Die Besucher, die in hellen Scharen auf das Festgelände gekommen waren, durften ein paar unbeschwerte Stunden bei kulinarischen Öko-Schmankerln, bei Kaffee und Kuchen, schöner Musik und einem bunten Rahmenprogramm erleben. Zudem erhielten die Gäste bei einem speziellen Rundgang durch Bio-Michis Gemüsefelder tiefer gehende Einblicke in den ökologischen Landbau und gewannen an Kulinarik-Ständen Einblicke in Weiterverarbei-tungsprozesse der Lebensmittelherstellung. Vieles von dem, was die Partner von Bio-Michi oder andere Weiterverarbeiter von Bio-Lebensmitteln in der Ökomodellregion Waginger See-Rupertiwinkel herstellen, durfte an deren Ständen auch meist gratis verkostet werden, so etwa verschiedene Biobiere, der „Waginger See Schnaps“ oder ein regionaler Bioburger.
„Wissenschaft kann das Risiko für die Umwelt nicht
einschätzen“
Höhepunkt der Veranstaltung war jedoch die Debatte um die Neuregulierung der „grünen Gentechnik“. Nicht nur der Veranstalter, sondern auch andere Gäste, wie die Vertreter der Landesvereinigung für den ökologischen Landbau in Bayern, forderten die als Ehrengast anwesende Staatsministerin Michaela Kaniber auf, sich dafür einzusetzen, dass das geltende Gentechnikrecht nicht gelockert wird. Schon in der Vergangenheit hätten sich die allermeisten Versprechungen hinsichtlich gentechnisch veränderter Pflanzen wie etwa ein geringerer Pestizideinsatz oder höhere Ernten nicht bewahrheitet, hieß es, sondern im Gegenteil zu einem sehr viel höheren Einsatz an „Pflanzenschutzmitteln“ geführt.
Michael Steinmaßl vertrat die Ansicht, dass die Wissenschaft das Risiko für die Umwelt nicht ausreichend einschätzen kann. Vor allem aber glaubt er nicht an die Versprechungen der Industrie, die mit der Bekämpfung des Welthungers argumentiere. Das Problem sei vielmehr, dass knapp 60 Prozent des Getreides in den Trog wandern, um den allgemeinen Fleischhunger zu stillen. Weltweit führe auch die Erosion durch nicht nachhaltige Anbaumethoden zu großen Flächenverlusten für die Landwirtschaft. Und Umweltschutz funktioniere nicht durch die Optimierung einzelner Pflanzen auf ein einzelnes Kriterium hin, wie z.B. die Hitzeverträglichkeit, sondern durch Vielfalt auf dem Feld.
Die Europäische Union hat bereits 2001 sehr strenge Regeln für die Freisetzung gentech-nisch veränderter Organismen erlassen. Länder wie die USA sind weitaus liberaler. Doch die Technologie hat sich in 20 Jahren verändert. Neue Techniken wie die Genschere - Fachleute sprechen von der Crispr/Cas-Methode - erlauben es, aus dem Erbgut von Pflanzen gezielt Gene für bestimmte Eigenschaften herauszunehmen. Allerdings muss diese Genschere weiterhin mit „alter Gentechnik“ in die Zelle transportiert werden – und kann dabei ungewollt Veränderungen im Erbgut auslösen. Forscher erreichen damit in kürzerer Zeit Resultate, die sonst durch Züchtung und Kreuzung Jahre in Anspruch nehmen. Die grüne Gentechnik zeichnet zudem aus, dass keine Gene fremder Arten eingefügt werden.
