Auf der diesjährigen Grünen Woche in Berlin stellte Prof. Kurt-Jürgen Hülsbergen von der Technischen Universität München die Ergebnisse einer Studie zu Klima- und Umweltwirkungen von konventionellen und ökologischen Betrieben vor. Nach Berechnungen der beteiligten Forschungsteams der TU München, des Thünen-Institut Trenthorst und der Universität Bonn werden durch eine ökologische Erzeugung bis zu 800 Euro pro Hektar und Jahr an Umweltkosten eingespart. Ein enormes Potenzial, dass beim aktuellen Bio-Anteil bereits 1,5 Milliarden Euro einspare. Mit dem von der Bundesregierung angestrebten Ziel von 30 Prozent Öko-Landbau würden sogar Kosten in Höhe von jährlich vier Milliarden Euro eingespart. Kritische Stimmen bemängelten jedoch die Methodik der Studie. Vor allem wurde kritisiert, dass der höhere Flächenbedarf des Öko-Landbaus und die damit verbundenen höheren Kosten unberücksichtigt bleiben. Wir haben mit Prof. Hülsbergen über diese Kritik gesprochen.
Oekolandbau.de: Herr Hülsbergen, in der von Ihnen geleiteten Langzeitstudie sind Sie zu einem klaren Ergebnis gekommen: Der Öko-Landbau schneidet bezüglich der Klima- und Umweltwirkungen deutlich besser ab als konventionelle Systeme. Kritische Stimmen entgegnen, dass Sie die geringen Erträge und den damit verbundenen höheren Flächenbedarf methodisch nicht berücksichtigt haben. Trifft das zu?
Prof. Kurt-Jürgen Hülsbergen: Die Kritik an den geringeren Erträgen, dem höheren Flächenbedarf und möglichen Verlagerungseffekten im ökologischen Landbau ist nicht neu. Und sie betrifft nicht nur unsere Studie, sondern bezieht sich ganz grundsätzlich auf den Öko-Landbau. Die Frage nach der Flächenkonkurrenz und möglichen Verlagerungseffekten war aber nicht Gegenstand unserer Studie. Dafür ist eine Gesamtanalyse des Agrar- und Ernährungssystems notwendig. Uns ging es vor allem um die Umweltwirkungen der beiden Bewirtschaftungsformen und die damit verbundenen Umweltkosten, die in den meisten ökonomischen Berechnungen nicht auftauchen.
Oekolandbau.de: Wie sind Sie dabei vorgegangen?
Hülsbergen: In unserer Studie haben wir zehn Jahre lang umfangreiche Daten auf 80 Praxisbetrieben erhoben, um Energie-, Stickstoff-, Humus- und Treibhausgasbilanzen zu berechnen. Das ist sehr komplex. Deshalb haben wir sogar darauf verzichtet, weitere Umweltwirkungen zu berücksichtigen, etwa den Phosphoreintrag in Gewässer oder Wirkungen auf die Biodiversität durch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Die tatsächlichen Umweltkosten und Systemunterschiede sind daher noch größer. In der Studie gibt es ein sehr umfangreiches Kapitel zu den Erträgen im Öko-Landbaus im Vergleich zur konventionellen Erzeugung. Für einen fairen und objektiven Systemvergleich wurden alle Umweltwirkungen bezogen auf die Fläche, also pro Hektar, und die Produkteinheit in Form von Getreideeinheiten dargestellt. Das heißt, die unterschiedlichen Erträge sind überall berücksichtigt. Interessanterweise, und das ist neu an der Studie, sind die Treibhausgasemissionen nicht nur je Hektar, sondern auch je Produkteinheit geringer als in konventionellen Systemen.
Oekolandbau.de: Dennoch bleibt es dabei, dass die geringen Erträge zu einem höheren Flächenbedarf führen, wenn man weiterhin so viel ernten möchte wie heute.
Hülsbergen: Die Kritik lautet ja im Kern, dass wir in Deutschland nicht genügend Fläche haben und wir uns den Öko-Landbau wegen der geringeren Erträge nicht in der Breite leisten können. Das sehe ich nicht so. Schließlich hängt der Flächenbedarf nicht nur davon ab, ob wir ökologisch oder konventionell wirtschaften. Auch unser Ernährungsstil, vor allem der Anteil an tierischen Produkten, hat enormen Einfluss auf den Flächenbedarf und die Umwelt- und Klimawirkungen. So müssen wir uns fragen, ob wir in Deutschland bei Schweinefleisch einen Selbstversorgungsgrad von 140 Prozent brauchen, während der Pro-Kopf-Verbrauch in den letzten 10 Jahren um ein Viertel gesunken ist. Das bindet nicht nur viel Fläche für den Futterbau, sondern führt durch die Sojaimporte auch zu enormen Nährstofffrachten auf dem Ackerland. Wir sollten die Tierhaltung wieder an die Fläche binden. Dann würde genügend Fläche für den Öko-Landbau zur Verfügung stehen.
Bei der Flächenkonkurrenz ist auch die Erzeugung von Bioenergie zu berücksichtigen. Allein für die Erzeugung von Biodiesel, Bioethanol und Biogas werden etwa zwei Millionen Hektar genutzt, also mehr Fläche, als derzeit ökologisch bewirtschaftet wird. Es steht in Deutschland genügend Fläche zur Verfügung, um das 30-Prozent-Ziel umzusetzen. Wir müssen sie nur richtig nutzen.
