Der Heinrichhof ist herrlich gelegen. Er steht in Hucking auf einer leichten Anhöhe oberhalb von Taching am See. Man hat einen wunderbaren Blick in Richtung See und die ihn umgebende hügelige Landschaft. Auch bei sommerlichen Temperaturen ist es dort gut auszuhalten, weil immer eine frische, angenehme Brise weht. Zum Hof gehören etwa 11 Hektar Grünland, die sich direkt um den Betrieb erstrecken. Acker haben sie keinen.
Kerstin kommt „gerade noch“ aus Bayern
Andreas ist
gelernter Heizungsbauer, seit zwei Jahren ist er der Leiter vom Tachinger
Bauhof. Kerstin ist Physiotherapeutin und stammt aus dem Raum
Aschaffenburg, also „gerade noch Bayern“, lacht sie, wobei, ein bisschen hört
man das Hessische noch heraus. Sie kam einst wegen eines Jobs nach Oberbayern,
lernte Andreas kennen und mit der Liebe zu ihrem Mann entwickelte sich auch die
Liebe zu den Tieren und der Landwirtschaft. Andreas erzählt, dass es Kerstins
Wunsch war, mit der Mutterkuhhaltung den Betrieb weiterhin zu erhalten. Ihre
Vision war Bio, so naturnah wie nur möglich und mehr Unabhängigkeit. Als die
junge Familie, das Paar hat zwei Kinder, den Hof von Andreas‘ Eltern 2015
übernahm, war bald klar, dass sie die Kühe behalten, jedoch anders mit ihnen
arbeiten wollten.
Die Eltern hatten einen Milchviehbetrieb im Nebenerwerb mit 20 Tieren und Nachzucht in Anbindehaltung. Mit der arbeitsintensiven Milchwirtschaft und den diversen Abhängigkeiten in der Produktions- und Wirtschaftskette sahen Andreas und Kerstin für sich und den Hoareihof, wie er in der Gemeinde genannt wird, allerdings keine Zukunft. Mehr Perspektiven schienen ihnen Mutterkuhhaltung in Kombination mit Direktvermarktung von Rindfleisch ab Hof zu bringen. Sie starteten 2019. Ihre Einstellung haben sie in ein griffiges Motto verpackt: „Rindfleisch aus Mutterkuhhaltung mit Herz“. Damit versuchen sie den Menschen auch ihre Philosophie näher zu bringen. Diese basiert auf Achtsamkeit und Wertschätzung, sowohl im Umgang mit den Tieren, der Natur, ihren Produkten als auch mit sich selbst als Mensch und der Familie.
Damit die Kreislaufwirtschaft funktioniert, wollen sie ganz zurück zu den „Basics“, wie sie es auf ihre natürliche und sehr sympathische Art ausdrücken. Sie leben ziemlich minimalistisch, sagen sie, und machen viel in Handarbeit. Das sei ihr „Fitness-Studio“, lacht Kerstin. Sie kümmert sich um das Wohl der Tiere, organisiert die Vermarktung, bestückt die Social-Media-Kanäle, ist selbständige Physiotherapeutin, Hausfrau und Mutter. Andreas ist für Büro und Finanzen zuständig, erledigt die Arbeiten auf den Wiesen, an den Zäunen und im Wald, fährt und repariert die Maschinen. „Einfach ein Mann für alles“, bringt es seine Frau auf den Punkt.
Andreas ist stolz darauf, dass er den Umbau des Anbindestalls in einen Laufstall 2018/19 zwei Sommer lang alleine gestemmt und dafür in erster Linie alte Materialien verwendet hat. Das „Up-cycling“ favorisierte er zum einen wegen der Nachhaltigkeit, zum anderen, weil die verzinkten Rohre, die er von einem aufgelösten Bauernhof gekauft hat, seiner Meinung nach eine bessere Qualität als die heutigen haben. Wegen der kleinen Betriebsgröße gehört es auch dazu, dass sie mit anderen Bauern zusammenarbeiten und sich die Maschinen und Anhänger ausleihen. „Für diese Unterstützung sind wir sehr dankbar, ohne die ginge es nicht“, betonen die Mayers.
Bei einem Rundgang über den Hof spürt man, dass hier Menschen leben und wirken, denen ein funktionierendes Ökosystem wichtig ist und die mit der Natur arbeiten. Auf der Weide, wo ein paar alte Obstbäume Schatten spenden, grasen drei Generationen Fleckvieh und einige Angus-Mix-Rinder: sieben Mutterkühe und deren Nachkommen aus zwei Jahren. Zusammen sind es etwa zwanzig Tiere. Die Rinder - Färsen und Ochsen – werden im Alter von anderthalb bis zwei Jahren in der Fridolfinger Familienmetzgerei Spitzauer geschlachtet, zerlegt und abgepackt. Immer nur ein Tier fahren Kerstin und Andreas zum Schlachten. Sie sind bis zum Schluss dabei und, das ist ihnen wichtig zu erwähnen, sie bedanken sich auch jedes Mal bei ihrem Tier. Sieben bis neun Rinder werden pro Jahr auf dem Heinrichhof vermarktet.