Bei der alten Technologie werden unter anderem artfremde Gene eingebaut, wie etwa beim BT-Mais, um ihn resistent gegen Schädlinge wie den Maiszünsler zu machen. In Deutsch-land hat sich diese Technologie nie durchgesetzt; der Widerstand aus der Bevölkerung war zu groß. In Brasilien etwa hat sich gezeigt, dass die Erträge dadurch teils gesunken sind und der Pestizideinsatz sogar um bis zum Achtfachen zugenommen hat. Der Grund: Unkräuter und Insekten sind resistent geworden, neue „Supergifte“ wurden entwickelt, die wiederum neue ungekannte Resistenzen auslösten. Verdient haben daran nicht die kleinen Bauern, sondern ausschließlich große Konzerne. Auch Pflanzen, die nach neuer Gentechnik verän-dert wurden, müssten dringend vor einer Freisetzung geprüft werden. Genau das soll aber im neuen Gentechnikgesetz wegfallen. Daher erkundigte sich Steinmaßl nach dem Feldrund-gang bei der Ministerin nach deren Haltung zu der von der EU empfohlenen Lockerung.
Kaniber: „Forschung in diesem Bereich vorantreiben“
Kaniber betonte noch einmal, was sie bereits einige Tage zuvor im Interview mit der Passauer Neuen Presse zum Thema gesagt hat: „Wir haben da eine sehr klare Haltung. Bayern ist gentechnikfrei und wir sind auch sehr, sehr stolz darauf. Unser Ministerpräsident Markus Söder hat das damals als Umweltminister forciert und eingeführt. Das war eine wichtige und richtige Entscheidung. Dennoch wollen wir die Forschung in dem Bereich vorantreiben. Allerdings muss Brüssel klar definieren, ob es sich um klassische Gentechnik bisheriger Art handelt. Oder ist es eine neuartige Züchtungstechnik, eine Art Schere, die im Ergebnis wie die konventionelle Züchtung, nur schneller und gezielter wirkt, aber nicht manipulativ in das typische Genmuster einer Pflanze eingreift?“ Auf keinen Fall gehe es, dass Brüssel die Entscheidungsfreiheit der Länder beschneide oder sogar von oben herab die Dinge vorgebe. Die wahren Klimaaktivisten seien die Bauern und Landwirte. „Sie haben selbst das allergrößte Interesse, ihre und unsere Lebensgrundlagen zu bewahren.“ Bayern rangiere in Sachen Bio-Landwirtschaft bundesweit ganz weit oben. Die Zahl der Biohöfe habe sich 2022 erneut erhöht und liege nun bei 11811. Zusammen bewirtschaften sie fast 416.000 Hektar Agrarland und damit etwa 7.000 Hektar mehr als ein Jahr zuvor. Auf 43 Prozent der Flächen Bayerns seien mittlerweile insgesamt 35 Ökomodellregionen (ÖMR) aktiv. „Die Höfe werden nur umstellen, wenn sie auch Abnehmer und entsprechende Weiterverarbeiter für ihre landwirtschaftlichen Erzeugnisse finden.“
In der ÖMR Waginger See-Rupertiwinkel gelinge dies bereits sehr gut, lobte Kaniber die Regionalinitiative, die auch mit Steinmaßl zusammenarbeitet.
Die Staatsministerin bat zu beachten, dass es mit der steigenden Weltbevölkerung auch zu einem steigenden Nahrungsmittelbedarf komme. Gleichzeitig werde die globale Landwirtschaft durch den Klimawandel anfälliger. Die Kunst sei es nun, Agrar- und Umweltpolitik in Einklang zu bringen. „Eine pure Flächenstilllegung führt wohl nicht zum gewünschten Ergebnis.“ Nur mit resilienten Flächen sei der Klimawandel in den Griff zu kriegen. Michaela Kaniber verwies zum einen auf das Projekt "Pflanzenbausysteme der Zukunft: biodivers – bodenschonend – digital", das einen konkreten Beitrag zur Lösung der großen Herausforderungen in der Landwirtschaft im Kontext von Biodiversität, Bodenschutz, Klimawandel, Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und gesellschaftlicher Akzeptanz leiste.
Der Landesvorsitzende im Bioland- Landesverband Bayern,
Thomas Lang, betonte, dass von Bio in Bayern letztlich alle profitieren:
Besonders der Aufbau von bio-regionalen Wertschöpfungsketten stärke die
Resilienz vor Ort, sorge für Ernährungssouveränität und erhalte die
Lebensgrundlagen der kommenden Generationen.