Oekolandbau.de: Aber wenn Flächen frei würden, wie von Ihnen beschrieben, könnte man diese ja direkt in Biotope umwandeln und die übrigen Flächen intensiv konventionell nutzen. Wäre damit nicht mehr für die Umwelt getan?
Hülsbergen: Dieses theoretische Szenario wird immer wieder beschrieben, aber wie wahrscheinlich ist es tatsächlich? Wer entscheidet, welche Flächen weiterhin Ackerland oder Grünland bleiben dürfen und welche aufgeforstet oder in Naturschutzflächen umgewandelt werden? In den Intensiv-Regionen mit hohen Tierkonzentrationen und Gülleüberschüssen würde man so weiterarbeiten wie bisher, um andere Flächen für den Naturschutz freizusetzen. Ist das unser Zukunftsszenario? Wohl kaum. Wichtig ist der Erhalt unserer offenen Kulturlandschaft und damit einer flächendeckenden Landwirtschaft. Der ökologische Landbau kann hierzu sehr viel beitragen. Da Umwelt- und Klimaschutz auf landwirtschaftlichen Flächen stattfindet, muss man nicht auf speziell angelegte Biotope und Naturschutzflächen ausweichen.
Oekolandbau.de: Ein weiterer Kritikpunkt an Ihrer Studie zielt darauf ab, dass fehlende Erträge durch Importe ausgeglichen werden müssten, die in den Erzeugerländern zu einem größeren Flächenbedarf führen und damit zu mehr Umweltzerstörung.
Hülsbergen: Wie gesagt, eine solche Analyse war nicht Teil unserer Studie. Dennoch gilt: Den Automatismus mehr Öko-Fläche gleich mehr Importe gibt es nicht. Dazu ein Beispiel: Von 2005 bis 2021 ist die Bio-Anbaufläche in Deutschland um etwa eine Million Hektar gestiegen. Aber der Selbstversorgungsgrad bei Nahrungsmitteln blieb nach den Daten der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) in diesem Zeitraum unverändert bei 87 Prozent. Zudem sind die möglichen Effekte einer Ausweitung des Öko-Landbaus so komplex, dass im Grunde keine verlässlichen Aussagen zu Verschiebungen des Anbaus in anderen Ländern möglich sind.
Oekolandbau.de: Dennoch: Auch in Ihrer Langzeitstudie schmälern die geringen Erträge die Umwelt- und Klimabilanz des Öko-Landbaus, wenn man produktbezogen rechnet. Und die Erträge stagnieren hier schon seit langem.
Hülsbergen: Der Ertrag ist ein kritischer Punkt, das stimmt. Aber ich sehe kein Naturgesetz, nach dem im Öko-Landbau nur die Hälfte geerntet wird. Das gilt derzeit für Getreide, nicht aber für alle landwirtschaftlichen Kulturen. Bei Kleegras und Silomais ist die Ertragsdifferenz viel geringer, ebenso auf Ebene der Fruchtfolge. Dazu haben wir in der Studie aktuelle Daten aus Dauerfeldversuchen vorgestellt. Daraus geht hervor, dass wir unter gleichen Standortbedingungen beim Mais 75 Prozent des konventionellen Vergleichsertrages erzielen können und auf Ebene der Fruchtfolge sogar bis zu 85 Prozent. Weltweite Studien zeigen eine Ertragsrelation von etwa 75 Prozent.
Und es gibt noch viel Potenzial für Ertragssteigerungen im Öko-Landbau. Das sehen wir ja auch bei den besten Öko-Betrieben in unserer Langzeitstudie. Die Erträge der besten Öko-Betriebe erreichen schon heute das mittlere Ertragsniveau der konventionellen Vergleichsbetriebe. Das Potenzial ist da, es muss nur in der Breite ankommen.
Oekolandbau.de: Wie wollen Sie das erreichen?
Hülsbergen: Wir haben in vielen Bereichen Optimierungsbedarf. Das reicht von einer für den Öko-Landbau angepassten Landtechnik über die Züchtung geeigneter Sorten bis zur Weiterentwicklung der Anbausysteme. Ein Schlüssel zur Optimierung und damit auch zur Ertragssteigerung ist mehr Forschung. Wenn die Politik und die Gesellschaft 30 Prozent Öko-Landbau möchten, sollten auch entsprechende Mittel für die Forschung bereitgestellt werden. Mit den aktuellen Forschungsetats und -kapazitäten im Öko-Landbau werden wir die Erzeugung nicht wie benötigt optimieren können.
Quelle: Aus dem Portal www.oekolandbau.de
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Interview: Johannes Dries und Philipp Holz von Klima-Farm-Bilanz
Weitere Infos im Web:
Hier finden Sie die Ergebnisse der Langzeitstudie
"Umwelt- und Klimawirkungen des ökologischen Landbaus":
BMEL: Landwirtschaft, Klimaschutz und Klimaresilienz
Thünen Institut: Stabsstelle Klima und Boden
FiBL: Klimaschutz und Biolandbau
Bioland Stiftung: BODEN.KLIMA – Landwirtschaft und Klimaschutz verbinden
Letzte Aktualisierung 01.03.2023