Zwei Aspekte bei der Direktvermarktung am Heinrichhof sind bemerkenswert und werden, wie Kerstin Mayer erklärt, von den Leuten sehr geschätzt. Das Tier wird erst geschlachtet, wenn alle Teile durch Vorbestellung verkauft sind. Dadurch kann es zwar zu einer längeren Wartezeit für die Kunden kommen, aber am Ende bleibt nichts übrig. Des Weiteren werden die Mischpakete, nachdem das Fleisch zwei Wochen gereift ist, direkt aus dem Kühlanhänger am Hof verkauft.
„Die Menschen sollen mit dem „Produkt“, für das ein Tier sein Leben gelassen hat, verantwortungsvoll umgehen“, finden Andreas und Kerstin. Am liebsten würde sie die Kundschaft mit zum Schlachten nehmen, denn ihr sind Gefühle beim Einkauf sehr wichtig, ergänzt Kerstin. Jeder Verkaufstag wird nach dem Namen des Tiers benannt, von dem das Fleisch stammt: „Fleischverkauf Nepomuk“ heißt das dann beispielsweise. Auch ein Bild des Tieres und Detailinfos liegen beim Verkauf aus. Somit wird Landwirtschaft für die Verbraucher erlebbar und es steigt die Wertschätzung für die Bauern, deren Arbeit und Produkte. Bei den Hofverkäufen ist immer der Stall offen, damit die Leute sehen, wo und wie die Tiere aufwachsen. Auch für Fragen und Gespräche nimmt sich Kerstin gerne Zeit.
Weil auf den Wiesen des Hoareihofs schon lange weitgehend ökologisch gewirtschaftet wurde, war der Schritt, auf Bio umzustellen, keine große Hürde, sondern naheliegend, sagen Kerstin und Andreas. Wichtig war, dass Tierbesatz, Flächengröße und hofeigene Futtermenge zusammenpassen. Die Anzahl der Tiere pro Fläche ist im Biolandbau nämlich begrenzt, und auch Futter kann und soll nur wenig zugekauft werden. Damit das Futter vom eigenen Hof reicht, werden die Mayers ab nächstem Jahr ehemals verpachtete Weide- und Mähflächen wieder selbst bewirtschaften.
Seit 1. Januar ist der Betrieb in der sogenannten Umstellungsphase für die EU-Biozertifizierung, die zwei Jahre dauert. Die mit der Zertifizierung verbundene Bürokratie und die zwei Kontrollen pro Jahr waren kein Hindernis. Im Gegenteil: „Der Biokontrolleur war beeindruckt von unseren Unterlagen“, schmunzelt Andreas, „das hab‘ ich im Griff“.
Gras, Milch, Wasser und Liebe sollten laut Kerstin Mayer reichen, damit ein wertvoller Schlachtkörper entsteht. Sie habe als Ungelernte von Anfang an daran geglaubt, dass die Natur doch am besten wisse, wie es geht. „Die Milch der Mutterkuh ist unser ,Kraftfutter‘ für die Kälbchen“, erklärt sie. Die Tiere fressen nur Futter vom Grünland, also Gras, Silo und Heu. „Die Fütterung von Raufutter ist am artgerechtesten“, betonen die jungen Nebenerwerbsbauern, „dadurch steigt der Gehalt an ungesättigten Omega-3-Fettsäuren im Rindfleisch und macht es somit gesünder“. Das Wissen um Geburt und Aufzucht der Kälber, um Tiergesundheit und vieles mehr hat Kerstin als Quereinsteigerin zu Beginn von ihren Schwiegereltern gelernt. Rat und Informationen hat sie sich zusätzlich unter anderem beim Tierarzt, bei den Nachbarn, auf Kursen und Vorträgen geholt, vor allem aber durch „Learning by doing“.
Anerkennung als große Motivation
Das selbstbestimmte Arbeiten mache ihnen viel Freude, sagen Kerstin und Andreas. Rückblickend sei es die richtige Entscheidung gewesen, auf Rindfleischherstellung und Direktvermarktung zu setzen. Obendrein sei die Anerkennung, die sie durch die Kunden erfahren, eine große Motivation für sie, ihre Landwirtschaft weiterzuentwickeln. Vielleicht werden sie ihren Biohof irgendwann sogar mit weiteren Standbeinen im Vollerwerb bewirtschaften können.
Dreißig Prozent Biolandbau in Bayern bis 2030 - das ist seit 2019 ein gesetzlich festgelegtes Ziel der Bayerischen Staatsregierung. Die mittlerweile 35 Ökomodellregionen auf rund 40 Prozent der bayerischen Gemeindefläche sind dafür ein wichtiges Instrument. Mehr Infos zur ökologischen Landwirtschaft gibt es unter www.oekomodellregionen.bayern.
Artikel von Karin Kleinert, Südostbayerische Rundschau vom 06.09.2023