Laut Thomas Lang sieht der kürzlich von der EU-Kommission vorgelegte Gesetzentwurf vor, künftig neue Gentechniken für den Einsatz in der Landwirtschaft freizugeben - ohne Prüfung, ohne Zulassung und ohne Kennzeichnung. Damit bekämen wenige große Konzerne einen Freifahrtschein für gentechnisch verändertes Saatgut und die damit verbundenen Patente.
Bei den Landwirten würde diese Neuregelung zu neuen Abhängigkeiten führen. Für die Verbraucher, die Gentechnik auf dem Teller mehrheitlich ablehnen, wäre die Wahlfreiheit dann wohl Geschichte. Der Ökolandbau müsse frei bleiben von gentechnisch veränderten Pflanzen, könne aber den Nachweis eingeschleppter gentechnisch veränderter Pflanzen nicht mehr selbst führen, dafür sind große Aufwendungen im Analysebereich und sogar die Kooperation der Gentechnikfirmen selbst notwendig – für die allerdings der Patentschutz vorrangig sei.
Ein großes Problem sei dieser ausufernde Patentschutz, der sich sogar auf bisher frei zugängliche Wildpflanzengene erstrecke und damit schon jetzt die Existenz herkömmlicher Züchter in Bedrängnis bringe. Denn die Konzerne seien nicht verpflichtet, ihre Patente offenzulegen, können aber gegen jede Verwendung eines Gens klagen, das bereits von ihnen in einen Züchtungsvorgang eingebracht ist. So kommt die herkömmliche Zucht mit Wildpflanzengenen de facto zum Stillstand. Der ökologische Landbau und die gesamte kleinbäuerliche Landwirtschaft würden stark ausgebremst oder unmöglich gemacht. Und das alles, obwohl die bisherigen Verfahren der Gentechnik auch nach jahrzehntelanger Forschung keines ihrer großen Versprechungen einlösen konnten und es höchst unwahrscheinlich ist, dass die Neuen Gentechniken diese Versprechungen in Zukunft erfüllen werden. „Wir wollen, dass die Kennzeichnungspflicht für Lebens- und Futtermittel mit Gentechnik erhalten bleibt.“
„Es macht
wenig Sinn, auf neue Superpflanzen zu hoffen“
Kirchanschöring. Wie Dr. Christoph Then beim Hoffest auf dem Anwesen von Michael Steinmaßl in seinem Vortrag informierte, lassen sich mit Hilfe der Gen-Schere CRISPR/Cas auch Gene verändern, die sonst durch natürliche Reparaturprozesse besonders gut geschützt seien. Die Gen-Schere verhindere in diesem Fall, dass die Zellen das Erbgut wieder in den ursprünglichen Zustand zurückversetzen können. Auch weitere Schutzmechanismen könnten durch die Gen-Schere außer Kraft gesetzt werden. So spielt es bei ihrem Einsatz kaum eine Rolle, an welcher Stelle im Erbgut Gene, die verändert werden sollen, lokalisiert sind. Zudem blockiere CRISPR/Cas auch die Funktion aller ‚Sicherheits‘-Kopien der Zielgene, von denen sich oft mehrere im Erbgut der Pflanzen befänden. In der Folge würden Pflanzen, die aus diesen neuen Gentechnikverfahren hervorgehen, auch dann tiefgreifende genetische Veränderungen und oft neue genetische Kombinationen aufweisen, wenn keine zusätzlichen Gene eingefügt wurden. „In ihren biologischen Eigenschaften können sie sich deutlich von den Pflanzen unterscheiden, die aus konventioneller Züchtung stammen. Ihre Risiken müssen deshalb eingehend geprüft werden.“
„Durch die Verfahren der neuen Gentechnik können beabsichtigte oder unbeabsichtigte Veränderungen im Erbgut verursacht werden, die sich von denen der konventionellen Zucht deutlich unterscheiden und damit als neuartig angesehen werden müssen. Dabei hängt das jeweilige Risiko davon ab, welche Genfunktionen betroffen sind.“ Da Gene zudem oft mehrere Funktionen haben, könnten die Risiken für Mensch und Umwelt nicht vorhergesagt werden, sondern müssten im Detail untersucht werden, bevor die Sicherheit der Pflanzen beurteilt werden kann.
