeitsspitzen, sei aber weniger schonend als die Handrodung. Eingelagert werden die Karotten mit Erde in Kisten und bleiben so lang frisch.
Das nächste Treffen fand am Biohof Glück in Tittmoning-Grassach statt, wieder mit einem Dutzend am Feldgemüsebau interessierter Bauern aus der Ökomodellregion. Bei Hans Glück ist die Karotte seit 30 Jahren ein fester Bestandteil seines Sortiments. Neben dem Abflammen greift Hans auf eine Bürste der Marke „Eigenbau“ zurück, die sich von Anfang an bewährt habe. „Ich bürste ab der zweiten Woche den Bereich zwischen den Reihen in den ersten zwei Zentimetern Bodentiefe, sodass das Unkraut ausgerissen wird. Danach habe ich ein feines sauberes Saatbeet und muss nur noch nahe der Karottenpflanzen hacken.“ Wenn Wetter und Unkrautregulierung gepasst haben, brauche er nicht mehr mit der Hand zu jäten. Anders sei es, wenn der Frühsommer zu feucht sei, der Boden nicht befahrbar sei und der Landwirt nicht rechtzeitig zum Hacken auf das Feld fahren könne. Dann wachse mehr „Beikraut“.
„Je vielfältiger und abgestimmter die Fruchtfolge ist, je mehr unterschiedliche Kulturen ihr auf eurem Acker anbaut, desto weniger Aufwand müsst ihr betreiben. Und der Ertrag passt auch!“, so Hans Glück zu den Teilnehmern. Glück erklärt, dass die wichtigsten Schädlinge meist auf eine Kultur spezialisiert sind und „verhungern“, wenn acht Jahre jedes Jahr eine neue Kultur auf der Fläche steht. „Und schaut, dass ihr Humus im Boden aufbaut, also den Boden fruchtbar haltet. Und nicht zu schwere Maschinen verwendet. Das verdichtet. Wenn der Boden passt, müsst ihr selbst in normal heißen Sommern nicht gießen.“
Der Erfolg gibt ihm recht – trotz steiniger Böden mit niedriger Bodenpunktzahl erntet Glück oft die größten Karotten. Hier kommen die Vorteile einer kleinbäuerlichen Landwirtschaft ins Spiel: Während auf großen Feldgemüsebaubetrieben der Vermeidung von Schäden durch die Möhrenfliege extrem viel Aufmerksamkeit gewidmet werden muss, spielt sie auf seinem Betrieb praktisch keine Rolle.
Und wie denkt Familie Wichtlhuber nach den ersten Erfahrungen zur Vermarktung des Feldgemüses im Herbst? „Der Ertrag hat dieses Jahr bei den meisten Sorten gepasst. Wir werden unseren Biogemüseanbau auch im nächsten Jahr fortsetzen und etwas ausweiten“, so Jungbauer Alexander. „Das meiste Gemüse haben wir direkt vermarkten können, einen Teil haben wir in Abstimmung mit der Ökomodellregion auch über Bioläden, Geschäfte und über die Ökokiste vermarktet. Wir sind mit diesem ersten Jahr zufrieden.“
Michi Steinmaßl, Biogemüse-Spezialist aus Kirchanschöring, meint dazu: „Mich freut es, wenn jetzt ein paar junge Landwirtsfamilien den Feld- und Biogemüsebau für sich entdecken. Das ist eine Chance für vielfältigere Betriebe auch in unserer Region – da müssen wir nur kurz über die Grenze schauen, was im Feldgemüsebau noch für Möglichkeiten grad für kleine Betriebe stecken. Wir müssen uns nicht vor Konkurrenz fürchten, der Bedarf in der Region ist noch lang nicht für alle gedeckt“. Michi Steinmaßl ist deshalb auch schon mit Junglandwirten im Gespräch und bei mehreren Höfen ehrenamtlich beratend tätig.
Artikel „Bayerische Bio-Rüben immer beliebter“, Redaktion, erschienen am 20.10.2020 in der Südostbayerischen Rundschau