Ein Beispiel sei Leindotter aus neuer Gentechnik: „Hier wurde der Ölgehalt so verändert, dass die Pflanzen besonders gut zur Gewinnung von Agrosprit geeignet sein sollen. Sowohl die Ölmenge als auch die Zusammensetzung des Öls ist stärker verändert, als dies mit konventioneller Züchtung erreicht werden konnte.“ Der veränderte Ölgehalt könne sich auch auf die Widerstandskraft der Pflanzen gegenüber Umweltstress, deren Wechselwirkungen mit Bestäubern und auf die Nahrungsnetze rund um den Leindotter auswirken. Zudem müsse untersucht werden, ob die Pflanzen, wenn sie aus Versehen in die Produktion von Lebensmitteln geraten, für den menschlichen Verzehr überhaupt noch geeignet seien (Quellen finden sich hier: https://www.testbiotech.org/gentechnik-grenzen/leindotter).
„Grundsätzlich ist es möglich, mit der Gen-Schere CRISPR/Cas bestimmte Stellen im Erbgut zu verändern, aber es ist nicht möglich, die Folgen dieses Eingriffs für das Erbgut, die Pflanzen und die Umwelt hinreichend vorherzusagen oder zu kontrollieren.“ Aus der Sicht des Vorsorgeprinzips, das die Grundlage der Gentechnikgesetzgebung sei, müssten deswegen alle Pflanzen aus neuer Gentechnik eingehend auf ihre Risiken geprüft werden.
Nach dem Vorschlag der EU-Kommission für eine neue gesetzliche Regelung für Pflanzen aus neuer Gentechnik blieben viele Risiken aber unbemerkt, denn es wird einzig und allein geprüft, ob die beabsichtigte Veränderung eines Gens eingetreten ist, ohne Prüfung von Wechselwirkungen. In der Folge könnten immer mehr risikobehaftete Pflanzen aus neuer Gentechnik in die Umwelt freigesetzt und in Lebensmitteln verarbeitet werden.
Ähnlich wie bei der Verschmutzung der Umwelt mit Plastik und Chemikalien müsse es nicht unbedingt ein bestimmter Gentechnik-Organismus sein, der die Probleme verursacht. „Vielmehr können die Gesamtheit der Auswirkungen unterschiedlicher Gentechnik-Organismen und deren Interaktionen entscheidend sein. Dabei können die Umweltprobleme bzw. die Organismen sehr lange in der Umwelt überdauern und somit viele zukünftige Generationen belasten.“ Prüfe man die Pflanzen nicht ausreichend auf ihre Risiken hin, sei es möglich, dass diese zu einer weiteren Destabilisierung der Ökosysteme beitragen und unsere Lebensgrundlagen gefährden.
Und: Im Hinblick auf die möglichen Vorteile der neuen Gentechnik zur Sicherung der Welternährung oder der Abpufferung des Klimawandels seien die Hoffnungen weit überzogen. Oft zeigten die mithilfe der Neuen Gentechnik erzeugten Pflanzen extreme Merkmale, die aber unter den Bedingungen des Freilands nicht funktionieren. Bis jetzt seien - nach über zehn Jahren seit der Erfindung der Gen-Schere - noch keine Pflanzen zur Vermarktung gelangt, deren Einsatz dazu führen könnte, dass Landwirtschaft nachhaltiger wird. „Ohnehin macht es nach Ansichten vieler Experten wenig Sinn, auf neue Superpflanzen zu hoffen. Stattdessen müsste die Landwirtschaft insgesamt vielfältiger und robuster werden.“
Artikel von Anneliese Caruso, Südostbayerische Rundschau vom 17.08.2023